Dirk Wilking: Was tun, wenn „Freie Kameradschaften“ oder ein Kreisverband der NPD in der Stadt einen Aufmarsch angemeldet haben? Diese Frage bewegt viele Bürger, Initiativen und Kommunalpolitiker. Grundsätzlich muss man sich vor Augen führen, dass Demonstrationen und Aufmärsche als Ausdruck der Versammlungsfreiheit Verfassungsrang gemäß Artikel 8 des Grundgesetzes genießen. Das gilt auch für rechtsextreme Gruppierungen. Einschränkungen wegen der Art der dort geäußerten Meinungen sind grundsätzlich nicht vorgesehen. Jedoch können die Behörden bezogen auf die Form der Versammlung nach dem Versammlungsrecht Bedingungen auferlegen. Rechtsextreme haben deshalb grundsätzlich erst einmal in dieser Frage das Recht auf ihrer Seite. Diese Rahmenbedingungen sind zu beachten, wenn es um mögliche Gegenaktivitäten geht.
Bürger können Einfluss nehmen??
Als einzelner Bürger oder als lose Gruppe von Interessierten gibt es mehrere Möglichkeiten, Einfluss auf das Geschehen auszuüben:
Als wichtigste und auch wirksamste Methode kann hier die Meinungsäußerung genannt werden. Die Einmischung durch die eigene Meinung ist die Basis jeder Demokratie. Es wird oft verkannt, dass die Meinungsäußerungen von Bürgern sehr wirksam sind, wenn Politiker und Verwaltungen auf der Suche nach einer Entscheidung sind.
Der Ort der Meinungsäußerung kann dabei variieren: das kann der Leserbrief an eine Zeitung oder auf einer Homepage sein. Es kann ein Gespräch mit Politikern in der Kommune sein. Auch wenn man den Abgeordneten oder die Abgeordnete nicht gewählt hat, ist es doch die Person, die das Interesse der Bürger im Wahlkreis vertreten soll.
Oder man schließt sich zu einer „Kurzzeitorganisation“ mit anderen Bürgern zusammen. Das kann bei einer Mahnwache, einer Gegendemonstration oder einer Gegenveranstaltung sein.
Allen Handlungsfeldern gemeinsam ist, dass sie sich auf die Meinungsbildung der Kommune beziehen. Das sollte in der Wahl der Ausdrucksformen nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Die rechtsextremen Teilnehmer sind bei ihren Demonstrationen argumentativ praktisch nicht erreichbar.
Kreative Proteste von Initiativen
Wird ein Aufmarsch angemeldet, sollte die Initiative durch Beobachtung der einschlägigen Medien zunächst herausfinden, ob es sich um ein regionales oder überregionales Ereignis der rechtsextremen Gruppe handelt. Ist es eine überregionale Veranstaltung mit Werbung auf vielen Plattformen, sollte das eigene Netzwerk mit anderen Initiativen verbunden werden. Handelt es sich um eine regionale Aktivität, kann auch regional reagiert werden. Der Aufmarsch von Rechtsextremen lässt sich in der Regel nicht verhindern. Versuche, eine geschlossene „Einheitsfront“ zu schaffen, in der alle Bündnisse und Gruppen gemeinsam handeln, scheitern meistens an den unterschiedlichen Vorstellungen, wie man reagieren sollte. Deshalb ist es sinnvoll, einen gewissen Pluralismus von vornherein einzuplanen.
Als hilfreich haben sich Protestformen gezeigt, die kreativ und für die rechtsextreme Szene unberechenbar sind. Originelle Plakatierungen entlang der Aufmarschstrecke sind ebenso geeignet wie Auftritte mit theatralischen Mitteln. Vielfältige, kleinere Aktionen zeigen sich häufig als wirksamer als der Versuch „machtvolle Gegendemonstrationen“ anzustreben – die in ländlichen Regionen mangels Masse sowieso nur selten gelingen.
Um möglichst viele Bürger für den Protest gegen undemokratische Tendenzen zu gewinnen, sollte man auch auf ihre Ängste eingehen. Wer sich offen gegen Rechtsextremisten stellt, muss mit den Folgen, die das möglicherweise hat, auch leben können. Deshalb ist es wichtig, für die etwas ängstlicheren Menschen geschützte Formen des Protestes zu entwickeln. Das kann zum Beispiel eine Veranstaltung für Senioren in einem geschlossenen Raum sein, die parallel zu öffentlichen Protesten stattfindet.
Zivile Initiativen gegen Rechtsextremismus sind häufig die einzigen Gruppen, die das Thema kontinuierlich und intensiv in der Kommune bearbeiten. Neben der Vorbereitung von Gegenaktivitäten ist es sinnvoll, auch die Nachbereitung in diesen Gruppen zu besprechen und darüber mit Kommunalpolitikern zu kommunizieren.
Als Lokalpolitiker gemeinsam handeln??
Wenn es um Rechtsextremismus geht, haben alle Demokraten ein gemeinsames Anliegen: Sie sind grundsätzlich dagegen und unterscheiden sich nur in der Form des Widerstandes. Doch diese Gemeinsamkeit der Demokraten herzustellen, ist oft schwieriger, als es sich anhört. Kommunalpolitik ist in weiten Teilen ritualisiert. Das heißt, dass sich die politischen Konkurrenten gerne gegenseitig vorführen. In ihrem Streben, sich von den Politikern anderer Parteien abzugrenzen, ist der Rollenwechsel zu einem gemeinsamen Handeln oft schwierig. Das zeigt sich häufig in Diskussionen über die angemessene Form des Umgangs mit den „Autonomen Nationalisten? und NPD : Soll man den Aufmarsch ignorieren, ihn skandalisieren oder sich selber zurückhalten und die Reaktion an andere, die Polizei etwa, delegieren?
Diese verschiedenen Möglichkeiten werden in der Kommunalpolitik häufig diskutiert. Deshalb ist es wichtig, darauf zu achten, dass die politischen Konkurrenten sich mit ihrem Profil in der Art des Protestes wiederfinden können.Bei allen politischen Unterschieden bleibt eines wesentlich: Alle Demokraten müssen sich eindeutig und öffentlich gegen jede Form des Rechtsextremismus bekennen.
Deutliche Zeichen durch Abgeordnete
Zwei Fragen müssen auf jeden Fall geklärt werden: Kommen die Akteure eines Aufmarsches aus der Region? Oder ist die Kommune nur Bühne rechtsextremer Aktivitäten, wie etwa zum Volkstrauertag in Halbe in Brandenburg? Handelt es sich um eine überregionale Aktion der rechtsextremen Szene, sollten Politiker ihre überregionalen Parteikollegen einbinden. Handelt es sich um ein regionales Ereignis, kann es auch regional verhandelt werden. Wichtig ist auch, zu klären, wen man mit dem Protest erreichen will. Da die rechtsextreme Szene durch Argumente schwer zu erreichen ist, geht es vor allem um ein deutliches und eindeutiges Zeichen an die Bevölkerung und die Wählerschaft.
Es klingt selbstverständlich, ist es aber nicht: Politiker müssen laut sagen, dass es ein rechtsextremes Problem in der Region gibt. Im zweiten Schritt sollten sie betonen, dass es sich um ein gemeinsames Anliegen aller Demokraten handelt, gegen Rechtsextreme vorzugehen. In dieser Frage muss die Zivilgesellschaft zusammenhalten. Wer demokratische Grundsätze nicht achtet oder sie sogar abschaffen will, mit dem lässt sich nicht mehr diskutieren.
Kommunale Strategien
Die Kommune kann versuchen, sich selber Regeln im Umgang mit Rechtsextremisten zu geben. Sowohl auf der Verwaltungsseite wie auch aus dem Kommunalparlament können Ideen und Strategien entwickelt werden. Wichtig ist, eindeutig auszusprechen, was gemeint ist. Dazu gehören auch „böse Worte“ wie Rechtsextremismus, auch wenn diese im ersten Moment vielleicht vor dem Hintergrund des Tourismusmarketing von Nachteil sein mögen.
Als Faustregel gilt: Je präziser die Problembeschreibung, desto effektiver die Handlungsstrategien. In Kommunen bewährt haben sich Titel wie ?Menschenfreundliche Stadt XY?, auf das Thema Rechtsextremismus zugeschnittene Angebote in der Kultur, Integrationskonzepte und spezielle Profile der Schulen wie zum Beispiel „Schule ohne Rassismus“ sowie die intensive Pflege von Städtepartnerschaften. Ebenfalls hilfreich sind Ordnungskonzepte. Dazu gehören Regeln für die Vermietung von städtischen Räumlichkeiten oder für Plakatierungen. Auf lange Sicht präventiv wirken jedoch vor allem Formen der Bürgerbeteiligung. Je mehr und intensiver sich Bürger an Entscheidungsprozessen beteiligen, desto eher stehen sie aktiv für ihr demokratisches Gemeinwesen ein.
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