Es sind zwei zentrale Werte, die sich dieser Tage oft scheinbar unvereinbar gegenüber stehen: Es geht um das Spannungsfeld zwischen Respekt und Freiheit im Internet, das derzeit heftig diskutiert wird. Welche Texte, Videos oder Fotos sind durch die Meinungsfreiheit gedeckt? Und wann übertreten Inhalte eine Grenze? Nicht erst seit der Debatte um den umstrittenen Schmähfilm „Die Unschuld der Muslime“ sind das häufig gestellte Fragen.
Neue Generation von Hassreden
Nun hat das Internationale Netzwerk gegen Hass im Internet (INACH) Anbieter, Betreiber und Nutzer*innen von sozialen Netzwerken zu mehr sozialer Verantwortung aufgerufen. „Wir sehen eine neue Generation bei der Verbreitung von Hass im Netz“, stellt Stefan Glaser von der deutschen Seite „jugendschutz.net“ anlässlich des zehnjährigen Bestehens von INACH fest. Die Verbeiter*innen von Hassreden gehörten einer Generation an, die mit dem Internet aufgewachsen sei und dessen Möglichkeiten bestens kenne. Insbesondere für Rechtsextreme seien die sozialen Netzwerke mittlerweile wichtigstes Verbreitungsmittel für ihre Propaganda.
Eine besondere Problematik ergänzt Staatssekretär Christoph Bergner vom Bundesinnenministerium: Habe man die rechtsextremen Postings früher auf einschlägigen Websites gefunden, würden solche Inhalte zunehmend in den Mainstream-Anwendungen wie Facebook, YouTube und ähnlichen gepostet. Entsprechend riefen die INACH-Verantwortlichen vor allem die Betreiber jener Seiten auf, aktiver im Kampf gegen Online-Hassreden zu werden – und das länderübergreifend, so INACH-Generalsekretärin Suzette Bronkhorst mit Blick auf „globale Player wie Facebook und Google“. Derzeit ist es oft so, dass gemeldete Inhalte nur in dem Land gesperrt werden, aus dem die Meldung stammt.
Bildung und Medienkompetenz zentral
Doch nicht nur jene „globale Player“ stehen laut INACH in der Pflicht, das Internet „zu einem besseren Ort“ zu machen. Die Nutzer*innen müssten für Hassreden im Netz sensibilisiert und ermuntert werden, solchen Inhalten entschlossen entgegen zu treten. Zentral für diese Sensibilisierung und Ermunterung seien, da waren sich alle Teilnehmer*innen der INACH-Konferenz in Berlin einig, seien Bildung und die Vermittlung von Medienkompetenz. In jedem Land müsse „Cyber Verantwortung“ auf dem Lehrplan stehen.
Verschiedene Projekte auf nationaler wie auch auf EU- und internationaler Ebene wurden in diesem Zusammenhang vorgestellt, die sich bereits mit der Problematik auseinander setzen. Ein Beispiel stammt aus Israel: Hier befasst sich etwa eine Projektgruppe der „Israeli Student Union“ mit Antisemitismus und Holocaust-Leugnung im Netz. In einem Team von 20 Studenten*innen werden Internetseiten auf der ganzen Welt gescannt, einschlägige Inhalte gesammelt und „Counter Speeches“ („Widerreden“) verfasst. Poste etwa jemand eine Frage zum Zweiten Weltkrieg, schreibe ein Mitglied der Projektgruppe eine sachliche Antwort – bevor Antisemiten*innen ihre Propaganda verbreiten können, erklärt Initiator Tal Dror den Ansatz.
Eine bessere Online-Atmosphäre für alle
Große Hoffnung legen die INACH-Verantwortlichen nun in die internationale Charta, die das Netzwerk zu seinem zehnjährigen Bestehen beschlossen hat. „Vielleicht wird die Charta ja eines Tages auch von der UNO verabschiedet“, erklärt etwa der INACH-Vorsitzende Philippe Schmidt. Konkret verpflichten sich die Unterzeichner der Charta zu einer aktiven Arbeit gegen Hass und Diskriminierung im Internet.
In dem Text wird betont, dass Opfer von Hass im Internet gestärkt werden müssen und bei Beschwerden gegen Internet-Dienstanbieter und Betreiber von sozialen Netzwerken unterstützt werden sollen. Ziel sei eine „bessere Online-Atmosphäre für alle Internet-User“. Genau heißt es in der Charta: „Wir verpflichten uns dazu, Sprach- und Verhaltensweisen an den Tag zu legen, die im Einklang mit den internationalen Menschenrechten stehen so wie sie in der entsprechenden Erklärung der Vereinten Nationen verankert sind.“
Die Charta von INACH gibt es hier.