Von: Kira Ayyadi
Am 17. August 1987 brachte sich Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß im Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau um – deshalb “gedenken” Neonazis rund um diesen Tag ihrem “Helden”. Kein anderer NS-Kriegsverbrecher wird in der Szene so verehrt wie er.
Jahrelang war der Todestag von Rudolf Heß Anlass für rechtsextreme Demonstrationen im bayerischen Wunsiedel, wo sich bis 2011 dessen Grab befand. In den vergangenen Jahren war die Teilnehmerzahl der „Heß-Gedenkmärsche“ recht überschaubar – das könnte sich zum 30. Todestag ändern.
Für die rechtsextreme Demo, “Mord verjährt nicht! Gebt die Akten frei – Recht statt Rache”, mobilisieren die Neonazis im In- und Ausland. Auf einer eigens eingerichteten Internetseite findet sich ein Aufruf-Text in 13 verschiedenen europäischen Sprachen. Die Sicherheitsbehörden rechnen unter anderem mit rechtsextremen Teilnehmer_innen aus Ungarn und Tschechien. Die Berliner Neonazis begleiten diese Mobilisierung seit Wochen mit einer breit angelegten Propagandakampagne.
Bis zu 1.000 Neonazis werden in Spandau erwartet
Angemeldet ist die rechtsextreme Demonstration mit 500 Teilnehmer_innen. Die „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin“ (mbr) geht allerdings von deutlich mehr Demonstrant_innen aus. Sie warnt davor, die mobilisierende Wirkung eines Aufmarsches zum 30. Todestag nicht zu unterschätzen.
Rudolf Heß – der kleinste gemeinsame Nenner der Neonazis
Die Kundgebung hat das Potential, die bundesweit zerstrittene Szene einen zu können. Sowohl NPD- und „Die Rechte“-Strukturen, Kameradschaften und das „Antikapitalistische Kollektiv“ bewerben den Termin. Ungewöhnlich: Sogar Versände und rechte Musiker rufen nach Berlin auf.
Auch bei dem größten diesjährigen Neonazi-Konzert in Themar, am 15. Juli 2017, wurde der Termin in Spandau offensiv beworben. Neben „Heil“-Rufen kam es hier zu kollektivem „Rudolf Heß, Rudolf Heß“-Gegröle.
Auflagen für die Demonstration
Erlaubt ist am Sonnabend nur eine szenetypische Fahne pro 50 Teilnehmer_innen, außerdem müssen je 100 Demonstrant_innen mit einer Trommel auskommen. Marschmusik ist untersagt, auch Listen mit den Namen politischer Gegner_innen dürfen nicht verlesen werden. Die Demonstrant_innen dürfen Rudolf Heß weder in Wort, Schrift noch Bild verherrlichen.
Zu den internen Auflagen an die Teilnehmenden zählen: Alkoholverbot, Rauchverbot, keine Gespräche mit anwesenden Medien, Mobiltelefone müssen während des Marsches ausgeschaltet werden – es wird sich am Samstag zeigen, ob „das bessere Deutschland“, wie sie sich selbst bezeichnen, diszipliniert genug ist, ihren eigenen Anweisungen zu folgen.
Die Route der Neonazis
Startpunkt 12 Uhr: Bahnhof Spandau – Klosterstraße – Wilhelmstraße (hier stand das ehemalige Kriegsverbrechergefängnis der Alliierten, in dem Heß gefangen war) – Melanchthonplatz – Wilhelmstraße – Gatower Straße – Heerstraße – Pichelsdorfer Straße – Wilhelmstraße – Seeburger Straße – Elsflether Weg – Brunsbütteler Damm – Bahnhof Spandau.
Gegenprotest in Spandau
Viele zivilgesellschaftliche Organisationen rufen ab 11.00 Uhr zum Gegenprotest auf. Hier eine Übersicht:
11.00 Uhr Kundgebung des Spandauer Bündnis gegen Rechts, Wilhelmstraße 23 (ehemaliger Standort Kriegsverbrechergefängnis in der Wilhelmstadt)11.00 Uhr Demonstration „Keine Heldenverehrung von Nazikriegsverbrechern in Spandau und anderswo“ – Startpunkt: Seegefelder Straße vor dem Bahnhof Spandau – Am Bahnhof Spandau – Brunsbütteler Damm – Elsflether Weg – Seeburger Str. – Schmidt-Knobelsdorf-Straße – Endpunkt: Schmidt-Knobelsdorf-Straße/Wilhelmstraße11.00 Uhr Mahnwache für Toleranz und ein friedliches Miteinander – Gegen Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit von der Evangelischen Kirche Spandau, Melanchthon-Kirche (Adamstraße/Wilhelmstraße)
Treffpunkte für die gemeinsame Anreise zu den Gegenprotesten sind um 10 Uhr am Hermannplatz, am Alexanderplatz und am Gesundbrunnen; außerdem gibt es einen Fahrradfahrertreffpunkt vor der TU Berlin.