Ist die NPD eine unbedeutende Randpartei? Die beiden Journalisten Christoph Ruf (Redakteur bei Spiegel online) und Olaf Sundermeyer (u.a. FAZ, ARD) gehen dieser Frage nach und werfen mit ?In der NPD ? Reisen in die National Befreite Zone? einen Blick auf die Partei, welcher die landläufige Meinung in Frage zu stellen geeignet ist: ?Zu Beginn unserer Recherchen waren wir davon ausgegangen, es bei der NPD mit einer rechtsextremen, verfassungsfeindlichen Bewegung zu tun zu haben, [?]. Wir hatten allerdings nicht damit gerechnet, auf eine aus unserer Sicht national-sozialistische Partei zu stoßen.?
Zweijährige Recherche ohne Berührungsängste
Vor dem Hintergrund des sogenannten ?Superwahljahres? 2009 nähern sich die Autoren der zur Zeit wohl am stärksten einzuschätzenden rechtsextremen Partei vorrangig über Interviews und Erfahrungsberichte, welche sie in gut zweijähriger Recherche im gesamten Bundesgebiet gesammelt haben. Was diese Publikation über die NPD so interessant macht, ist, dass es Ruf und Sundermeyer gelingt, so prominente Parteikader wie den einflussreichen sächsischen Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel oder die beiden ideologischen Vordenker der Partei, Jürgen Gansel aus Sachsen und den Münchner Stadtrat Karl Richter zu Stellungnahmen zu bewegen, welche in ihrem Bemühen um Authentizität über den üblichen Medienalltag weit hinausreichen.
Einordnung erfolgt
Ruf und Sundermeyer haben aber auch weitere, weniger prominent in der Medienöffentlichkeit vertretene Seiten der Partei zu Wort kommen lassen. So fällt ihr Blick etwa auf die Jugendorganisation der NPD, die Jungen Nationaldemokraten, oder die Verquickung zwischen der Partei und den sogenannten Freien Kräften und der Hooliganszene. Doch nicht nur die Parteikader kommen zu Wort. Untermalt werden die ja durchaus in dem Bewusstsein um ihre Veröffentlichung gegeben Interviews mit Erfahrungsberichten aus verschiedenen Bundesländern. Das der Fokus dabei deutlich auf den neuen Ländern liegt verwundert nicht, stellt sich die NPD doch nach wie vor als ostdeutsche Regionalpartei dar.
Auch ein Blick auf die Gesellschaft
Neben den Stimmen aus der NPD lassen die Autoren aber auch dem gesellschaftlichen Fokus auf die Partei Raum. Dabei merkt man deutlich, dass sich hier zwei im Umgang mit der rechtsextremen Szene erfahrene Journalisten zusammengetan haben, denn die seit langem kontrovers geführte Debatte um den Umgang mit der NPD durch die Medien, wie er etwa im achten Abschnitt exemplarisch vorgestellt wird, ist durchaus ein journalistischer Dauerbrenner.
Die eigentlichen Inhalte der NPD
Ziel der beiden Autoren bleibt dabei aber immer, hinter der offiziellen Fassade der um bürgerliche Nähe bemühten Partei den Blick auf die ihr immanente, wahre Denkrichtung zu schärfen. Und diese ist eben alles andere als bürgerlich oder sozial, sondern klar auf die Ideologie des Dritten Reiches gerichtet. Besonders deutlich wird dies im Interview mit Uwe Luthardt, Aussteiger und ehemaligem Vorstandsmitglieds des Jenaer NPD-Ortsverbandes, welches am Ende des Buches dem Schlusswort der Autoren unmittelbar vorangestellt wurde. Luthardt offenbart hier genau den ungeschminkten Einblick in die wahren Strukturen und Köpfe der NPD, welche diese so beharrlich versucht hinter ihrer medialen Fassade zu verbergen.
Auf die Frage, nach den Unterschieden zwischen offiziellen Image und wahrer inhaltlicher Ausrichtung der Partei stellt dieser schlicht fest. ?Ziel ist die Wiedereinsetzung des Reichs, in dem sich eine neue SA an den Andersdenkenden rächt. [?] Die NPD ist durch und durch nationalsozialistisch. Die Programme, die jetzt in der Öffentlichkeit kursieren, werden ganz schnell ad acta gelegt, wenn es ernst wird.?
Liest man diese Aussage und stellt sie mit all den weichgespülten, im typischen Parteijargon gehaltenen Aussagen jener NPD-Funktionäre, welche im Vorfeld zu Wort gekommen waren, muss man feststellen, dass diese Partei die Sprache und die Instrumente der demokratischen Parteien der Bundesrepublik inzwischen ebenso gut beherrscht wie diese und für sich einzusetzen gelernt hat.
Verwirrende Fülle
Die Stärke und Bedeutung des Buches liegt dabei in der Authentizität der Interviews, der direkten Konfrontation und der Recherche, dem Erleben vor Ort, um so einen möglichst vielschichtigen, objektiven Blick auf die NPD zu erlangen. Gleichzeitig wird aber in dem Versuch, ein möglichst breites Spektrum der Parteiaktivitäten in den Blick zu bekommen, auch die Schwäche des Buches deutlich. Die Artikel springen zwischen Ostvorpommern und dem Saarland, zwischen Ideologie, Parteienfinanzierung und Leipziger Fußballfans hin und her. Man erfährt zwar viel, ist nach gut der Hälfte des Lektüre aber auch schier erschlagen von all den Namen, Orten und Strategien, die auf einen einprasseln. Als interessierter Leser, welcher sich im Vorfeld nicht erschöpfend mit der Partei beschäftigt hat und das Buch eher für einen ersten Eindruck zur Hand nimmt, ist dies eher verwirrend als hilfreich. Eine klarere Struktur, ein inhaltlich etwas geradlinigerer Aufbau hätte dem Buch insoweit sicher gut getan.
Dieser strukturellen Schwäche zum Trotz haben die beiden Autoren im Vorfeld der kommenden Wahlen des Jahres 2009, mit ?In der NPD? ein Buch vorgelegt, welches in seiner Akribie und Breite ein an manchen Stellen verwirrendes, darin aber auch gerade um so realistischeres Bild jener Partei zeichnet, welche zur Zeit als die größte Herausforderung an die demokratischen Parteienlandschaft der Bundesrepublik angesehen werden muss.
Christoph Ruf/Olaf Sundermeyer: In der NPD. Reisen in die National Befreite Zone. C.H. Beck. München, 2009. 12,95 Euro