Ein Bericht über den neuen deutschen Rechtsextremismus kann sehr harmlos beginnen oder sehr brutal. Beides gibt es, und beides gehört zusammen. Während das Harmlose (NPD organisiert Hüpfburg) trügt, ragt das Brutale (Neonazis hetzen Ausländer) aus einem zunehmend unübersichtlichen Problem heraus: Man könnte es Netzwerknationalismus nennen. Er hat weder Führer noch Hauptquartier, sondern taucht in unterschiedlichster Spielart auf: als Reichskriegsflagge oder antisemitische Schmiererei, als Rechtsrockkonzert, Schülerzeitung oder T-Shirt-Vertrieb. Während junge Nationaldemokraten in Landesparlamente einziehen, erhalten militante Kameradschaften regen Zulauf. Während die Zahl rechter Websites auf etwa 1000 gewachsen ist, hat die Zahl ausländerfeindlicher Gewalttaten sich auf hohem Niveau eingepegelt. Um die modernen Rechten zu verstehen, muss man sie sich als harmlos-brutale Doppelstrategen vorstellen. Wer durchs Land fährt, gewinnt den Eindruck, dass ihre Strategie aufgeht.
Hamburg-Barmbek, 1. Mai 2008. Großdemo
Es ist Himmelfahrt im Arbeiterviertel, und die Mülltonnen brennen, schon bevor die Jungnazis ihren Aufmarschplatz erreichen. 1000 Kameraden wollen den »Kampftag der Arbeiterklasse« ausgerechnet in Hamburg feiern, in der einstigen Hochburg der Roten und heutigen Hauptstadt der Autonomen. Dass die Bundes-NPD weit entfernt in Nürnberg mobilmacht, hat Gründe: Während sie den Kampf um die Köpfe führt, sind die Freien Nationalisten auf Konfrontationskurs. Sie haben die Biedermann-Demos der vergangenen Jahre satt. Ihr Anführer Christian Worch brüllt ins Mikro: »Wir können auch anders!« Soll heißen: Schluss mit dem Kreidefressen! Kampf um die Straße! Die vorderste Front der Demo, wo sonst blonde Mädchen stehen, ist heute ein schwarzer Block. Wasserwerfer der Polizei bahnen der »Deutschen Intifada für Soziale Gerechtigkeit« den Weg durch einen Wall von 10000 Gegendemonstranten, nur mühsam wehrt die Staatsmacht 4000 autonome Antifas ab.
Sie sehen nicht ein, dass das Versammlungsrecht auch für vorbestrafte Schläger gilt, auch für Holocaust-Leugner wie Worch, auch für Antidemokraten, die die demokratische Presse attackieren. Während Rechte ein Kamerateam des NDR zusammenschlagen, schmeißen die Autonomen Steine und zünden Autos an. »Frei! Sozial! Und national!«, brüllen Worchs Mannen, die nicht gekommen sind, um Barmbeker Rotfrontkämpferenkel von der sozialrevolutionären Mission der NPD zu überzeugen. Die Rechten wissen genau, dass die Linken wissen, dass Hitler, nachdem er 1933 den 1. Mai für arbeitsfrei erklärt hatte, am 2. Mai die Gewerkschaftshäuser stürmen ließ. Aber es kann nie schaden, die autonome Antifa zu provozieren, denn Bilder brennender Autos bringen den Antifaschismus in Verruf. An Chaostagen wird gern vergessen, wie viel Basisarbeit gegen Rechts die Antifa macht: Recherche, Opferberatung, Schutz bunter Bürgerbündnisse. Die Stimmung in Barmbek erinnert an den Altonaer Blutsonntag 1932, als SA durchs Quartier der kommunistischen Arbeiterschaft zog, eine behördlich genehmigte Provokation, die mit 18 Toten endete.
Merseburg, 19. April 2008. Maivorbereitung
Es gibt auch friedliche Straßenkämpfer. Sie stehen vorm Carl-von-Basedow-Klinikum in Merseburg und machen propagandistischen Frühjahrsputz für die NPD. »Die Rechten können einem fast ein bisschen leidtun«, sagt der ältere Herr mit Hut, dem der junge Mann mit Brille eben ein Flugblatt zur Volksgesundheit überreicht. Es ist Samstagfrüh in der menschenleeren ostdeutschen Provinz, nur das Quietschen der Straßenbahn durchbricht zuweilen die Stille. Dreißig Aktivisten haben sich um zwei Transparente geschart. Auf dem roten steht »Trostpflaster für Ärztenotstand«, auf dem weißen »Sozial geht nur national«. So lautet das Motto der bundesweiten NPD-Offensive. Es gab schon eine Spontandemo in Neustrelitz, Infostände in Wattenscheid, Bratwurst in Grevesmühlen. Heute geht es gegen die geplante Privatisierung des Merseburger Klinikums. Wer wäre nicht dagegen?
Der junge Mann mit der Brille erzählt von seiner Mutter, die als Ein-Euro-Jobberin im Klinikum malocht. Früher sei sie Arzthelferin gewesen, jetzt, mit 57, wasche sie Patienten, obwohl das nicht zu ihren Aufgaben gehöre. Die Krankenhausmitarbeiter könnten noch ganz andere Geschichten aus dem real existierenden Kapitalismus erzählen, aber sie halten sich von den braunen Kapitalismuskritikern fern. Durch die Scheiben des Foyers beäugen sie die Flugblattverteiler und schimpfen: So was wäre früher, in der DDR, unmöglich gewesen! Mit »so was« meinen sie die NPD und die dreißig Prozent Arbeitslosen in Sachsen-Anhalt und vor allem diesen Patienten der Krebsstation, der wegen der Krankheit seinen Job verlor. Na klar, sagen die Mitarbeiter, wählen wir Linkspartei. Sehen wir aus wie Faschisten?
Löcknitz, 20. April 2008. »Führergeburtstag«
In dem Dorf Löcknitz in Mecklenburg gibt es leer stehende Garagen, in denen es sich die rechte Szene gemütlich gemacht hat. Mit Schornstein und Satellitenschüssel. Kann sein, dass die Jungs und Mädels sich am Vorabend von »Führers Geburtstag« in der ARD den Untergang angesehen haben, Bernd Eichingers Hitlerfilm über das Ende des »Dritten Reichs«, der in der rechten Szene Kult wurde, weil prominente Kameraden als Komparsen mitspielen. Tatsache ist, dass gegen zwei Uhr morgens einer der Löcknitzer Rechten einem vorbeifahrenden Streifenwagen zuwinkt und vorgibt, eine Frage zu haben. Als der Wagen hält, stürmen zehn Leute herbei, reißen die Türen auf, wollen die beiden Beamten rauszerren. Die wehren sich mit Pfefferspray und retten sich nur durch eine panische Rückwärtsfahrt. Ihre Bilanz: Kratzwunden, Blutergüsse und die Gewissheit, dass die Rechten den Staat als Feind betrachten, auch wenn die Politiker es nicht wahrhaben wollen. Kürzlich erst, zum Januar 2008, hat Mecklenburg-Vorpommern die Stundenzahl der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt halbiert, von 240 auf 120, obwohl die Überfälle nicht weniger geworden sind. Vielleicht hoffen die Landesväter, dass das Problem verschwindet, wenn man es ignoriert.
Halberstadt, 22. April 2008. Fluchtpläne
»Irgendwie sind die Nazis überall, vielleicht sieht man sie deshalb nicht mehr«, meint Julia*, die vor einem Jahr überfallen wurde. Jeder weiß, dass die Nazis sich tagsüber in der Rathauspassage und abends im Park treffen. Als sie selbst noch in der Stadt wohnte, machte sie oft kein Licht ? schon vor dem Angriff im April 2007 auf Schauspieler des Theaters Halberstadt. Im Harz haben Rechte in den vergangenen Jahren mehrere Menschen lebensgefährlich verletzt. Einige Helden vom Bürgerbündnis gehen nur noch mit festen Schuhen aus dem Haus, in denen man wegrennen oder zutreten kann. Das Mädchen vom Theater möchte anonym bleiben, weil der Prozess gegen die Schläger noch läuft. Neulich erst hat der Staatsanwalt die »künstliche Aufregung« der Medien gerügt. Vor Gericht wurden die Opfer scharf befragt, woher sie denn wüssten, dass ihre Angreifer Rechte waren ? obwohl drei von vier Angeklagten tätowierte Hakenkreuze am Leib tragen. Auch ein Grund, warum Julia am Ende der Spielzeit die Stadt verlässt. »Ich bin noch zu jung, um den Rest meines Lebens wie ein Angsthase rumzulaufen.«
Ihrem Freund wurde bei dem Überfall die Nase gebrochen, das Auge »zermatscht«, der Kopf »zertreten«. Sie selbst erlitt einen Schock. Der Prozess wird wohl mit einem Freispruch enden. Nach dem Totalversagen der Polizei, die am Tatort herumstehende Täter nicht festnahm, und nach schlampiger Beweisaufnahme erscheinen die Angeklagten vor Gericht stolz im Szene-Outfit: Thor-Steinar-Basecap, Lonsdale-Jacken. In Verhandlungspausen gehen sie hart an den Zeugen vorbei. Eigentlich ist Julia kein ängstlicher Typ. Sie fährt auch mal allein mit dem Zug zum Prozess nach Magdeburg. Aber richtig lachen kann sie nur, wenn sie vom Sommer spricht: »Ich bin so froh, hier wegzukommen!«
Gaußig, 23. April 2008. Zivilcourage
Weil nicht alle friedlichen Ostdeutschen auswandern können und Westdeutschland mit 63 Prozent rechter Gewalttaten auch keine Alternative ist, packen Leute wie Gert Lehmann das Problem vor Ort an. Der Lehrer für Gesellschaftskunde lebt in Sachsen, wo die NPD gern an den »Bomben-Holocaust« erinnert und CDU-Abgeordnete schon mal das Wort »Multikulti-Schwuchteln« benutzen. 2004 ließ Lehmann seine Schüler Landtagswahl spielen. Es war das Jahr, als die NPD mit 9 Prozent ins Parlament einzog und die Großparteien aus allen Wolken fielen. Lehmann war nicht überrascht, als die NPD an seiner Provinzschule in Soland 25 Prozent holte. Er hatte nach dem Verbot der Skinheads Sächsische Schweiz die Westkader der NPD im strukturschwachen Ostsachsen Bündnisse schmieden sehen. Volksliedersingen, Sommerfeste. Wer machte denn Hausaufgabenhilfe? »Dagegen kommt man mit moralischen Appellen nicht an«, sagt Lehmann heute. »Man muss versuchen, Argumente zu entkräften. Dazu muss man sie aber kennen. Und dazu muss man hinhören.«
Also ließ er rechte Schüler im Unterricht die NPD vorstellen, dabei kamen sie ins Schwitzen, und er konnte den nationaldemokratischen Chauvinismus entlarven. Als erster Lehrer holte er Neonazi-Aussteiger in seinen Unterricht. Büffelte germanische Runen, um mitreden zu können. Verbote hat er allerdings auch ausgesprochen, als er merkte, dass für Hausaufgaben rechte Websites benutzt wurden. Seit Kurzem ist Lehmann pensioniert, doch weil die NPD nicht schläft, sondern weiter Schulhof-CDs und Schülerzeitungen verteilt, macht auch er weiter. Er ist jetzt stellvertretender Bürgermeister. Lehmann weiß noch, wie Sachsens Innenminister Mitte der Neunziger behauptete, Rechtsextremismus gebe es an sächsischen Schulen nicht. Jetzt komme dieser neue demokratische Aktionismus von oben, »ein schwachsinniges Gewühle und Gemache«. Demokratie sei aber eine Frage der Erziehung, dafür brauche man einen langen Atem.
Niedersachsen, 26. April 2008. Rechte Kinder
Frau Kröger* hat die Skinhead-Freunde ihres Sohnes mit Kaffee bewirtet. Für die Eltern der Skinheads hat sie Kuchen gebacken, in der Hoffnung, die Kinder gemeinsam da rauszuholen. Sie fuhr mit ihrem glatzköpfigen Sprössling nach Hannover, um ihm Ben-Sherman-Hemden zu kaufen ? immer noch besser als »Jungsturm Deutschland«-Jacken! Sie wollte den Tätowierer verklagen, von dem sich der Junge mit 15 einen SS-Totenkopf stechen ließ. Frau Kröger versuchte das Unmögliche: ihren Jan unter Kontrolle zu halten, als er in die rechte Szene geriet. Sie kann immer noch nicht fassen, dass das alles hier passierte, im kleinstädtischen Reihenhaus.
Die Glatzen haben einmal die perfekt eingerichtete Wohnung verwüstet, als sie mit ihrem Mann übers Wochenende verreist war. Sie hat ihren Nazisohn angeschrien und angefleht. Als er sich zum Bund meldete, zeigte Herr Kröger, der damals noch aktiver Offizier war, seinen Sohn beim Kreiswehrersatzamt an. Es waren die späten Neunziger, Jan trug Springerstiefel und machte Karriere bei der Jugendorganisation der NPD. Zuerst war da nur dieser neue Freund gewesen, mit dem er am Computer spielte und ein paar andere Halbstarke am See traf. Auf einmal hatte er eine Reichskriegsflagge, Kontakt zum Stahlhelmbund und nach fünf Jahren über fünfzig Ermittlungsverfahren hinter sich: Ruhestörung, Landfriedensbruch, Verstoß gegen das Waffengesetz, Körperverletzung und natürlich Verwenden verfassungswidriger Symbole.
Sie will gar nicht genau wissen, warum er plötzlich ausstieg. Fragt man den 26-Jährigen nach Gründen, erzählt er eine wirre Geschichte, in der der Aussteigerverein Exit vorkommt. Seine Mutter ist davon überzeugt, dass er nicht mehr dabei ist. Dass Jan damals die Vernichtung der Juden »für Quatsch« erklärte, sei das Schlimmste gewesen, seine Großmutter habe doch die Deportation jüdischer Nachbarn selbst erlebt. Das Zweitschlimmste war, allein gelassen zu sein. Verwandte zogen sich zurück, keine Polizei, keine Schule, kein Psychologe konnte helfen. Tatsächlich gibt es bundesweit kaum eine Handvoll Beratungsstellen für Eltern rechtsextremer Jugendlicher. Das wird sich nicht ändern, solange es zu wenig Hilfe für deren Opfer gibt.
Erfurt, 28. April 2008. Prozesstag
Opfer ist nicht gleich Opfer, mit manchen hat die bürgerliche Gesellschaft wenig Mitleid: illegalen Einwanderern, linken Jugendlichen, Obdachlosen, Punks. Es ist Montagmorgen im Landgericht Erfurt, draußen blühen die Bäume, drin läuft ein fünf Jahre verschleppter Prozess, und der Richter rügt als Erstes den Nebenkläger: Er möge doch heute nicht, wie am letzten Verhandlungstag geschehen, dauernd den Saal verlassen. Der Nebenkläger trägt eine alte schwarze Hose und eine ausgefranste Weste mit der Aufschrift Bunte Republik, er ist unrasiert, und seine halblangen Haare sehen weniger ordentlich aus als die ultrakurzen des Angeklagten. Andernfalls wäre der Richter vielleicht auf die naheliegende Idee gekommen, dass der Punk die letzte Sitzung immer wieder verließ, weil er die detaillierte Schilderung der entsetzlichen Verletzungen von damals nicht ertragen konnte.
Vor fünf Jahren wurde er so brutal niedergeschlagen und gegen den Kopf getreten, dass er eine Mittelgesichtstrümmerfraktur erlitt, das heißt, dass kaum noch ein Knochen heil war. Sein Freund, der ebenfalls zusammengetreten wurde, starb wenig später. Der alleinige Tatverdächtige Dirk Q. ? groß und kräftig, im gebügelten Hemd ? schließt nicht aus, dass er die Tat begangen hat, kann sich aber angeblich nicht mehr erinnern. Nun hängt alles von den Zeugen ab.
Heute sollen zwei ältere Herren Auskunft geben, was sie im Jahr 2003 vor einer rechten Kneipe beobachtet haben. Bevor der Richter sie vernimmt, verliest er ihre vollständigen Adressen. Während sie aussagen, starrt der Angeklagte ihnen ins Gesicht. Sie sagen eigentlich nur: »Ich weiß nichts. Ich habe nichts gesehen. Ich kann mich nicht mehr erinnern.« Als einem der Rentner doch das Wort Glatze rausrutscht, hakt der Verteidiger sofort nach: »Was meinen Sie denn mit Glatze?« Erschrocken zuckt der Zeuge zurück: »Na, kurze Haare.« Wer möchte sich in Thüringen, wo es an jeder Ecke eine Skinhead-Kneipe gibt, schon als Antifaschist outen? Richter und Staatsanwalt vermeiden peinlichst das Thema Rechtsextremismus. Nur der Anwalt des überlebenden Punks interessiert sich für die politischen Motive des Gewaltexzesses. Als er Dirk Q. fragt, worauf dessen Bewährungsstrafe beruhte, die zur Tatzeit noch nicht abgebüßt war, reagiert der Befragte plötzlich sehr aggressiv. Die Antwort lautet: Zeigen des Hitlergrußes in Tateinheit mit Körperverletzung.
München, 29. April 2008. Jüdische Gemeinde
Ein unterirdischer Tunnel führt vom Gemeindezentrum zur Synagoge am Jakobsplatz. Man hat ihn gebaut, nachdem ein Sprengstoffanschlag auf das neue Münchner Gemeindezentrum unmittelbar vor der Grundsteinlegung im Jahr 2003 vereitelt wurde. Zufall, dass jetzt, am 29. April 2008, anderthalb Jahre nach Eröffnung des Zentrums, der Münchner Stadtrat ein Anti-Rechts-Bündnis gründet? Es ist der Tag, an dem Horst Mahler in Bayern wegen Holocaust-Leugnung verurteilt wird. Vor wenigen Wochen zog der NPD-Funktionär Karl Richter mit der Initiative »Ausländerstopp« in den Stadtrat ein. Während die Landes-NPD unter dem Motto »Auch im Westen geht was!«
ostdeutschlanderprobte Westkader reimportiert, verschärft sich die Bedrohungslage für alle, die in einem »national befreiten« Bayern unerwünscht wären. Wo aber Rechte an Einfluss gewinnen, blüht der Antisemitismus auf, denn er ist der gemeinsame Nenner, auf den sich alle einigen können, von den Propagandisten der »jüdischen Weltverschwörung« bis zu neuheidnischen Hatecore-Bands. Etwa hundert antisemitische Straftaten wurden vergangenes Jahr aktenkundig. Beim Münchner Israeltag im Mai 2007 stürmten Neonazis sogar die Bühne. Im Herbst 2007 verteilte die NPD in München eine Schulhof-CD mit dem Aufdruck »Garantiert ohne Tagebuch der Anne Frank«. Es besteht wenig Aussicht, dass die Juden in Deutschland demnächst ihre Sicherheitsvorkehrungen lockern und ohne Angst leben können.
Jeden Tag in Deutschland
Man kann nur eine Gefahr bekämpfen, deren Ausmaß man kennt. Aber wer kennt es? 17607 rechte Straftaten wurden im vergangenen Jahr in Deutschland begangen. Rechnet man die Zahl der Gewaltdelikte (1054), Rechtsrockkonzerte (160), CD-Neuerscheinungen (101) und knapp 100 Publikationen mit Millionen-Auflage zusammen, hat man das Problem noch immer nicht erfasst. Opferverbände schätzen die Dunkelziffer der Überfälle auf dreimal höher als die offizielle Zahl. Wie viele verbotene CDs werden in legalen Nazi-Marken-Läden ver-kauft? Wie viele Zehntausend Schülerzeitungen werden verteilt? Selbst der Verfassungsschutz weiß es nicht genau. Die Gefahr bekämpfen hieße zuallererst, sie nicht kleinzureden.
*Namen von der Redaktion geändert