Marco Görlich ist der Initiator von „Heidentum ist kein Faschismus – Heiden für Menschenrechte“.
Warum haben Sie die Kampagne „Heidentum ist kein Faschismus – Heiden für Menschenrechte“ gestartet?
Wir möchten als Anhänger der ganz unterschiedlichen heidnischen Strömungen, auch in dieser Gesellschaft wahr- und ernst genommen werden. Es geht darum, an Gewicht im Engagement gegen Nazis zu gewinnen, damit Nazis und andere rechte Gruppen nicht an unserer Aufklärung vorbeikommen. Wir verfolgen das Ziel, mit aufklärenden Veranstaltungen und der positiven Besetzung des Heidentum, den Nazis einen wichtigen Teil ihrer Grundlagen zu entreissen…
Wie waren die Reaktionen in der heidnischen Szene auf Ihre Idee?
Nach monatelangen Diskussionen im Forum „Zentralrat der Heiden“ sah es fast so aus, als würde eine breite, gemeinsame Aktion ins Leben gerufen werden können. Als auch dieser Anlauf scheiterte, genau wie zahllose Versuche zuvor, startete ich im Sommer 2009 die Kampagne H.i.k.F. im Alleingang. Mit Stickern und einem Faltblatt ausgerüstet, ging die erste Webseite online. Schon zur Wintersonnenwende war eine bundesweite Aktion an Orten geplant, an denen Nazis ihre Version der Sonnenwendfeierlichkeiten zelebrieren. Wir versendeten Sticker und Schriften an antifaschistische und linke Strukturen. Leider mit sehr geringem Erfolg. Nur schleppend fanden wir weitere Mitstreiter. Oft bekam ich teils heftigen Gegenwind, vor allem von der Antifa aber auch aus der heidnischen Szene selbst. Solange die Kampagne nicht etabliert war, versuchten immer wieder Selbstdarsteller, Gurus und Rechte, mein Engagement zu attackieren.
Aber Sie machten weiter.
Mit der Anmeldung des sogenannten Fest der Völker der Nazis in Pößneck wagten wir den Schritt in die Öffentlichkeit. Soweit ich weiß, war es das erste Mal, dass Asatru, Celtoi und Wicca gemeinsam öffentlich gesellschaftlich aktiv gegen Rechts wurden. Nach anfänglicher Skepsis wuchs die Unterstützung täglich an. Auf unsere Webseite griffen in den vier Monaten vor dem Fest der Völker knapp 6000 Besucher zu. Die Gruppe bei Facebook wuchs rasant an und verdreifachte die Mitgliederzahl. Ganz wichtig sind auch unsere eigenen Beiträge gegen das Nazifest. Diese steigerten sich von Mal zu Mal im Aktionsgrad und Anspruch, so dass für jeden das passende Angebot dabei gewesen war. Zwei Wochen vor dem Fest der Völker gab es den Film „roots germania“ von Mo Asumang. Am Vortag des Nazitreffens gab es auf dem Marktplatz einen interreligiösen „Kreis der Harmonie“ und am Abend hat die Band Singvøgel, deren Mitglieder bekennende Heiden sind, das Good Vibes Festival eröffnet. Glücklicherweise blieb Pößneck diesmal vom Fest der Völker verschont, da die Nazis ihre Anmeldung zurückzogen. Trotzdem gab es eine Reihe symbolischer Aktionen gegen Nazis. Die Kirche war ebenso dabei, wie die Antifa, der FDP-Bürgermeister, der SPD-Landrat, oder eben unsere Kampagne. Und dann waren da noch die Anmeldungen bei den Ordnungsbehörden, welche mich auch zu Koopgesprächen luden. Was meinen Sie, wie die Ordnungsamt und Polizei staunten über eine Gruppe, die sich als Heiden identifizierte?
Sie sind aber auch über Pößneck hinaus aktiv?
Inzwischen sind wir ein bundesweites Netzwerk. Wir planen Veranstaltungen wie Vorträge, Diskussionen, Ausstellungen oder kulturelle Angebote. Und wir suchen den Kontakt zu Bündnissen, in denen wir uns als Kampagne beteiligen können. Kürzlich gelang uns die Kontaktaufnahme nach Eschede, wo die Nazis heidnische Feste missbrauchen und auch nach Nordhausen, wo sich die Artgemeinschaft zur Sommersonnenwende versammelt.
Mit unseren Recherchen am Hufhaus bei Ilfeld im Harz, haben wir offenbar eine gewisse Grenze überschritten. Wir fielen auf und mussten von dem Tag an böse virtuelle Attacken von Nazis einstecken. Diese führten sogar zur Löschung unserer Seite durch den Provider. Detaillierte Informationen gebe ich im Augenblick nicht, da die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufgenommen hat….
Mehr Informationen im Internet:
| heidentumistkeinfaschismus.jimdo.com
| Facebook-Gruppe „Heidentum ist kein Faschismus“
Nächster Termin der Kampagne „Heidentum ist kein Faschismus – Heiden für Menschenrechte“ :
Thementag „Wandern zwischen den Welten“
Samstag, 27.November 2010
16:00 bis circa. 22:00 Uhr
in den Räumen des Bildungswerk Blitz e.V.
Kirchplatz 6, Pößneck/Thüringen
Im September 2010 gelang es der Kampagne „Heidentum ist kein Faschismus“ erstmals, in der Öffentlichkeit als Heiden gegen Rechtsextremismus zu protestieren. Dazu wurden ganz unterschiedliche Angebote organisiert. Daran möchten wir anknüpfen und laden zu einer weiteren aufklärenden Veranstaltung in Pößneck zu heidnischen Themen ein!
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