Ein aktueller Versuch von Rechtsaußen, einerseits den Diskurs über ein Thema an sich zu reißen, andererseits Stimmung gegen progressive Stimmen zu machen, stellt die unter den Hashtags #AlmanRD und #ARDeutsch geführte Kampagne gegen den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk dar. Diese Kampagne ist Teil einer rechtsextremen Kommunikationsguerilla-Strategie, die in Zukunft häufiger anzutreffen sein wird, und deshalb eine Analyse wert ist.
Gestartet wurde die ab dem 29. März begonnene Initiative von führenden Vertretern der rechtsradikalen und rechtsextremen YouTube-Community: Kanäle wie „Der Schattenmacher”, „Friedrich von Osterhal” — der auch für die Kampagne #150JahreVaterland zur Gründung des deutschen Kaiserreichs aufrief —, die „Vulgäre Analyse” und „Hirn statt Hetze” veröffentlichten vom 26. März an Videos, in dem sie ihren Abonnent*innen die Kampagne erläuterten und zur Beteiligung aufriefen. Auch Martin Sellner hat die Initiative in einem Video, als auch auf seinem Telegram-Kanal, erwähnt.
Obwohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk Ausdrucksmittel einer bürgerlichen Gesellschaft ist und regelmäßig von links kritisiert wird, betrachtet ihn die radikale Rechte als linksextreme Propagandamaschinerie, auf dem gleichen Level wie Indymedia oder Kassiber der Roten Armee Fraktion. Aber nun gut, für Menschen wie die genannten YouTuber reicht es auch schon, rassistisch motivierte Gewalt als Hassverbrechen zu begreifen, um als Ehrenmitglied der Antifa e.V. zu gelten. Ziel der Kampange sei, so der Kanal „Hirn statt Hetze”, „einen Keil zwischen die kulturmarxistische, linksprogressive Twitterbubble und die öffentlich-rechtlichen Medien zu treiben”. Schließlich würden diese für das gleiche stehen: Antirassismus, offene Grenzen, Feminismus (und wieder einmal wünscht man sich, in der gleichen Welt zu leben wie die radikale und extreme Rechte, denn in einer Welt mit einem derartigen ÖRR hätte es niemals die Til Schweiger-Tatorte gegeben).
Unter #AlmanRD soll die „linke Doppelmoral” der vermeintlich antirassistischen Öffentlich-Rechtlichen aufgezeigt werden, deren Vorstände durchaus aus Weißen bestehen, obwohl Beiträge von Sendern oder YouTube-Formaten strukturellen Rassismus kritisieren.
„Der Schattenmacher” benennt dies ganz konkret als „Strategie, linke Identitätspolitik von rechter Seite auf elf zu drehen”.
Das Ziel: eine Diskursverschiebung nach rechts. Durch Aussagen im Stil von „People of Colour sollen Chefpositionen zugesprochen bekommen, ob sie nun Qualifikationen haben oder nicht” wird eine rechtsexreme Parodie antirassistischer Diskurse vermittelt. Zum einen soll Unbedarften Glauben gemacht werden, dass rassismuskritische Positionen allesamt lächerlich und überzogen seien, andererseits aber auch eventuell linke, demokratisch gesinnte Personen, die der Aktion auf den Leim gehen, in ihrer Inkompetenz mit rechtsextremen Internetstrategien vorgeführt werden: „Haha, die sind auf unsere Aktion hereingefallen!”. Die bürgerliche Mitte hingegen sollte durch die inszenierte Absurdität des als antirasstisch getarnten Aktivismus abgeschreckt werden und sich dem rechten Rand zuwenden.
Der wichtigste Punkt jedoch ist es, die gesellschaftliche Position des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks zu schwächen. Ob sich jedoch jemand wie Jan Böhmermann von Pöbeltweets im Stil von „Wenn Sie so gegen Rassismus sind, Herr Böhmermann, dann geben Sie Ihren Job an jemanden mit Migrationshintergrund ab” tangieren oder gar erreichen lässt, ist jedoch fraglich.
Um dies überzeugend zu erreichen, wurde dazu aufgerufen, sich als „Linke” zu tarnen – jedoch nur mäßig erfolgreich. Dass zahlreiche an der Kampagne beteiligte Accounts nur wenige Stunden oder Tage alt waren, ausschließlich Tweets zu #AlmanRD veröffentlicht hatten, oder dass Accounts mit Regenbogenfahne im Namen und #BlackLivesMatter in der Twitter-Biographie einige Tage zuvor noch Compact-Artikel gepostet hatten, macht für halbwegs Twitter-erfahrene User*innen deutlich, dass es sich um Fake-Profile handeln muss. Auch entlarvt die verwendete Sprache oft, dass die Aktivist*innen keinen eigenen Zugang zu antifaschistischer oder antirassistischer Rhetorik haben, sondern diese lediglich imitieren:
Der zweite Teil der Kampagne ist es, unter dem Hashtag #ARDeutsch und in der Rolle von Rechten sich wiederum begeistert für die primär weiß besetzten Vorstände von ARD, ZDF oder BRR auszusprechen. So soll eine Scheindebatte zwischen Rechts und Links aufgeführt werden — mit dem Ziel, dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu schaden. Ein zusätzlicher Bonus ist es, gibt „Hetze statt Hirn” unumwunden in seinem Video zu, dass linke Twitter-Aktivist*innen in Zukunft Sorge haben könnten, dass Hashtag-Kampagnen eigentlich rechtsradikale Troll-Initiativen sein könnten und so ihren eigenen Aktivismus reduzieren.
Aufgrund der koordinierten Aufrufe reichweitenstarker YouTube-Kanäle der radikalen und extremen Rechten konnte der Hashtag #AlmanRD in der intendierten Laufzeit schnell die deutschsprachigen Twitter-Trends erobern und wurde dementsprechend als Erfolg gefeiert. Dennoch: von links wurde die Kampagne nicht aufgenommen, und auch Retweets von bürgerlicher Seite blieben weitestgehend aus. #AlmanRD und #ARDeutsch blieben primär eine infantile Selbstbespiegelung von Rechtstwitter. Trotzdem gilt es, die Versuche von Rechtsaußen, linke Diskurse unterwandern und ins Lächerliche ziehen zu wollen, als Strategie zu beobachten, denn: Es wird nicht der letzte Versuch gewesen sein.