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Ich bin Opfer eines rechtsextremen oder rassistischen Angriffs geworden. Wo finde ich Unterstützung?

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Judith Porath: Als Opfer einer rechten oder rassistischen Gewalttat ist man plötzlich aus seinem Alltag gerissen, häufig verletzt und verängstigt. Zugleich wird man schnell mit der Polizei konfrontiert und gezwungen, Entscheidungen zu treffen. Angehörige und Freunde sind unsicher, wie sie in dieser schwierigen Situation helfen können. Welche Fragen sollten geklärt und welche Schritte unternommen werden?

Direkt nach einem Angriff

Oberste Priorität hat die direkte Unterstützung des Opfers. Angehörige und Freunde sollten die betroffene Person nicht allein lassen und ihre Begleitung anbieten. Wichtig ist herauszufinden, was dazu beiträgt, dass sich der oder die Betroffene stabilisieren und wohler fühlen kann. Ist man selbst Opfer geworden, sollte man versuchen, sich nicht zurückzuziehen, sondern vertraute Menschen um Unterstützung bitten.
Wenn durch den Angriff körperliche Verletzungen entstanden sind, ist medizinische Behandlung wichtig – auch dann, wenn die Verletzungen zunächst unbedeutend erscheinen. Man sollte den Ärzten alle Verletzungen mitteilen und dafür Sorge tragen, dass diese in das ärztliche Attest aufgenommen und von äußerlich erkennbaren Verletzungen Fotografien gemacht werden.

Gedächtnisprotokolle und Dokumentation

Spuren der Gewalteinwirkung sollten sorgfältig dokumentiert werden. Am besten ist es, beschädigte oder verunreinigte Kleidung und sonstige Gegenstände aufzubewahren. Je genauer die Schäden dokumentiert werden, desto leichter kann der Vorfall später im Interesse der Betroffenen vor Gericht, bei gesundheitlichen Versorgungsfragen oder in der Öffentlichkeitsarbeit dargestellt und belegt werden.

Sowohl Geschädigte als auch diejenigen, die als Tatzeugen in Betracht kommen, sollten unabhängig voneinander ein Gedächtnisprotokoll anfertigen, das den Ablauf des Tatgeschehens mit allen Details enthält. Dies wird helfen, sich das genaue Geschehen in Erinnerung zu rufen. Denn manchmal kann es einige Jahre dauern, bis es zum Prozess kommt und dann eine Zeugenaussage gemacht werden soll.

Strafanzeige

Wenn die Polizei bereits zum Tatort gerufen wurde, wird sie in den meisten Fällen vor Ort die Personalien der anwesenden Personen aufgenommen und erste Gespräche geführt haben. Bereits in dieser Situation kann eine Strafanzeige gemacht werden. Aber sie kann auch noch später gestellt werden. Es ist möglich, sich bei Anzeigenstellung zur Polizei durch Angehörige oder Freunde begleiten zu lassen. Personen, die sich in der deutschen Sprache nicht vollständig sicher fühlen, haben bei der Polizei ein Anrecht auf kostenlose Dolmetscher.

Einige Betroffene befürchten Racheaktionen der Täter, wenn Anzeige gestellt wird. Diese Angst kann nur schwer genommen werden. Manche Menschen haben zudem negative Erfahrungen mit Ermittlungsbehörden gemacht und daher eine skeptische Einstellung gegenüber der Polizei.

Strafverfolgung und Strafantrag

Ohne Anzeige gibt es in den meisten Fällen kein Ermittlungsverfahren und keine strafrechtliche Verfolgung der Täter. Ausnahme sind Fälle, in denen die Polizei auf anderem Wege von dem Vorfall erfahren hat. Haben gewaltbereite Rechtsextremisten den Eindruck, ihre Opfer seien so eingeschüchtert, dass sie keine Anzeige stellen, können sie sich bestätigt und zu weiteren Gewalttaten ermutigt fühlen. Eine Anzeige ist außerdem die Voraussetzung für Entschädigungszahlungen, Schmerzensgeld und Kostenübernahmen bei gesundheitlicher Versorgung.

Hat man sich für eine Strafanzeige entschieden, sollte zugleich ein Strafantrag gestellt werden, damit die Polizei nicht nur über eine mögliche Straftat informiert wird, sondern diese unter Umständen auch wegen der Verletzung minderschwerer Straftatbestände verfolgbar ist. Eine Strafanzeige kann jede und jeder stellen. Einen Strafantrag jedoch muss die geschädigte Person einreichen.

Strafverfahren

Wenn aufgrund der Anzeige ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, dann werden die unterschiedlichen Personen zur polizeilichen Vernehmung geladen ? die einen als Zeugen, die anderen als Beschuldigte. Opfer sind ebenfalls Zeugen. Es ist aber möglich, dass sie zusätzlich eine Vorladung zu einer Beschuldigtenvernehmung erhalten. Hintergrund ist dann meistens, dass die Täter ebenfalls eine Anzeige gestellt haben. Dies hat zunächst vor allem Konsequenzen für die Ermittlungsarbeit der Polizei. Opfer, die eine Vorladung sowohl zur Zeugen- als auch Beschuldigtenvernehmung erhalten, sollten immer den Rat von Rechtsanwälten suchen. Diese können helfen, Umgang mit der polizeilichen Vorladung zu klären.

Das Ermittlungsverfahren ist der erste Teil eines Strafverfahrens. Wenn Polizei und Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen zu Ende geführt haben, entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob sie bei Gericht Anklage erhebt oder ob sie das Strafverfahren einstellt. Beispielsweise wenn die Täter nicht ermittelt werden konnten oder eine schlechte Beweislage dieVerurteilung der Angeklagten unwahrscheinlich macht. Wird Anklage erhoben und von dem Gericht zugelassen, kommt es zum Hauptverfahren, dessen entscheidender Teil die Gerichtsverhandlung ist.

Die Gerichtsverhandlung findet mitunter erst viele Monate oder einige Jahre nach der Tat statt. Während der Hauptverhandlung im Gerichtssaal werden alle Zeugen noch einmal mündlich gehört. Die Gerichtsverhandlung endet dann mit einem Urteil, das vom Freispruch bis zur Freiheitsstrafe reichen kann.

Unterstützung durch Rechtsanwälte

Opfer sind im Strafverfahren zunächst (wichtige) Zeugen. Damit sie ihre Interessen aktiv vertreten können, haben sie das Recht auf eine Nebenklage. Dazu beauftragen geschädigte Personen Anwälte, die sie im Strafverfahren vertreten. Die Anwälte können Akteneinsicht beantragen, um den Ermittlungsstand zu überblicken und das Strafverfahren mitzugestalten. Allerdings ist eine Nebenklage bei manchen Delikten sowie gegen minderjährige Täter ausgeschlossen.

Schadensersatz

Über Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wird normalerweise in einem Zivilverfahren entschieden. Mit einem Adhäsionsantrag können und sollten Verletzte aus einer Straftat bei dem Strafgericht beantragen, dass ihre zivilrechtlichen Ansprüche im Strafverfahren mit entschieden werden. Hierzu ist es sinnvoll, Anwälte einzuschalten. Wird über die Ansprüche nicht im Strafurteil entschieden, bleibt immer noch die Möglichkeit einer Klage bei einem Zivilgericht.

Eine Möglichkeit ohne ein zweites Gerichtsverfahren Schmerzensgeld zu erhalten, ist ein Antrag auf Entschädigung aus einem Fonds für Opfer rechtsextremer Gewalt, der vom Bundesamt für Justiz verwaltet wird. Der Antrag kann mit einem Vordruck unbürokratisch und ohne größeren Aufwand gestellt werden.

Psychische Folgeerscheinungen

Offensichtlich sind nach einem Angriff häufig nur die körperlichen Folgen. Die psychischen Beeinträchtigungen werden häufig übersehen. In den ersten Wochen hilft die Solidarität und Anteilnahme von Freunden und Familie. Wenn Betroffene mehrere Wochen nach dem Angriff immer noch unruhig, ängstlich oder gereizt sind, wenn die Bilder der Gewalt unkontrollierbar zurückkomen – egal, ob bei Tag oder nachts – , sollte eine psychotherapeutische Beratungseinrichtung aufgesucht. Die Fachleute können helfen, das seelische Gleichgewicht wieder herzustellen und eine Erkrankung zu vermeiden.

Mit fast jedem Angriff auf einen Menschen ist eine Personengruppe gemeint, die von den Rechten abgelehnt wird: Migranten, Obdachlose, Punks oder jene, die sich Neonazis öffentlich entgegen stellen.

Wenn in unserer Gesellschaft alle das Recht haben sollen, sich frei und ohne Angst bewegen zu können, dann brauchen die Menschen, die Opfer politisch rechts motivierter Gewalt wurden, Schutz und Unterstützung.

Anteilnahme von Freunden und gesellschaftliche Zeichen der Solidarität sind für Betroffene wichtig. Bleiben solche Reaktionen aus, dann kann die Einschüchterung dazu führen, dass die Rechten den öffentlichen Raum kontrollieren. Es ist daher sinnvoll, rechtsextreme und rassistische Gewalttaten öffentlich bekannt zu machen und zu verurteilen ? jedoch sollte dies immer und unbedingt in Absprache und mit dem Einverständnis der Opfer geschehen.

Flüchtlinge brauchen besondere Unterstützung

Flüchtlinge, die sich im Asylverfahren befinden oder nur den Aufenthaltsstatus der Duldung haben, unterliegen einer Reihe von besonderen Gesetzen, die unter anderem den medizinischen Versorgungsanspruch und die Bewegungsfreiheit einschränken. Durch diese restriktiven, ausgrenzenden Regelungen wird die Verarbeitung der Gewaltfolgen erschwert. Asylsuchende und Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus bedürfen daher besonderer Unterstützung.

Beratungsstellen kontaktieren

Je schneller es gelingt, Kontakt zu einer Beratungsstelle für Betroffene rechter und rassistischer Gewalt aufzunehmen, desto eher ist deren Unterstützung und Begleitung bei den unterschiedlichen Schritten möglich. In Brandenburg bietet die Opferperspektive allen Opfern rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt Unterstützung und Beratung an. In den anderen neuen Bundesländern und in Berlin gibt es ebenfalls spezialisierte, professionelle Beratungsprojekte für Betroffene rechtsextremer Angriffe.

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