Der 8. Dezember 2018, in Naunhof, einer Kleinstadt in der Nähe Leipzigs, findet ein Fußballspiel der sächsischen Landesklasse Nord statt. Der SV Naunhof 1920 ist an diesem kalten Samstag Gastgeber beim Spiel der gegen die erste Herrenmannschaft des Sportvereins Roter Stern Leipzig. Soweit, so normal.
Beim Spiel wird es allerdings unschön: Laut dem sich als antifaschistisch begreifenden Verein Roter Stern Leipzig (RSL) kommt es während des Spiels zu unschönen und diskriminierenden Szenen. Als der RSL-Mittelfeldspieler Konstantin Simon den ebenfalls im Mittelfeld spielenden Naunhofer Spieler Erol Gugna eng deckt, fragt Gugna, ob Simon schwul sei. Simon sagt ihm, er sei nicht schwul, wäre aber gerne in Gugnas Nähe. Daraufhin belegte der Naunhofer Spieler Simon mit homofeindlichen Beleidigungen wie „Schwuchtel“ und „Arschficker“, so die Schilderung des Roten Sterns Leipzig, der wegen dieser homofeindlichen Aussage Beschwerde vor dem Sportgericht des Sächsischen Fußball-Verbands einreichte.
Der SV Naunhof meint in einer Stellungnahme dazu, ihr Spieler sei durch den engen körperlichen Kontakt durch Konstantin Simon „provoziert“ worden. Für den Roten Stern ist diese Begründung jedoch nicht nachvollziehbar, ist doch intensiver Körperkontakt und auch Berührung elementarer Bestandteil des Spiels. Unverständlich ist daher, wie durch engen Körperkontakt auf die Sexualität eines Spielers geschlossen werden soll. „Dieser Rückschluss ist schlichtweg irrational und ressentimentbehaftet“, so der Leipziger Verein.
Das sächsische Sportgericht seihtdas jedoch leider anders. Sowohl die enge Manndeckung Simons, als auch die Frage Gugnas „Bist du schwul?“ seien „gerade noch als fußballtypisch anzusehen“, heißt es in der Erklärung, weshalb das Verfahren nun eingestellt ist. Eine homophobe Äußerung auf dem Fußballplatz wird damit also als nicht relevant genug zum Abmahnen eingestuft. Das ist fatal.
Hierarchisierung von Diskriminierungsformen
Dieser Vorfall erinnert an einen Skandal aus dem Jahr 2007. Damals hatte der BVB-Torwart Roman Weidenfeller während eines Spiels des schwarzen Schalker Gerald Asamoah beleidigt. „Du schwarzes Schwein!“ soll Dortmunds Torwart den Schalke-Stürmer genannt haben, jedenfalls erinnert sich Asamoah so. Der DFB sperrte den Torwart daraufhin für sechs Wochen. Um dem Rassismus-Vorwurf und möglichem Punktabzug zu entgehen, kolportierten Weidenfeller und sein Verein die Version, er habe Asamoah „nur“ als „schwules Schwein“ bezeichnet. Der DFB reduzierte seine Strafe daraufhin auf drei Spiele Sperre. Schon damals fand also eine ähnliche Unterscheidung und Gewichtung von Diskriminierungsformen statt, wie es der Sächsische Fußball-Verband in seinem Urteil auch heute noch praktiziert. Homofeindlichkeit wird nicht so schlimm bewertet wie Rassismus. Dabei solltees keinen Unterschied machen, welche Form von Diskriminierung hier stattfindet.
Der aktuelle Fall verdeutlicht, dass Diskriminierung von Homosexuellen im Fußball scheinbar immer noch zum Alltag gehört. Dabei gibt es einige Kampagnen und Projekte, die versuchen ein Problembewusstsein innerhalb der Fußballkultur zu schaffen (Bspw. „Fußballfans gegen Homophobie“). Viele solcher Kampagnen richten sich allerdings lediglich an Vereine und Fans im Profifußball der oberen Ligen.
Kaum ausgeprägtes Problembewusstsein im Amateurfußball
Wie das aktuelle Urteil des Sächsischen Sportgerichts nun verdeutlicht: Das Problembewusstsein beim Thema Homofeindlichkeit ist in den unteren Ligen und im Amateurfußball bisher leider kaum ausgeprägt. Der Vorfall vom 8. Dezember steht wohl eher exemplarisch für die homofeindliche Kultur rund um den Amateurfußball.
Fan-Forscher Robert Claus merkt an: „Laut Statistiken des DFB kommt es in weniger als 0,3 % aller Amateurspiele zu Diskriminierungsvorfällen. Jedoch funktioniert das Meldesystem nur, wenn Schiedsrichter sensibilisiert sind. Aussagen wie die des Sportgerichts bewirken das Gegenteil, befördern eher die Dunkelziffer.“ Dass die homofeindlichen Aussagen des Naunhofer Spielers überhaupt verhandelt wurden, liegt dabei wahrscheinlich nur am klar linken Selbstverständnis des Vereins Roter Stern Leipzig. Bereits zum Gründungskonsens gehörte neben einer klar antifaschistischen Haltung auch ein klares Nein zu Sexismus und Homofeindlichkeit. Vermutlich werden diskriminierenden Vorfälle wie beim Spiel Roter Stern Leipzig gegen den SV Naunhof bei nicht-explizit linken Clubs eher ignoriert.