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Ibraimo Alberto Rassismus kann man auf Dauer nicht sportlich nehmen

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Die Erfahrungen und Umbrüche, die der heute 51-jährige Ibraimo Alberto in seinem Leben angesammelt hat, sind so prägnant und exemplarisch, dass sie fast als zuviel für ein Leben erscheinen. Doch ist so Alberto ein Mann, an dem sich viele Facetten von (deutscher) Geschichte exemplarisch verstehen lassen. Deshalb ist Albertos Biographie „Ich wollte leben wie die Götter“ ein ausgesprochen wichtiges Buch.

Warum flieht jemand aus seiner Heimat? Wie ist das völlig unvorbereitete Ankommen in einem fremden Land? Wie war das Leben der afrikanischen Vertragsarbeiter*innen in der DDR? Warum war die Wende (trotzdem) so ein Schock? Und wie übersteht es ein Mensch, immer und immer wieder mit Unterdrückung, Fremdbestimmung, Aggression und Hoffnungslosigkeit konfrontiert zu sein – und trotzdem den guten Mut nicht zu verlieren?

Geboren wird Ibraimo Alberto in Mosambik, im Dschungel als mutmaßlicher Sohn eines Medizinmannes und Sklave eines portugiesischen Landbesitzers. Gegen den herrschenden Konsens will er die weißen Kolonialherren nicht als „Götter“ bedienen, wie seine Großmutter es ihm beizubringen versucht. Er will in die Schule gehen und lernen – eine Einstellung, die ihn räumlich früh von seiner Familie trennt, 1977 zum Zeugen des grausamen rassistischen Massakers von Nyazonia werden lässt und schließlich dazu bringt, sich 1980 als Vertragsarbeiter für die DDR zu bewerben. Obwohl er keine Ahnung von diesem fernen Land hat und die Auswahlprozedur Anfrang der 1980er Jahre in Mosambik noch hart ist, reizt ihn die Aussicht auf ein Studium in einem Land der „weißen Götter“.

In der DDR angekommen, fällt sein erstes schweres Leben in sich zusammen und ein neues beginnt. Statt Studium gibt es in Ostberlin für Alberto harte Schichten im Fleischkombinat – und die neue Erfahrung, dass hier auch „weiße Götter“ arbeiten müssen. Kontakte zu Bevölkerung sind schwierig. Die Distanz zu den Vertragsarbeitern, die in geschlossenen Häusern möglichst weit weg von der Bevölkerung kaserniert werden, ist zu groß. Während seine Freunde sich (weiße) Freundinnen suchen und die schreckliche Erfahrung machen müssen, dass gemeinsame Kinder vom Staat ihren Eltern entrissen werden, weil der eine solche Verbindung nicht wünscht, stürzt sich Alberto in den Sport, besonders das Fußballspielen und Boxen. Dort findet er Anerkennung für seine Leistungen, echte Freundschaften sind aber selten. Trotzdem waren die Jahre von 1981 bis 1990 für Ibraimo Alberto im Großen und Ganzen eine gute Zeit.

Denn den nächsten großen Einbruch brachte Alberto die Wende. Die brachte ihm zum einen die Arbeitslosigkeit, die die Vertragsarbeiter noch eher ergreift als alle anderen DDR-Bürger*innen,  und zum anderen den galoppierenden Neonazismus. Wie schwer muss es zu ertragen gewesen sein, kurz vor der Wende der Liebe wegen nach Schwedt in Brandenburg zu ziehen, und dann in wenigen Wochen erst seinen Job zu verlieren und zu erleben, wie das zuvor eher latent rassistische Klima in blanken Hass umschlägt. Die Namen, die wir heute als erste Todesopfer rechtsextremer Gewalt kennen, waren alle Albertos Freunde und Bekannte.

Schließlich wird Ibraimo Alberto Vermittler zwischen den Flüchtlingen, die nun auch in Schwedt untergebracht werden, und den Einheimischen, die mit der Gesamtsituation total überfordert sind. Es ist eine wichtige und nervenaufreibende Arbeit, manchmal bezahlt und dann immer öfter ehrenamtlich eingefordert, weil die Gelder fehlen, die Probleme aber nicht weniger werden. Alberto arbeitet, vermittelt, organisiert, so viel er kann, engagiert sich gegen Rechtsextremismus – er sieht auch diese Auseinandersetzung sportlich. Er will den Rassist*innen und Neonazis nicht das Feld überlassen. Er will auch diesen Kampf gewinnen – doch er ist zu schwer, die Widerstände zu massiv. Vor allem sind es die Drohungen der Neonazis, die in all den Jahren zwischen 1990 und 2011 niemals aufhören. Während Ibraimo Alberto noch aktiver Boxer ist, trauen sich die Rechtsextremen nicht körperlich an ihn heran. Als er mit der Sportkarriere aufhört, werden die Kreise enger, es kommt zu Übergriffen mitten im Einkaufszentrum – während die Passant*innen einfach wegesehen. Als Neonazis 2011 ihn und seinen damals 17-jährigen Sohn nach einem Fußballspiel bedrohen, hat Ibraimo Alberto genug. Er geht in den Westen, nach Karlsruhe, und schreibt darüber: „Seit ich in Karlsruhe bin, wurde ich weder beschimpft noch angepöbelt und schon gar nicht körperlich angegriffen. Das ändert sich, wenn ich in andere Städte reise, nach Berlin, Dresden oder Magdeburg.“ Nach Schwedt will er übrigens laut einem Bericht in den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ nicht einmal zur Buchvorstellung zurückkehren: „Ich werfe nicht alle in einen Topf. Aber es ist traurig, dass immer so viele geschwiegen haben.“ Er erzählt, das Schreiben des Buches sei schmerzhaft, aber letztendlich eine Befreiuung gewesen. Das sei ihm zu wünschen.

Ibraimo Alberto (mit Daniel Bachmann):

„Ich wollte leben wie die Götter“. Was in Deutschland aus meinen afrikanischen Träumen wurde.

Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014

253 Seiten, 14,99 Euro

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