Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

„Hack Day for Good“ Mit kleinen Programmierungen dem Hass entgegentreten

Von|
Gute Ideen entwickeln gegen Hate Speech - beim "Hack Day for Good" von "Das NETTZ" (Quelle: Das NETTZ)

 

Gesellschaftlich ist die Antwort auf Hasskommentare erwünschtermaßen Gegenrede.  Die fördern Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus,  die fördern auch Soziale Netzwerke mit Reichweiten und Preisen.  Aber Gegenrede ist natürlich nicht das einzige, was sich gegen Hasskommentare machen lässt. Und gerade für die Betroffenen, die ganz persönlich regelmäßig von Hasswellen überrollt werden,  ist sie nicht das geeignete Mittel – zumindest nicht, wenn sie sich ihre seelische Gesundheit und ihren politischen Aktivismus erhalten wollen. Gibt es da nicht auch technische Lösungen, fragte sich die Vernetzungsstelle „Das NETTZ“ und brachte an 27. Und 28.06.2018 Aktivist*innen, Datenanalyst*innen, Programmierer*innen zusammen.  Simone Rafael sprach mit  Nadine Brömme von „Das NETTZ“  über Erkenntnisse, Ergebnisse und die Zukunft.

 

Um welche Probleme habt Ihr Euch beim „Hack Day for Good“ gekümmert?

Wir wollten von der Betroffenen-Perspektive ausgehen. Deshalb haben wir Online-Aktivist*innen befragt, die ein tägliches ‚Grundrauschen‘ von Hassrede mit punktuellen Shitstorms kennen:  Raul Krauthausen, Tarik Tesfu, Kübra Gümüsay, Nhi Le und Jasna Strick. Wir wollten wissen: Wie wirkt sich Hassrede auf Euer politisches Engagement aus? Wie könnt Ihr trotzdem aktiv bleiben? Einigkeit herrschte etwa darüber: Wer als Aktivist*in eigene Profile oder Seiten in Sozialen Netzwerken hat, der kommt mit dem Moderieren zumindest bei akuten Hass-Stürmen kaum hinterher. Noch viel mehr Zeit würde es kosten, alle strafbaren Kommentare anzuzeigen – das schafft ein privater Mensch gar nicht. Manche der Aktivist*innen blockieren bis zu 3.000 Profile im Jahr. Und selbst beim Einsatz gängiger Social Media-Monitoring-Tools lässt sich kaum überblicken, wer die „Hass-Animateure“ sind, die eine größere Anhänger*innenschaft für Angriffe begeistern können. Wären Kapazitäten da, um diese zu identifizieren, wären Gegenstrategien allerdings leichter zu entwickeln.

 

An welchen Themen habt Ihr Euch dann entschlossen, weiter zu arbeiten?

Als Hauptfelder, in den Unterstützung hilfreich wäre, haben wir identifiziert: Erstens: juristische Hilfestellung bei der Sicherung von Beweisen, im Anklageprozess und bei der Strafverfolgung. Zweitens: organisierter Austausch untereinander, um sich gegenseitig zu unterstützen und zu stärken. Zweitens finden wir, soziale Netzwerke tun zu wenig gegen Hassinhalte auf ihren Plattformen. Was können wir Ihnen vorschlagen, um die Situation besser zu machen? Und drittens: Wie können wir Solidarität einfach und niedrigschwellig organisieren und trotzdem effektiv bleiben?

 

Welche Ideen haben sich entwickelt?

Es sind viele tolle Ansätze entstanden, die wir gern weiterverfolgen würden! Beim Thema Solidarität etwa haben wir uns gefragt, ob es nicht möglich wäre, Paten-Netzwerke für Betroffene von Hassrede aufzubauen. Also Unterstützer*innen-Kreise, die Hilfe anbieten etwa beim Anzeigen von strafrechtlich relevanter Hate Speech oder beim Moderieren der Kommentare auf der Social Media –Seite. Oder schlichte Mailinglisten, an die sich alle bei akutem Bedarf wenden können und dort um Unterstützung und Rat bitten. Auch, wenn es um Anklagen geht, ist Unterstützung sinnvoll. Viele der von uns Interviewten haben noch nie einen Hasskommentar zur Anzeige gebracht, weil es für sie einfach zu aufwändig ist. Hier kam die Idee eines interaktiven „Walk-Throughs“ auf, etwa als Chatbot, der grundlegende Hilfestellungen leistet, wenn jemand etwas anzeigen möchte.

 

Und im Hinblick auf Soziale Netzwerke?

Konsens war: Warum wird nicht mehr auf technischer Ebene getan? Hier könnte eine engere Zusammenarbeit mit von Hate Speech Betroffenen bestimmt helfen. Wie wäre es, wenn es bei den Sozialen Netzwerken Awareness-Teams gäbe, die auf dem Schirm hätten, welche Aktivist*innen öfter von Hass betroffen sind – und ihnen bei der Bewältigung helfen, statt auch noch dokumentarische Posts zu löschen, die über Hassrede aufklären sollen? Warum kann ich auf den meisten Social Media-Seiten nicht ändern, dass der Post mit den meisten Interaktionen ganz oben angezeigt wird – auch wenn das ein Hass-Post ist? Wann führen endlich alle Sozialen Netzwerke eine Verifizierung ein, die das Anlegen von Fake Accounts schwieriger macht?

 

Welche konkreten Projektideen sind beim Hack-Day entstanden?

Das erste Projekt ist ein Facebook-Plug in, um dort auf Seiten die Kommentarfunktion bei Bedarf zu deaktivieren. Das geht bei Facebook nämlich bisher nur auf privaten Profilen und in Facebook-Gruppen, aber nicht auf Seiten. Dabei sollte man doch auch auf einer eigenen, öffentlichen Seite zur Person die Möglichkeit haben, sich zu schützen, indem sich Kommentare auch unterbinden lassen – als digitales Hausrecht. Gut wäre auch eien Funktion, Debatten nach einer bestimmten Dauer zu beenden. Wenn Facebook so etwas nicht anbietet , entwickeln wir es eben selbst. Wenn sieben Tage zu einem Thema debattiert wurde, ist alles gesagt. Warum dann nicht die Kommentarfunktion abschalten können und die Energie in neue Beiträge stecken?

Eine weitere Idee ist ein Browserplugin, um rechtskräftige Screenshots zu machen für die Strafverfolgung. Dies würde zumindest einen der ersten Schritte im Anklageprozess erleichtern. Neben dem Screenshot könnten auf einem externen Server auch die Inhalte gespeichert werden, so dass sie auch noch leicht zugänglich sind, wenn die Sozialen Netzwerke sie gelöscht haben, um juristisch gegen sie vorzugehen.

Und die dritte Idee fällt mehr in den Bereich Analyse:  Eine Hate-Datenbank, die zeigen soll: Wo kommt Hass auf? Wie verbreitet er sich? Welche Themen-Trends gibt es bei Hater*innen? Welche Accounts sind besonders aktiv? Es sind oft die gleichen Menschen, die an verschiedenen Stellen des Internets Hass verbreiten. Hass-Animateure, die eine große Community hinter sich versammeln. Mehr über sie und ihr Verhalten zu wissen, könnte helfen, ihre Aktivitäten einzudämmen und Aktivist*innen zu schützen.

Und wie geht es mit den Ideen konkret weiter?

Die Programmierer*innen beim Hack Day waren sich einig, dass alle drei Projekte mit je 2-3 technischen Arbeitstagen zu realisieren wären.  Aufwändiger wird es, die Tools dann auch zu pflegen und zu aktualisieren. Wir hoffen, dass sich die Entwickler*innen an unserem gerade neu gestarteten Förderwettbewerb beteiligen, wo für Projekte bis zu 5.000 Euro Förderung möglich sind. Außerdem denken wir über Finanzierungsmöglichkeiten wie Crowdfunding nach, weil uns die Projektideen wirklich gut  gefallen und sie einen hilfreichen Beitrag zu weniger Hass im Netz liefern. Auf alle Fälle soll das nicht der letzte „Hackday for Good“ gewesen sein – wir wollen die Gespräche in Gang halten.

 

Auch aktiv werden gegen Hass im Netz?

Wer sich auch vernetzen möchte: Am 13. und 14. September 2018 findet des jährliche Community-Event von „Das NETTZ“ statt. Infos gibt es hier:

https://www.das-nettz.de/unser-community-event-geht-die-naechste-runde-13-140918

 

Der Förderwettbewerb „Neue Impulse für eine positive Debattenkultur im Netz“ ist gerade gestartet. Interessierte Projekte können sich mit ihren Ideen bewerben bis zum 25.08.2018. Mehr Infos hier:

https://www.das-nettz.de/foerderwettbewerb

Weiterlesen

2014-11-13-Spremberg-Bbhf

Spremberg Prozesse gegen „Widerstand Brandenburg“

Auch zwei Jahre nach dem Verbot der neonazistischen Gruppierung „Widerstand Südbrandenburg“, auch „Spreelichter“ genannt, kommt es in Spremberg regelmäßig zu Gewalttaten von Neonazis, vor allem gegen alternative Jugendliche. In ihrem Überlegenheitsgefühl wird die örtliche rechte Szene durch das Vorgehen von Staatsanwaltschaft und Gerichten bestärkt: Oft dauert es Jahre, bis es zu Gerichtsverhandlungen gegen neonazistische Intensivtäter kommt. Für die Betroffenen rechter Gewalt ein untragbarer Zustand.

Von der Redaktion

Von|
Eine Plattform der