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Hetze im Internet Betreiber des Neonazi-Netzwerk „Nationale Revolution“ bekommen milde Strafen

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So hässlich waren Nazi-Foren noch 2014: Screenshot des rechtsextremen Forums "Nationale Revolution".

Sieben Jahre lang war das rechtsextreme Internetforum „Nationale Revolution“ online, bis es im August 2014 in einer koordinierten deutsch-österreichischen Aktion von Sicherheitsbehörden beider Länder geschlossen worden. In Deutschland wurde unter anderem wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und wegen Propagandamitteln für verfassungswidrige Organisationen ermittelt, in Österreich wegen „Verstößen gegen das Verbotsgesetz“. Zwei der Hauptverdächtigen wurden für einige Zeit in Haft genommen.

In Deutschland begann der Prozess gegen die drei deutschen Betreiber des Neonazi-Netzwerkes „Nationale Revolution“ 2014, im November 2016 wurde Anklage erhoben, aber erst im August 2019 begann die Hauptverhandlung. Am 19. September 2019 wurde jetzt vom Landgericht Köln das Urteil gegen die drei deutschen Betreiber gesprochen. Es fiel erstaunlich milde aus: Die Betreiber, darunter ein inzwischen 30-Jähriger aus Köln-Zollstock – die anderen beiden leben heute in Wuppertal und in Salzkotten – wurden, wie die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Köln vermeldet, wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, wegen Volksverhetzung sowie dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu Geldstrafen verurteilt: P. aus Köln-Zollstock muss 2000 Euro nach Jugendstrafrecht zahlen. Der 37-jährige H., der als „Rädelsführer“ der Gruppe gilt, erhielt ein Jahr und drei Monate Haft auf Bewährung plus 1500 Euro Geldstrafe. Der dritte Angeklagte (36) muss 4500 Euro zahlen. P. hatte sich bis zumindest 2014 an neonazistischen Aktivitäten u.a. bei „Die Rechte“ in Dortmund beteiligt. Die drei Angeklagten stammten ursprünglich aus dem westfälischen Salzkotten und waren dort Mitglieder der neonazistischen Kameradschaft „Nationaler Widerstand Salzkotten“.

Haft- und Bewährungsstrafen für österreichische Neonazis

Die militante, rechtsextreme und antisemitische Ausrichtung des Forums mit dem unzweideutigen Namen wird auch in einem Bericht des „Kölner Stadtanzeigers“ hervorgehoben: Die Betreiber nannten sich die „weißen, radikalen, arischen Teufel“ (vgl. Kölner Stadtanzeiger).

In Österreich hatten 2014 fünf mit den deutschen Sicherheitsbehörden abgestimmte Hausdurchsuchungen gegen Betreiber des 2007 gegründeten Internetforums stattgefunden. Im Juli 2015 wurden drei der vier Angeklagten in Korneuburg zu Haft- und Bewährungsstrafen verurteilt. Da sie sich schuldig bekannten, wurde auf die Befragung von Zeugen verzichtet. Die politische Bedeutung dieses Prozesses wurde auch durch einen Beitrag in der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ vom Oktober 2014 deutlich. Österreichische Moderatoren hätten sich unter Pseudonymen wie „Linzer Reichsmarschall“, „140stmark88“ und „Rächer Germanias“ an der neonazistischen und antisemitischen Propaganda beteiligt. In Nieder- und Oberösterreich kam es im Oktober 2014 zu fünf Hausdurchsuchungen auf der Grundlage einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden.

Unter „White Devil“, „Radical Devil“ und „Aryan Devil aufgetreten

Im Jahr 2012 war die Internetplattform „Thiazi.net“, die über 30.000 registrierte Userinnen gehabt haben soll, abgeschaltet worden war (vgl. BTN), viele der Nutzer und Kommentatoren wanderten nun zur Plattform „Nationale Revolution“ weiter. Am Ende hatte die Plattform für rechtsextreme Hetze 3800 Nutzer. Insgesamt 70.000 Beiträge wurden dort feilgeboten, darunter Fotos von Hitler, Aufrufe zum Mord an Juden und Jüdinnen, Ausländer*innen und Linken. Die Verbrechen der Nationalsozialisten wurden glorifiziert und bagatellisiert. Vor allem jedoch fanden sich dort gewaltverherrlichende Liedtexte etwa der verbotenen Gruppe Landser: „Ran an den Feind, Bomben auf Israel. (…) Wir halten Gericht, ihre Weltmacht zerbricht das wird unser stolzester Tag!“ Die drei Angeklagten traten auf ihrer Website unter den unzweideutigen Pseudonymen „White Devil“, „Radical Devil“ und „Aryan Devil“ auf. Der Server stand in Bukarest, wie auch das Wiener Dokumentationszentrum des österreichischen Widerstandes (DÖW) berichtete.

Ziel der Verteidiger sei es, so heißt es in dem Bericht des „Kölner Stadtanzeigers“, dass die Strafen noch im bewährungsfähigen Rahmen liegen.  Allein die Verlesung der Anklageschrift dauerte zwei Stunden. Die Strafe fiel auch wegen der langen Prozessdauer – über fünf Jahre – so milde aus. Auch hatten sich die Angeklagten reumütig gezeigt und betont, dass sie sich heute vom damaligen Inhalt des Internetforums distanzierten.

Das milde Urteil entsprach der Strategie der Verteidigung. Die MBR Köln hebt abschließend hervor: „Dass die Forumsbeiträge und Liedtexte Einfluss auf andere Personen gehabt und diese möglicherweise zu Taten ermuntert haben, wurde lediglich in einem Satz der Urteilsbegründung erwähnt. Nicht berücksichtigt wurde die Bedeutung, die Internetseiten dieser Art für die Vernetzung, Indoktrinierung und mitunter auch Aufstachelung der Szene haben.“

 

Dieser Artikel erschien zuerst am 23.09.2019 bei „Blick nach Rechts„. Mit freundlicher Genehmigung.

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