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„Heldengedenken“ Fackel-Ritual für die Waffen-SS in Eisenach

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Neonazistisches Heldengedenken in Eisenach (Quelle: RechercheNetzwerk.Berlin)

Wenn Rechtsextreme ihrer „Helden“ gedenken, dann sind damit die Schlächter des Nazi-Regimes gemeint, auch wenn das nicht immer explizit gesagt wird. In Eisenach frönt man dem NS-Gedenken hingegen ganz offen: Am Sonntag, dem 17. November, lobpreisen Rechtsextreme auf gleich zwei Veranstaltungen die Wehrmacht, die SA und auch die Waffen-SS. Mittags im kleinen Kreis mit Reichsflagge, abends im Spalier mit Fackeln.

Beide „Heldengedanken“ in der thüringischen Mittelstadt wurden von Neonazis aus dem Umfeld der Gruppe „KnockOut51“ angemeldet. Vier Mitglieder der militanten Kampfsportgruppe wurden erst im Juli zu Freiheitsstrafen verurteilt. Das Oberlandesgericht Jena hat im Juli 2024 geurteilt, „Knockout 51“ sei eine kriminelle, aber keine terroristische Vereinigung gewesen. Sie bekamen Haftstrafen von etwa zwei oder drei Jahren, deutlich weniger, als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Die besorgten Waffen hätten der Abschreckung gedient und wenn es in der Gruppe darum ging, Linke zu töten, sei das nur angedachte Notwehr gewesen. Die Generalbundesanwaltschaft (GBA) wollte „KnockOut“ als terroristische Gruppe verurteilen, und hat deshalb Revision eingelegt. Die Urteile sind somit noch nicht rechtskräftig – und die Verurteilten deshalb aktuell auf freiem Fuß.

„Knockout 51“ konnte sich in Eisenach „ungestört als Ordnungsmacht etablieren“, heißt es in den „Thüringer Zustände“ des IDZ Jena von 2023. Nach Ansicht der GBA ging es den Neonazis zunächst darum, einen „Nazi-Kiez“ in Eisenach zu etablieren. „KnockOut51“ beließ es nicht bei Kampfsport, sondern baute und beschaffte sich Waffen, zudem gab es Schießtrainings in Tschechien. Leon Ringl, Rädelsführer der Gruppierung, pflegte zudem Kontakte zu rechtsterroristischen Strukturen in den USA.

Quelle: Dominik Lenze
Quelle: Dominik Lenze

Das erste der beiden „Heldengedenken“ aus dem Umfeld der mutmaßlichen Rechtsterroristen war eher mäßig besucht: Eine Gruppe von etwa 30 Personen, darunter auch einige Kinder, zogen mit Kranz und Reichsfahne über den Eisenacher Hauptfriedhof. Der Anmelder, Thüringens „Die Heimat“-Landesvorsitzender Patrick Wieschke, hat derzeit allerdings keinen guten Stand in der Szene. Ihm wird Verrat vorgeworfen:   Am 14. Dezember 2023 wurde er wegen des dringenden Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, „Knockout 51“ einen Raum im „Flieder-Volkshaus“, der Eisenacher Parteizentrale der „Heimat“ (ehemals NPD), als Waffenlager und einen Computer zur Verfügung gestellt zu haben. Zudem soll er an Treffen und Schulungen mitgewirkt haben. Nachdem er vor der GBA umfassend ausgesagt hatte, kam er aus der U-Haft. Im Mai 2024 wurde der „Die Heimat“-Aktivist Wieschke, in den Eisenacher Stadtrat gewählt. Das Verfahren gegen ihn steht noch aus.

Wie bei neonazistischen „Heldengedenken“ üblich, endet in die Veranstaltung in einem militärisch anmutenden Ritual: Ein Vorredner, in diesem Fall Wieschke, ruft militärische Gruppen des NS-Staats auf, zum Beispiel die Wehrmacht, der Rest antwortet im Sprechchor: „Hier!“. Zuletzt rief Wieschke die „Soldaten der Waffen-SS“ auf, die Versammelten samt Kindern antworteten.

Deutlich mehr Neonazis fanden sich am Nachmittag beim „Heldengedenken“ an der Kriegsgräberstätte Hötzelsroda ein, einige Autominuten abseits der Stadt: Rund 70 Teilnehmer*innen kamen dort zusammen. Darunter Mitglieder des „Dritten Weg“, der „Jungen Nationalisten“ und die Führungsriege von „KnockOut 51“. Auch Marco Zint, ein Gothaer Neonazi aus dem Umfeld der Turonen, war vor Ort.  Die Versammlungsbehörde hatte mit lediglich 20 bis 30 Teilnehmenden gerechnet.

Anmelder war Eric Krempler, der jüngste der vier Verurteilten im ersten „KnockOut“-Prozess. Im Juli wurde er zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Gericht attestierte ihm laut Prozessdoku Thüringen  „eine hohe Empathielosigkeit gegenüber den Geschädigten“. Am Sonntagabend führten Krempler und seine Partnerin den Fackelzug auf den Soldatenfriedhof an. Auch hier huldigten die Neonazis rituell „Sturmabteilung“, Wehrmacht und Waffen-SS. Abschließend lud man die Kamerad*innen in die Eisenacher Neonazi-Kneipe „Bull’s Eye“ ein.

Quelle: Dominik Lenze

Das NS-Ritual führte Krempler gemeinsam mit Leon Ringl durch. Letzterer ist Betreiber des „Bull’s Eye“ und gilt den Justizbehörden als Rädelsführer von „KnockOut51“. Ringl wurde im Juli zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahre und 10 Monaten verurteilt. Am Tag der Urteilsverkündung wurde seine U-Haft aufgehoben. Laut der Beratungsstelle Mobit war das „Heldengedenken“ am Sonntag der erste bekannte öffentliche Auftritt von Ringl seit seiner Haftentlassung. Krempler hingegen sei seit Monaten unverändert aktiv: „Inzwischen ist er wohl der aktivste Neonazi aus dem ‘KnockOut‘-Umfeld“, sagt ein Mobit-Sprecher. Zuletzt mobilisierte er beispielsweise gegen einen Christopher Street Day in Eisenach.

Die Polizei begleitete beide Versammlungen. Schon morgens nahmen zwei Beamte die Personalien aller Journalist*innen auf und notierten deren Namen. Auf Nachfrage teilte die zuständige Polizeiinspektion Gotha mit: „Die Aufnahme der Personalien der Medienvertreter dient mithin dem Abgleich, ob es sich tatsächlich um die angegebene Personalie und Funktion handelt.“ Dies geschehe „in guter Absicht und zu Ihrem Schutz“.

Quelle: Dominik Lenze

Abends wies ein Beamter scharf darauf hin, keine „Porträtfotos“ der Versammlungsteilnehmer anzufertigen. Kurz darauf leuchtete ein vermummter Neonazi in Militärkleidung Journalist*innen aus nächster Nähe mit einem Leuchtstrahler ab und fotografierte sie. Die Polizei schritt nicht ein und erklärte auf Nachfrage, der „Medienvertreter“ habe nicht fotografiert, sondern gefilmt. Eine politische Einordnung der Versammlungsteilnehmer verbitte man sich.

Im September wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Gera gegen sechs Thüringer Polizisten ermittelt, darunter ein ehemaliger Beamter. Sie werden verdächtigt, Informationen an „KnockOut51“ weitergegeben zu haben. Bei einem der Beschuldigten bestehe außerdem der Anfangsverdacht, er könne selbst Mitglied in der Gruppe sein. Der Beamte sei schon 2022 aus dem Dienst entfernt worden.

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