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Hessen 2018 Rechtsrock, neurechte Netzwerke und Rechtsextremismus in der Polizei

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Martin Homann, ehem. CDU, hetzt jetzt radikalisiert für die AfD Hessen. Da wird jeder, er kritisch hinterfragt, warum ein unbewaffneter Mann erschossen wurde, zum Polizei-Feind.

Bereits vor dem Beginn des hessischen Landtagswahlkampfes sorgte die hessische AfD in Fulda für Aufregung. Am frühen Morgen am 13. April wurde ein 19-jähriger afghanischer Geflüchteter von einem Polizeibeamten vor einer Fuldaer Bäckerei erschossen. Der Beamte gab zwölf Schüsse auf den unbewaffneten jungen Mann ab. Während sich Demokrat*innen für eine lückenlose Aufklärung stark machten, so beispielsweise vom Fuldaer Ausländerbeirat Abdulkerim Demir, und es diesbezüglich auch eine Demonstration von Geflüchteten in Fulda gab, wurde parallel ein teilweise extrem rassistischer Diskurs über diesen Todesfall geführt. In der Facebook-Gruppe „Freunde der AfD Fulda“, wünscht sich ein Kommentator mit „der Schneefräse“ durch die Demonstranten zu pflügen. Ein anderer möchte die protestierenden Flüchtlinge gleich „zum Güterbahnhof“ weitermarschieren lassen. Auch Martin Hohmann, Bundestagsabgeordneter der AfD aus Neuhof bei Fulda, äußert sich in einer Pressemitteilung zum Tod des 19-jährigen: „Hätte er die ‚Einladung‘ nach Deutschland nicht angenommen, wäre er mit Sicherheit noch am Leben.“ (vgl. FR).

Abdulkerim Demir bekam in dieser Woche über 200 rassistische und zum Teil strafrechtlich relevante Droh-Emails zugeschickt. Am 30. April veranstaltete die hessische AfD dann eine Kundgebung mit dem Titel „Die Polizei bleibt unser Freund“, an der nach Polizeiangaben 150 Personen teilgenommen haben. Im Anschluss wurde ein junger Mann, der von der Gegendemo kam und eine antifaschistische Fahne um die Schultern trug, von einer Person aus einer herannahenden Vierergruppe zwei mal ins Gesicht geschlagen (vgl. Lokalo.de).

NPD nicht in Wetzlar

Bereits Ende März wollte die hessische NPD ihren Wahlauftakt feiern. Dafür wurde die Stadthalle im mittelhessischen Wetzlar angemeldet. Insgesamt sechs rechtsextreme Musikbands sollten dort spielen, unter anderem auch „Kategorie C“, „die aus Bremen stammende Kultband der rechtsextremen Hooliganszene, die etwa bei der eskalierten Demonstration der „Hooligans gegen Salafisten“ 2014 in Köln aufgetreten war. Außerdem soll „Oidoxie“ den Zuhörern einheizen, die berüchtigte Neonazigruppe aus Dortmund, die lange Zeit offen als Teil von „Combat 18“ auftrat.“ (vgl. FR). Die Stadtverwaltung Wetzlar untersagte die Veranstaltung und setzte sich, sehr außergewöhnlich, über einen Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes in Kassel hinweg. Das Rechtsrock-Konzert fand dann in Leun-Stockhausen statt. Dort „gibt es mit dem “Bistro Hollywood” seit Jahren einen Treffpunkt der extremen Rechten, in dem immer wieder auch kleinere Konzerte stattfinden.“ (vgl. Störungsmelder).

Damit verwoben ist eine neue Organisierung von Rechtsrock-Konzerten, die sich „Club H5“ nennt. Nach Recherchen der antifaschistischen Zeitschrift „Lotta“, verbergen sich jedoch hinter der neuen Fassade altbekanntes: „Was es mit dem „Club“ auf sich hat, verraten die Betreiber in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „N.S. Heute“: Der „Club H5“ sei ein „Wanderclub“. Zwar sollen die Konzerte maßgeblich in der NPD-Immobilie in Leun-Stockhausen (Lahn-Dill-Kreis) stattfinden, zur Absicherung gegen mögliche Repressionen und um den Veranstaltern Flexibilität zu bieten, sollen aber auch an anderen Orten unter dem gleichen Label Veranstaltungen durchgeführt werden.“ (vgl. Lotta). Einer der Organisatoren des „Club H5“ ist, nach „Lotta“, Lars S. aus dem Lahn-Dill-Kreis, der seit dem Jahr 2015 rassistische Aufmärsche und Kundgebungen in der Region organisierte. „Parallel schloss“ er sich „mit mehreren Skinheads aus dem Lahn-Dill-Kreis zur „Ortsgruppe Lahn-Dill“ der „Berserker“ zusammen und wurde deren „Leader“. Die Gruppe wurde im Januar 2018 Ziel von polizeilichen Ermittlungen und Hausdurchsuchungen. Daraufhin löste“ Lars S. „die Gruppe auf, fand aber bald ein neues Betätigungsfeld: das Rechtsrock-Geschäft. 2018 suchte er immer wieder die Nähe zur Dortmunder C18-Band „Oidoxie“. Bei dem geplanten NPD-Konzert im März 2018 in Wetzlar zählte er zum Orgateam. Mit dem„ Club H5“ baute“ er „sein neues Betätigungsfeld weiter aus.“

Gedenkfeier abgesagt

Die Stadt Kassel sagte ihre Beteiligung an der Gedenkfeier zum 12. Todestag von Halit Yozgat, am 6. April, ab. Die Begründung war eine von der Stadt als unsicher eingeschätzte Gefahrenlage aufgrund eines Anschlages auf eine Moscheegemeinde in der Kasseler Nordstadt Ende März. Oberbürgermeister Geselle stellt den Anschlag in einen bundesweiten Kontext von Anschlägen auf türkische Einrichtungen, die im Zusammenhang mit der türkischen Militäroffensive auf die Stadt Afrin in Nordsyrien stehen würden (vgl. HNA). Viele Initiativen, Einrichtungen und Einzelpersonen aus Kassel verurteilen diese Entscheidung. Die Gedenkfeier fand ohne Beteiligung der Stadt Kassel friedlich statt.

Dossier Combat 18

Mitte Juli erscheint auf der antifaschistischen Rechercheseite „EXIF-Recherche & Analyse“10 ein umfangreiches Dossier zum Neonazinetzwerk Combat 18 (C18). Dort finden sich auch umfangreiche Informationen zur hessischen Sektion. Das Anfang der 1990er Jahre in England gegründete militante und klandestin organisierte internationale Neonazinetzwerk wurde im Jahr 2012 wieder neu strukturiert (vgl. Lotta). Stanley R., aus Kaufungen bei Kassel, leitet demnach eine Sektion von C18, in der sogar Neonazis aus unterschiedlichen Bundesländern eingebunden sind. „Mit einer Gruppe von Gefolgsleuten aus Nordhessen war er Teil der Oidoxie Streetfighting Crew (SFC), als deren Anführer er ab dem Jahr 2005 galt. […] Stanley R. „gehört weiterhin der Frontline Security an, einem „Sicherheitsdienst“, in dem sich Mitglieder der SFC und der Arischen Bruderschaft aus dem Umfeld von Thorsten Heise finden.“

Bundesparteitag NPD

Am 17. November fand in der Stadthalle in Büdingen (Wetteraukreis) der Bundesparteitag der NPD statt, auf dem die Liste der Kandidat*innen für den Europawahlkampf verabschiedet wurde. Mitte Dezember verabschiedete das Stadtparlament eine Änderung der Nutzungsordnung, die vorsieht, dass zukünftig keine Veranstaltung politischer Parteien mehr in der Stadthalle stattfinden dürfen. (vgl. FR).

Im November gab es eine bundesweite Razzia in 15 Wohnungen von Neonazis, die dem verbotenen „Blood and Honor“-Netzwerk angehören sollen. Im Zuge dessen wurde ein Neonazi aus Helsa bei Kassel per Haftbefehl gesucht und in Eisenach aufgegriffen (vgl. Hessenschau).

Rechtsextreme Chats bei der Polizei

Anfang August erhielt die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz ein Fax mit rassistischen Drohungen gegen sie und ihre zweijährige Tochter. Unterschrieben war es mit „NSU 2.0“. Als Nebenklage-Anwältin beim NSU-Prozess hatte Basay-Yildiz die Angehörigen von Enver Simsek vertreten. Durch ihre Strafanzeige wurden durch interne Ermittlungen rechtsextreme Chats bei der Polizei aufgedeckt. Es wird gegen sechs Polizisten im Rhein-Main-Gebiet und in Osthessen ermittelt.

Burschenschaft Germania

Die gute Vernetzung „neurechter Netzwerke“ auch in Hessen, wird spätestens seit der Buchmesse in Frankfurt im letzten Jahr unter anderem auch kontrovers diskutiert. Nach dem Angriff auf Fotojournalist*innen im letzten Jahr gab es auch in diesem Jahr ein Ereignis bei der Marburger Burschenschaft Germania am 24.11.2018, zu der drei Referenten geladen worden sind, die der neurechten Szene zuzuordnen sind: Philipp Stein, Benedikt Kaiser und Alain de Benoist. Auch die Kasseler Burschenschaft Germania hat am 17. November einen prominenten Redner zu sich eingeladen, den Düsseldorfer Rechtsanwalt und Burschenschafter Björn Clemens. Er sollte über das Thema „Ist die BRD reformfähig?“ sprechen. „Clemens, der als Strafverteidiger immer wieder prominente Neonazis vor Gericht vertritt und als Szene-Anwalt gilt, ist Mitglied im Bundesvorstand der „Gesellschaft für freie Publizistik“ (GfP). Die Organisation relativiert oder leugnet die nationalsozialistischen Verbrechen und ist laut Bundesverfassungsschutz die größte rechtsextreme Kulturvereinigung in Deutschland.“ (vgl. FR).

Eine Reihe von neonazistischen, rassistischen und antisemitischen Sprühereien, Sticker und anderen „Propagandadelikten“ gab es dieses Jahr in Hessen. Teilweise sind diese öffentlich Dokumentiert (vgl. Response Hessen). Das MBT Hessen hat eine interne Dokumentation, die aber nicht vollständig ist, sondern nur den Raum Nord-Osthessen umfasst und die Sprühereien und Sticker, die dem MBT gemeldet oder veröffentlicht worden sind.

Antisemitismus in Hessen

Antisemitische Beleidigungen, Aktionen, Drohungen und Straftaten haben insbesondere die Informationsstelle Antisemitismus in Kassel und die Betroffenenberatung RESPONSE in der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt dokumentiert. So gab es im Januar antisemitische Sprühereien in Frankfurt, im Februar wurde in Walldorf mehrere Glasscheiben des „Margit-Horváth-Zentrums“ der Gedenkstätte des ehemaligen KZ- Mörfelden-Walldorf zerstört und im Juni die Informationstafel des Lehrpfades der Margit-Horváth-Stiftung durch Brandstiftung. Im April wurde ein Mülleimer in einem Park in Fulda mit antisemitischen Parolen beschmiert. Im Mai wurde auf einer Hausfassade in Kirchhain bei Marburg ein großes Hakenkreuz aufgesprüht und die Stolpersteine, die vor dem Haus verlegt wurden, mit schwarzer Farbe übermalt. In Wiesbaden gab es antisemitische Beleidigungen und Schmierereien im Juni. Der Offenbacher Rabbiner Mendel Gurewitz wurde mehrfach antisemitisch beleidigt. Auch in Bad Hersfeld wurden im Oktober antisemitische und rassistische Parolen auf einen Stromkasten geschmiert.

Brandanschläge im Rhein-Main-Gebiet

Noch ungeklärt sind 8 von 9 Brandanschlägen auf links-alternative Wohnprojekte und Kultureinrichtungen im Rhein-Main-Main-Gebiet. Die Projekte Assenland und Schwarze 79 sind ebenso wie das Wohnprojekt Knotenpunkt Teil des Projektverbunds Mietshäusersyndikat. Dort geht man nach dem dritten Brand an einem eigenen Wohnprojekt und insgesamt acht Anschlägen von keinem Zufall mehr aus. Die Anschläge folgten einer eindeutigen Systematik und richteten sich offensichtlich gegen linke Projekte und alternative Lebensweisen, heißt es in einer Pressemitteilung (vgl. Journal Frankfurt). Bei dem letzten Anschlag auf das besetzte Haus und Kulturzentrum „Metzgerstraße“ in Hanau wurde ein Verdächtiger festgenommen.

Der Jahresrückblick wurde verfasst von Kirsten Neumann, MBT Hessen. Mit Unterstützung von RESPONSE Hessen.

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