So genannte „Dog Whistles“ sind in der rechtsextremen Szene eine beliebte Strategie: Dabei wird nicht einfach gesagt, was gemeint ist, sondern es wird in Andeutungen kommuniziert. Andeutungen erlauben es, Inhalte zu vermitteln, ohne dass sich das Gemeinte im Wortlaut konkret und zitierbar widerspiegelt. Besonders für Eingeweihte ist eindeutig, was gemeint ist; doch bei Kritik von außen kann auf die reine Formulierung verwiesen werden. Damit wird die eigene Szene gestärkt. Auch angegriffene Gruppen verstehen in der Regel, dass sie gemeint sind. Nur die nicht im Thema informierten Teile der Gesellschaft wundern sich vielleicht über die Wort- und Bildwahlen. Die rechts-alternative Szene verwendet die Technik etwa gern für Gewaltaufrufe („da müsste man mal einen Hausbesuch machen“) (vgl. ausführlich Belltower.News).
Natürlich funktionieren „Dog Whistles“ nicht nur mit Sprache, sondern auch mit Symbolik. Rechtsextremen Hass mit Emojis zu verbreiten ist besonders subtil – immerhin sind die ja ursprünglich für andere Zusammenhänge entworfen worden und bekommen nur im Kontext mit anderen Hinweisen eine rechtsextreme oder abwertende Aufladung.
Abwertung durch Emojis
In großen Social-Media-Unternehmen werden für Moderator*innen-Schulungen Emojis als mögliche Verstärkung oder nonverbaler Ausdruck von Hate Speech gelistet.
So können Abwertung und Verachtung ausgedrückt werden durch: Daumen runter, gebrochenes Herz, Facepalm (Hand vor dem Gesicht), abwehrend gekreuzte Arme, wütende oder sich erbrechende Emojis.
Ausschließende Emojis sind Stoppzeichen, Hände, gekreuzte Arme oder rote Kreuze.
Zustimmende Emojis wie lachende Smileys, das „100“ -Emoji, Gesicht mit Herzchenaugen, Daumen hoch, betende Hände usw. können Hate Speech sein – wenn sie Abwertungen, rechtsextreme Organisationen, Gewalt oder Straftaten bejubeln.
Zum Bereich des abwertenden Lustigmachens und Mobbings gehören auch der lachende Smiley mit den Freudentränen, der Kackhaufen, der erbrechende Smiley oder der Smiley mit Maske für Distanz. Aber auch alle Emojis, die sexuelle Orientierung ausdrücken, können abwertend verwendet werden (etwa als homofeindliche Beschimpfungen).
Zu den Emojis, die Sexualisierung und Belästigung ausdrücken können, gehören Aubergine, Pfirsich, Zunge, Wassertropfen, Schlange, Faust, Hotdog, Banane, Vulkan und die Mittelfinger-Hand.
Gewalttätige Emojis, die auch als Gewaltaufrufe verstanden werden, sind etwa Mittelfinger-Hand, Bombe, Messer, Wasserpistole, Faust.
Viele der Tier-Emojis können für abwertende, entmenschlichende Vergleiche verwendet werden (etwa Schweine, Ziegen, Schlagen, Ratten, Enten, Schafe, Kühe, Affen).
(vgl. Motherboard)
Und wie sieht es in der rechtsextremen Szene aus?
In der rechtsextremen Szene werden darüber hinaus Emojis verwendet, die eigene Szenecodes symbolisieren können.
So wird die Frau oder Mann mit grüßend erhobenem Arm in der rechtsextremen Szene zu einer Person, die den Hitlergruß, also ein „Sieg Heil“, zeigt. Manchmal wird dafür aber auch nur die ausgestreckte Hand verwendet (vgl. Buzzfeed).
Das rote Kreuz, das normalerweise eher Ablehnung versinnbildlicht, wird bisweilen an Stelle eines Hakenkreuzes verwendet, dass in Deutschland ja ein strafrechtlich relevantes Symbol darstellt.
Werden Deutschlandfahnen im Profilnamen verwenden, will sich damit der oder die Poster*in als jemand ausweisen, der sich mit Deutschland identifiziert. Oft geschieht dies in Profilen von Personen, die sich als „Patrioten“ beschreiben. Ob Menschen daraus eine Abwertung gegenüber anderen Nationalitäten ableiten, ist in der Regel erst über den Inhalt ihrer Postings ersichtlich.
Der Emoji-Frosch ist in rechtsextremen Onlinekulturen beliebt, die sich als der „Alt-Right“-nahestehend zeigen wollen. Er wird als Ersatz für das Maskottchen der Bewegung, also „Pepe den Frosch“, verwendet, der von Alt-Right-Anhänger*innen selbst als Verkörperung des hasserfüllten nationalistischen Amerikaners verwendet wird (mehr zu Pepe hier auf Belltower.News, ADL).
Das Clown-Emoji hat in der Szene eine Doppelbedeutung. Es wird zum einen – wie in anderen, nicht-rechten Kontexten auch – verwendet, um Aussagen anderer als lächerlich zu markieren. Zum anderen kann er aber auch die Welt als „Clown World“ markieren. Dies ist eine Erzählung ebenfalls aus rechtsextremen Onlinesubkulturen, die besagt, dass alle Politik, die nicht rassistisch und rechtsextrem ist, sondern viel mehr nach sozialer Gerechtigkeit und Gleichwertigkeit strebt, von „Clowns“ gemacht werde, also Unsinn ist – und ergo eine „Clown World“ darstellt. Als Emojis sind das dann auch gern ein Clown und eine Weltkugel. Gern wird auch „Pepe der Frosch“ in einem Clown-Outfit gezeigt – dann ist er ein „Honkler“, der für White Supremacy (also die „Vorherrschaft der Weißen Rasse“) steht. Dieselbe Bedeutung haben ein Clown- und ein Frosch-Emoji kombiniert (vgl. Rationalwiki / Knowyourmeme).
Beliebt ist in dieser Szene auch eine Regenbogenflagge, kombiniert mit einem Bann-Zeichen – in Profilnamen, um zu zeigen, man sei „nicht schwul“, ansonsten auch, um Homofeindlichkeit auszudrücken.
Weitere Emojis, die in der amerikanischen „Alt Right“-Szene gern verwendet werden, wie das „OK“-Zeichen für „White Supremacy“ oder eine Pinie für „nordische Wurzeln“ und Ökofaschismus, tauchen in der deutschen extremen Rechten weniger auf.
Beliebt dagegen sind natĂĽrlich Farb-Emojis, die sich etwa zu Reichsflaggen-Farben (vgl. Belltower.News) zusammensetzen lassen, wie hier bei Attila Hildmann:
Hier ist noch ein zweites bei Rechtsextremen beliebtes Symbol zusehen: Die zwei Blitze. FĂĽr die rechtsextreme Szene ist das die Verbildlichung von SS-Runen.
Die Farbsymbolik gibt es auch mit blauen Punkten oder blauen Herzen – dies soll die Verbundenheit zur AfD symbolisieren, wie hier:
Oder:
Oder hier als Kombination mit der schlagenden Faust und der Deutschlandflagge plus Mittelfinger-Emoji in der Beschreibung.
Eigene Emojis:
Darüber hinaus gibt es dazu auch Internetseiten, die eigene Emojis anbieten, die man kopieren und in Texte oder Tastaturen einfügen kann – diese sind dann explizit rechtsextrem:
An erster Stelle sind hier Swastikas, also Hakenkreuze, zu nennen. Aber auch SS-Runen (die keine Blitze sind, sondern wie SS-Runen aussehen), Wolfsangeln und „Eiserne Kreuze“. Hakenkreuze, SS-Runen und Wolfsangeln sind in rechtsextremem Kontext in Deutschland übrigens strafbar — das gilt auch für die Verwendung als Emoji. Allerdings muss dafür eine Öffentlichkeit vorhanden sein. Heißt: Ein Hakenkreuz-Emoji an einen Freund zu schicken ist in der Regel noch nicht strafbar. Ein Hakenkreuz-Emoji in eine Gruppe zu posten, dagegen schon (vgl. wbs-law.de). Gleiches gilt übrigens für rechtsextreme Sticker, wie sie u.a. bei Whatsapp und Telegram erstellt wurden, seit es die Funktion gibt, dass User*innen selbst Sticker für die Messenger-Kommunikation entwerfen können (vgl. Volksverpetzer, Buzzfeed).
Dazu kommen Symbole wie Davidsterne, Hammer und Sichel oder das Anarchie-A – diese wiederum im rechtsextremen Angebot, um sie mit einem Bann-Kreis zu versehen und damit durchzustreichen.
Die Kombination von Emojis gibt natürlich noch mehr Möglichkeiten. So weisen einschlägige Seiten darauf hin, Dreiecks-Symbole mit Augen-Symbolen zu verbinden, um die „Illuminaten-Pyramide“ zu symbolisieren (in verschwörungsideologischen Kreisen beliebtes Synonym für „jüdische Weltverschwörer*innen“).
Diverse Variationen gibt es auch von Hitler-Smileys, die mehr oder weniger ernsthaft ausgestaltet werden und in der Regel verwandt werden, um an der Grenze von „schwarzem Humor“ und ideologischer Überzeugung die Normalisierung voranzutreiben.
Darüber hinaus gibt es online diverse Anleitungen für Hitler-Bilder, die aus Tastaturzeichen gebaut werden – dieses allerdings scheinen sich in der praktischen Benutzung unter Rechtsextremen keiner besonderen Beliebtheit zu erfreuen und können insofern vernachlässigt werden.