Die Maske des „III. Weg“ fiel am Ende schneller als viele Mund-Nasen-Bedeckungen nach der Aufhebung der Infektionsschutzmaßnahmen am vergangenen Freitag. Konfrontiert mit einem andauernden Krieg in der Ukraine und einer inzwischen sechsstelligen Zahl an Geflüchteten, die in Deutschland angekommen sind, zeigte die Neonazi-Partei ihr wahres, altbekanntes Gesicht: „Austausch des deutschen Volkes schreitet voran“, heißt es in einem Beitrag auf der Parteiwebseite vom 1. April 2022 in Bezug auf die Flucht von Ukrainer:innen nach Deutschland.
Geflüchtete würden in Deutschland zu schnell integriert, mit dem Plan, sie langfristig im Land zu halten. Und Kinder sollen Deutsch als Zweitsprache lernen – und das durch Steuermittel finanziert. Das macht dem „III. Weg“ Angst – und „lässt die Schlussfolgerung zu, diese zum fortschreitenden Austausch des deutschen Volkes zu missbrauchen“, beklagt die rechtsextreme Kleinstpartei weiter. Grundsätzlich stehe die Neonazi-Partei einer „befristeten und überschaubaren Aufnahme echter Flüchtlinge aus europäischen Brudernationen“ nicht im Weg. Hilfe solle aber „bestenfalls direkt vor Ort“ geschehen. Wie das im zerbombten Kriegsgebiet überhaupt möglich sein soll, ließ die Partei offen.
Schnell geht es im Beitrag wieder um das Leid der Deutschen: Der Fokus des „III. Weg“ liege weiterhin auf dem „Erhalt unseres Volkes und seiner weitestgehend bedrohten Kultur“. Durch eine dauerhafte Integration zeige die Bundesregierung aber deutlich auf, dass sie keinerlei Interesse daran hege, den „deutschen Volkskörper zu erhalten und alles auf die vollkommene Zerstörung unserer Identität setzt“, heißt es weiter. Die Regierung solle „in keinster Weise dazu beitragen, durch Migrationsprozesse langfristige Schäden zu verursachen, weder an der deutschen, noch an der ukrainischen Kultur und ihren Trägern.“ Eine Neuinterpretation des altbekannten Mottos „Deutschland den Deutschen“.
Dabei war vom „III. Weg“ bislang eher ein proukrainischer Tenor zu hören, seitdem Russland Ende Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert ist, um dort einen brutalen, menschenrechtsverletztenden Angriffskrieg zu führen: „Nationalisten helfen Nationalisten“ – so lautete eine „III. Weg“-Kampagne, um vor allem geflohenen Kindern und Frauen „nationalistischer“ Kämpfer Unterkünfte in Deutschland zu vermitteln. Auf ihrer Webseite betreibt die Partei zudem einen Liveblog mit Kriegsupdates in Stundentakt. Ende Februar war der Ex-NPD-Funktionär Tobias Schulz alias Baldur Landogart, ein fleißiger Rekrutierer für das rechtsextreme „Regiment Asow“, bei einer „III. Weg“-Livesendung zum Ukraine-Krieg zu Gast. „Der III. Weg“ betonte zu Kriegsausbruch, dass ausländische Freiwillige derzeit visumfrei in die Ukraine einreisen könnten und sich viele „bereits dem Kampf gegen die russischen Invasoren angeschlossen“ hätten. „In Kiew haben sich zudem zwei Brigaden für nicht-ukrainische Freiwillige gegründet“, behauptet die Partei.
Spendenfahrt an die Front
Auch Kader des „III. Weg“ könnten schon in der Ukraine gewesen sein – trotz Ankündigungen des Bundesinnenministeriums, die Ausreise von deutschen Neonazis ins Kriegsgebiet verhindern zu wollen. „Aufgrund des gegenwärtigen Konflikts wurden die Bundespolizeidirektionen zu möglichen Reisebewegungen rechtsextremer Personen sensibilisiert“, hieß es Ende März von einem Sprecher des Ministeriums auf Anfrage von Belltower-News. Das BKA versprach Kontrollen im Grenzgebiet, der Verfassungsschutz habe die Situation im Blick. Ausreisen im niedrigen einstelligen Bereich habe man bereits verhindern können, war damals zu hören. Weniger als fünf deutsche Rechtsextreme seien tatsächlich in die Ukraine gereist, um dort zu kämpfen – trotz viel Maulheldentum in den einschlägigen Telegramgruppen (siehe Belltower.News).
„Der III. Weg“ prahlte allerdings am 30. März in einem Online-Beitrag damit, eine „Materialspende für die Front abgeliefert“ zu haben. Der Transport in die Ukraine sei selbstorganisiert gewesen, laut taz hat die Spendenfahrt tatsächlich auch stattgefunden. Zivile Kleidung oder Alltagsgegenstände wolle die Partei anderen Personen und Organisationen überlassen. Stattdessen soll die Partei nach eigenen Angaben vor allem Schutzausrüstung und Kommunikationsmittel direkt an „nationalistische Einheiten“ in Kyjiw (Kiew) geliefert haben – darunter 800 Kälteschutzanzüge aus ehemaligen Bundeswehr-Beständen und 200 Kampfwesten der britischen Armee. Hinzu kommen laut „III. Weg“ vier Splitterschutzwesten, 24 Funkgeräten und drei Wärmebildkameras. Es handele sich „ausschließlich um frei verkäufliche Materialien“, die durch Spenden gekauft worden seien, wie die Partei schreibt. Doch wie sie so schnell solche Mengen Armeeausrüstung auftreiben konnten, bleibt unklar.
Seit Jahren pflegt „Der III. Weg“ gute Verbindungen zur rechtsextremen Szene in der Ukraine, allen voran zur „Asow“-Bewegung. Eine Delegation der Partei ist mehrmals nach Kyjiw gereist – etwa zu den „Paneuropa“-Konferenzen von „Asow“ 2018 und 2019. Olena Semenjaka, die frühere internationale Sekretärin der „Asow“-Partei Nationalkorps und sogenannte „First Lady des ukrainischen Nationalismus“, war 2018 Rednerin beim „III. Weg“-Festival „Jugend im Sturm“ im thüringischen Kirchheim. Über die bildstarken Fackelmarschen der „Asow“-Bewegung hat „Der III. Weg“ lange mit Begeisterung berichtet.
Falsche Freunde
Vielmehr dürfte diese Bewunderung für „Asow“ eine entscheidende Rolle für die vermeintliche Solidarität des „III. Weg“ mit der Ukraine spielen. Mit der demokratischen Regierung des jüdischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj haben die Neonazis wahrlich nichts gemein. Aber sehnsüchtig können die Kader der deutschen Kleinstpartei in die Ukraine schauen, wo ein offen rechtsextremes Paramilitär inzwischen in die Nationalgarde eingegliedert ist und auch von Menschen über die rechtsextreme Szene hinaus gefeiert wird – auch wenn „Asow“ ein kleines und überschaubares Regiment bleibt. Ein Austausch ermöglicht auch Kampftrainings und Kriegserfahrung, wie es in Vergangenheit bereits der Fall war. „Wir als Nationalrevolutionäre stehen natürlich an der Seite unserer ukrainischen Kameraden und versuchen zu helfen wo es möglich ist“, schreibt „Der III. Weg“ – nicht in Bezug auf die ukrainische Zivilgesellschaft, sondern auf die extreme Rechte im Land.
Auch der ideologische Antikommunismus trägt offenbar zur Kriegshaltung des „III. Weg“ bei: Die Partei lehne den russischen Imperialismus „mit dem Ziel der Wiederherstellung einer Sowjetunion“ ab – und nimmt offenbar Putins Propaganda für bare Münze. Laut „III. Weg“ ist die „Entnazifizierung“ der Ukraine und auch der Wunsch des tschetschenischen Diktators Kadyrow, „Rache an den ukrainischen Nationalisten zu nehmen“, abseits des Kriegs eine „ernstzunehmende Bedrohung“ für ukrainische Rechtsextreme. In Russland nehme „die Verherrlichung der Sowjetunion und der Roten Armee als neue identitätsstiftende Merkmale immer grotestekere Züge“ an, heißt es weiter, Schreibfehler im Original. In Putin sehen sie offenbar eine rote Gefahr – obwohl Russland gleichzeitig ein „brutalkapitalistisches System“ der Oligarchen sei.
Gleichzeitig lehnt „Der III. Weg“ den „US-amerikanischen Globalismus“ mit seiner „NATO-Osterweiterung und seinen weltweiten Kriegen unter dem Deckmantel der Menschenrechte“ ab. Die USA treffe genauso die Verantwortung dafür, dass sie die Ukraine als „Spielball ihrer geopolitischen Planungen“ genutzt haben. Der Einmarsch Russland sei zudem durch die NATO und die USA provoziert worden. Vor solcher Gehirngymnastik sollte es daher keine Überraschung sein, dass es den Neonazis des „III. Weg“ in Wirklichkeit gar nicht um das Schicksal der Ukraine geht. Es geht ihnen um die Unterstützung ihrer rechtsextremen Freunde an der Front – und vor allem um den „deutschen Volkskörper“.
Das Beitragsbild wurde unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC 2.0 veröffentlicht.