Für den Belltower.News-Jahresrückblick sprechen wir mit zivilgesellschaftlichen Initiativen und Akteur_innen über die Situation in ihrem Bundesland. Das Interview mit Felix Krebs vom „Hamburger Bündnis gegen rechts“ führte Simone Rafael.
Was waren die wichtigsten Ereignisse und Akteure in Hamburg im Rechtspopulismus?
Wichtigster Akteur war 2017 ohne Zweifel die AfD. Das begann schon im Januar 2017 mit einer Kontroverse um die Raumvergabe bei staatlich geförderten Bürgerhäusern. Denn es gab Bürgerhäuser wie das Bürgerhaus Wilhelmsburg, die sich entschieden haben, der AfD keine Räume für Veranstaltungen zu geben. Das mißfiel der AfD natürlich. Im Bezirk Eimsbüttel wollte die AfD 2017 mehrere Veranstaltungen durchführen. Dagegen haben wir als „Hamburger Bündnis gegen rechts“ gemeinsam mit „Aufstehen gegen Rassismus“ Proteste organisiert. Schließlich wurden die Veranstaltungen in Bürgerhäusern in Hamburg aber komplett abgesagt. Die AfD muss in Hamburg nun weitestgehend auf parteieigene Räume zurückgreifen – oder sie machen Veranstaltungen im Hamburger Rathaus, in dem sie ja als Fraktion vertreten sind (vgl. keine-stimme-den-nazis.org).
Anfang des Jahres musste die AfD auch über den Ausschluss des Abgeordneten Ludwig Flocken aus der Partei entscheiden, aus der Fraktion war er schon früher ausgeschieden. Er fiel mehrfach durch rassistische Äußerungen auf. Herausgekommen ist eine für die AfD typische Lösung: Flocken bleibt Parteimitglied, er übernimmt allerdings bis auf Weiteres keine Ämter und Mandate. (vgl. keine-stimme-den-nazis.org).
Ein Landesparteitag der AfD im März blieb unspektakulär, Proteste dagegen haben wir trotzdem organisiert.
Zum 1. Mai wollten dann zwei AfD-Mitglieder aus Hamburg und Norderstedt, die inzwischen Bundessprecher der „Arbeitnehmer in der AfD“ sind, eine Maikundgebung veranstalten, für die sie utopische 2.000 Teilnehmer_innen angemeldet hatten. Nach der Ankündigung von Gegenprotesten wurde der Aufmarsch wieder abgesagt (vgl. keine-stimme-den-nazis.org)
Im Juni starteten wir als „Hamburger Bündnis gegen rechts“ gemeinsam mit „Aufstehen gegen Rassismus“ unsere kritische Begleitung der AfD-Wahlkampfaktivitäten. Das umfasste Proteste, Infobriefe, Pressearbeit. Interessant dabei: Nach dem Hamburger Transparenzgesetz sind Bezirksämter verpflichtet, auf Nachfrage über angemeldete Infostände Auskunft zu geben. Bei der NPD haben sie dies auch stets getan – dieses Jahr bei der Frage nach AfD-Infoständen haben sie sich geweigert. Das muss nun ein Gericht klären.
Am 9. September haben wir eine große Demonstration durch die Hamburger Innenstadt gegen den Einzug der AfD in den Bundestag organisiert. Bei dieser und einem abschließenden Konzert waren 6000 Menschen dabei.
Durch Recherchen konnten wir die Presse darauf aufmerksam machen, dass der Pressesprecher der Hamburger AfD in seinem früheren Leben Kontakt zur rechtsextremen „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ hatte. Dies wollte der Pressesprecher nicht bestätigen, aber auch keine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass das falsch sei (vgl. keine-stimme-den-nazis.org)
Bei der Bundestagswahl holte die AfD in Hamburg 7,8 Prozent der Stimmen – und damit das schlechteste Ergebnis in einem Bundesland deutschlandweit.
Und dann gab es nach dem Weggang von Dr. Bernd Baumann einen recht schmutzigen Machtkampf in der AfD Hamburg. Baumann war Landes- und Fraktionsvorsitzender, wechselt nun aber in den Bundestag. Ein Kandidat für seine Nachfolge, Dr. Alexander Wolf, ist Burschenschafter der bayerischen rechtextremen Burschenschaft „Danubia“, welche in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Außerdem hat er 1994 ein Nazi-Liederbuch herausgegeben (vgl. keine-stimmte-den-nazis.org). Daraufhin wurde Dirk Nockemann gewählt, ehemals Politiker der Schill-Partei. Der AfD-Landesverband geht nach unserer Wahrnehmung geschwächt und gespalten aus diesem Konflikt hervor. Das gibt und Hoffnung auf einen Bedeutungsverlust in 2018.
Was waren die wichtigsten Ereignisse und Akteure in Hamburg im Rechtsextremismus?
Mit Bedauern haben wir im Januar das Scheitern des NPD-Verbots zur Kenntnis genommen.
Dann brach die Kontroverse um den Lehrer Jochen Sch. wieder auf. Der hat eine Vergangenheit bei der NPD und in der rechten Burschenschaft „Chattia Friedberg“ und wurde deshalb vor 10 Jahren aus dem Schuldienst der Privatschule, bei der er damals angestellt war, entlassen. Jetzt arbeitet er wieder in Hamburg an einer staatlichen Schule. Er gibt an, mit seiner Gesinnung gebrochen zu haben. Andererseits verweigert er Eltern und Kolleg_innen jegliche Auskünfte zu dieser Zeit, was diese Aussage weniger glaubwürdig erscheinen lässt (vgl. taz).
Während die „Identitären“ in Hamburg in 2016 durchaus eine Rolle gespielt haben, war es 2017 recht still. Im Januar 2017 konnte ihnen nachgewiesen werden, dass sie Wehrsportübungen mit der Burschenschaft Germania Hamburg durchgeführt hatten, danach gab es nicht mehr viele Lebenszeichen.
Dafür machte im März der Laden „Nordic Company“ der bei Rechtsextremen beliebten Marke „Thor Steinar“ ausgerechnet im vielfältig geprägten Stadtteil Barmbek auf. Die Folge waren Proteste, Demonstrationen, mehrmals wöchentliche Verteilung von Info-Flugblättern und Proteste auf bezirklicher Ebene. Schließlich ging die Eigentümergemeinschaft gerichtlich gegen den Vermieter des Ladens vor. Am 31.01.2018 zieht „Thor Steinar“ wieder aus (vgl. keine-stimme-den-nazis.org).
Dann brachten Recherchen ans Licht, dass der Ehrenvorsitzende der Hamburger Bundeswehrreservisten auch „Alter Herr“ der rechtsextremen Hamburger „Burschenschaft Germania“ war. Die musste er verlassen, um Ehrenvorsitzender zu bleiben.
Im Juni haben wir gemeinsam mit dem FC St. Pauli den „Lauf gegen Rechts“ organisiert, einen Spendenlauf für Projekte gegen Rechtsextremismus und Rassismus, an dem 2.000 Menschen teilgenommen haben.
Aktuell gibt es in Hamburg noch eine gedenkpolitische Debatte: Das Stadthaus war einst das Gestapo-Hauptquartier in Hamburg. Das Gebäude wurde verkauft unter der Prämisse, dass die Quantum Immobilien AG dort eine Gedenkstätte einrichtet. Die wollen nun aber nur einen Buchladen und ein Café im Haus unterbringen, die mit Veranstaltungen erinnern sollen – aber das ist nicht, wozu sie sich verpflichtet haben. Diese Debatte wird auch 2018 weiter gehen. (vgl. Mopo).
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