Wer AfD-Vertreter_innen zuhört oder in der rechten Internetsphäre unterwegs ist, der muss wirklich Angst bekommen um den Frieden in Deutschland und die Lage in der Welt. Aber stimmt das so und warum wird es erzählt? Hier gibt es eine kurze Gegenrede zu den beliebtesten rechtsalternativen Erzählungen des letzten Jahres, die jetzt auch im Wahlkampf viel Konjunktur haben.
Heute: “Volksverräter!” und “Migration führt zu Destabilisierung Deutschlands”
Die beliebtesten toxischen Narrativen der „alternativen Rechten“ im Internet hat der Monitoring-Bericht des Projektes „De:Hate“ der Amadeu Antonio Stiftung ermittelt.
„Volksverräter!“
Was wird erzählt?
Die Politiker_innen von etablierten Parteien wie CDU, SPD, FDP, den Grünen oder der Linken arbeiten eigentlich gegen das Volk, manche sogar, obwohl sie es besser wissen. Entweder für ihren eigenen Vorteil oder weil sie Teil einer großen Weltverschwörung sind.
Warum wird das erzählt?
Der Vorwurf, Politiker_innen seien nicht immer ehrlich und arbeiteten auch für andere Interessen als die ihrer Wähler_innen, ist im politischen Streit etabliert.
Tatsächlich gibt es ja auch Fälle, in denen das nachzuweisen war – allerdings ist es unzulässig, z.B. Bestechlichkeit von einzelnen auf alle Politiker_innen zu verallgemeinern. Und das ist ja auch nicht gemeint.
Außerdem lassen sich andere dann als “Alternative” zu diesem “System” verkaufen.
Was ist daran das Problem?
„Volksverräter“ ist Sprache des Nationalsozialismus – die so bezeichneten wurden im Dritten Reich häufig zum Tod verurteilt. Wer dies heute auf der Straße schreit, weiß das auch. Und falls nicht, sollte er oder sie darüber nachdenken.
Der Vorwurf, „das Volk“ zu verraten, beinhaltet völkische Ideologie: Denn wer ist „das Volk“, wer gehört dazu – biologische Kriterien? Kulturalistische? Es gibt Gründe, warum in nicht-rechten politischen Diskursen vielmehr die Rede davon ist, Wähler_innen zu verraten – denn die gibt es auch.
Und warum stimmt “Volksverräter” nicht?
Nur weil Politiker_innen nicht genau das machen, was Sie als einzelner sich vorstellen, verraten sie weder Sie persönlich, noch ein wie auch immer definiertes „Volk“.
Der Vorwurf wird in rechtsalternativen Zusammenhängen in der Regel im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung gestellt. Aber wer sich für einen menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten einsetzt, verrät weder „Volk“ noch Wähler_innen, sondern achtet das im Grundgesetz verankerte Grundrecht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonventionen. In Deutschland heißt das außerdem, sich seiner historischen Verantwortung aus dem Nationalsozialismus bewusst zu sein.
Wenn Sie mit den aktuellen Politiker_innen unzufrieden sind, können Sie am Sonntag bei der Bundestagswahl andere wählen. Aber bitte nicht beschweren, wenn Sie damit dann nicht in der Mehrheit sind oder Menschen wählen sollten, die es selbst mit Recht und Gesetz nicht so genau nehmen (etwa Alice Weidel (unangemeldete Haushaltshilfe), Frauke Petry (Meineid) oder Jan-Ulrich Weiß (Zigarettenschmuggel) – von den vielen AfD-Politiker_innen mit Verfahren wegen Volksverhetzung mal ganz zu schweigen).
Migration führt zu Destablisierung
Was wird erzählt?
Wenn Menschen nach Deutschland einwandern oder um Asyl bitten, bringen sie vor allem Gewalt und Terror mit – und das ist eine Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland. Und es ist eine Bedrohung für den Staatshaushalt und Wohlstand: Sie nutzen die Wohlfahrtssysteme aus.
Warum wird das erzählt?
Es gibt islamistisch motivierte Attentate, die Menschen Angst machen, in Europa und auch in Deutschland.
Die Angst davor, benachteiligt zu werden, funktioniert bei Menschen ab dem Kleinkindalter.
Es ist eine besonders geschickte Strategie, zu erzählen: Noch merkst du keine Nachteile dadurch, dass Geflüchtete unterstützt werden – aber bald… So lassen sich Ängste schüren, sogar ohne merkliche Veränderung der Lebenswelt.
Was ist das Problem?
Niemand mag Attentate von wie auch immer motivierten Täter gegenüber unschuldigen, zufälligen Opfern.Hier allerdings spielt eine rassistische Erzählung des Fremden und der von außen kommenden Bedrohung mit herein. Denn für die ist man als Gesellschaft dann erst einmal nicht verantwortlich – und man kann so tun, als könne man diese Gefahr etwa durch Abschottung abwenden.
Komplexe Realitäten wie das Wohlfahrtssystem, die Sozialleistungen und Leistungen der Krankenkassen sind nur für Expert_innen durchschaubar. Dies weckt Ängste, weil es wenig überprüfbar erscheint, wer welche Leistungen bekommt und warum.
Und warum stimmt es nicht, dass Migration zu Destabilisierung führt?
Geflüchtete fliehen in der Regel vor Gewalt und Terror in ihren Heimatländern und suchen Sicherheit und Stabilität.
Gewalt und Terror sind in Deutschland bisher in der Regel “hausgemacht”. Es sind bisher weit mehr Menschen in Deutschland durch rechtsextreme und rassistische Gewalt ums Leben gekommen als durch islamistische (Todesopfer rechtsextremer Gewalt: 179; Todesopfer islamistischer Gewalt in Deutschland: 14) . (vgl. DLF, Tagesspiegel, ZEIT, Tagesspiegel)
Das heißt nicht, dass nicht alles versucht werden sollte, um islamistische (oder rechtsextreme) Gewalt zu verhindern. Aber dies wird nicht durch Abschaffung des Asylrechts oder der Einwanderung funktionieren.
Bisher kommt das deutsche Sozialsystem mit der Belastung durch Geflüchtete klar, auch wenn die Situation einzigartig in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands ist. Wirtschaftsexperte Lars Feld sagt in der Welt: “Unser Sozialsystem hält durchaus eine Million Zuwanderer aus und ist darauf angelegt, sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dass diese Menschen bisher nichts in das Sozialsystem eingezahlt haben – und das realistischerweise auch so schnell nicht tun werden –, klingt bedrohlicher, als es ist. Denn die daraus erwachsende Tragfähigkeitslücke ist relativ gering und liegt im Nachkommabereich. Die Flüchtlinge werden den Staat unterm Strich also nicht allzu sehr belasten, aber eben auch nicht entlasten.” Entscheidend für die weitere Entwicklung ist, dass Zuwanderer Deutsch lernen und in den Arbeitsmarkt integriert werden können. (Welt, ZEIT)
Migration führt im Gegenteil übrigens auch zu Stabilisierung: Ohne Zuwanderung hätten wir schon jetzt zu wenig Arbeitnehmer_innen in Deutschland(vgl. Spiegel Online). Und Menschen mit Migrationshintergrund zahlen mehr in das deutsche Sozialsystem ein, als durch Zuwanderung Kosten entstehen und stabilisieren durch Beitragszahlungen die Sozialkassen (vgl. N-tv, Spiegel Online).
Bevor jemand in Deutschland Sozialleistungen erhält, wird seine Berechtigung intensiv geprüft. Das ist auch bei Geflüchteten so. Aktuell erhalten Geflüchtete Nahrung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege als Sachleistungen, Leistunge bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt, und 143 Euro für den persönlichen Bedarf. Die online viel geteilten Fälle mit hohen Geldsummen, die Geflüchtete angeblich bekommen, unterschlagen (bewusst) einen Teil der Realität, um Empörung zu schüren: Dass es sich um Bezüge für eine siebenköpfige Familie handelt, dass es um Menschen mit Krankheiten handelt. Es sind klassische Fake News (vgl. Rheinneckarblog)
Mehr gute Nachrichten gibt es morgen!
Dann beschäftigen wir uns mit den rechtsalternativen Thesen
„Fremde sind schlecht“ und „Der Widerstand ist da“.