„Heimatminister“ Horst Seehofer gibt als Grund seiner Absage zum Integrationsgipfel an, unglücklich mit einem Text der Journalistin Ferda Ataman sein. Sie hatte in der Zeitung „Ermutigen“, die von der Amadeu Antonio Stiftung herausgegeben wird, davor gewarnt, den Begriff „Heimat“ zu nutzen, um diejenigen zu bedienen, die die Einwanderungsgesellschaft als Bedrohung wahrnehmen. Ataman schreibt in ihrem Text, dass die plötzliche „Heimatverbundenheit“ in Deutschland vor allem bei den Politiker*innen betont wird, die „Heimat“ als Gegenpol zum „Fremden“ verstehen und dabei Verständnis für Ängste vor „Fremden“ äußern – auch wenn diese Ängste teilweise Menschen treffen, die seit Generationen ihre Heimat in Deutschland haben. Ein solch ausschließender „Heimat“-Begriff erinnere an völkische „Blut und Boden“-Fantasien.
Die Absage Seehofers stößt auf Kritik. Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, sagt: „Mit der Absage seiner Teilnahme am Integrationsgipfel zerschlägt Seehofer sein eigenes Porzellan. Sehr bedauerlich, und mir unverständlich nach seinem eigenen FAZ-Artikel.“ Seehofer hatte sich in der Zeitung für einen neuen gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine Heimatpolitik als „Politik der Vielfalt“ ausgesprochen.
Dieser sehr lesenswerte Artikel kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Heimatdiskussion von rechts nicht im luftleeren Raum stattfindet, sondern – vor allem, wenn Heimat plötzlich zum Synonym für „Volk“ oder „Nation“ wird – vor allem die betrifft, die plötzlich nicht mehr dazu gehören zu scheinen. Ferda Ataman beschreibt das so: „Ist den Leuten eigentlich klar, wie sich eine Heimatdebatte in der aktuellen Gemengelage für jemanden wie mich anfühlt? Meine Eltern und Großeltern sind vor einem halben Jahrhundert eingewandert. Und nun wird mir signalisiert, dass Einwanderung die Deutschen nachhaltig verstört und sie deshalb unter Heimatsehnsucht leiden. Weil ich und zu viele von Meinesgleichen da sind.“
Statt also eine vage „Heimat“ zu beschwören, gilt es vielmehr die Themen des Integrationsgipfels nicht aus den Augen zu verlieren: „Werte und Zusammenhalt in der Einwanderungsgesellschaft“ und „Demokratie stärken, Werte leben“. Zu diesen Werten gehört auch Weltoffenheit und damit der Kampf gegen Rassismus. Denn gerade Rassismus steht Integration so oft entgegen. Migrant*innen werden abgelehnt – und viel zu oft auch brutal angegriffen –, weil sie keinen deutschen Nachnamen tragen oder weil sie eine andere Hautfarbe haben. Und natürlich hat diese Ablehnung auch eine Wirkung auf die Betroffenen. Rassismus ist aber nicht nur eine Individualerscheinung, die Einzelne betrifft.
Vielmehr sollte es beim Gipfel auch um institutionellen Rassismus gehen. Das kann rassistische Polizeipraxis, wie „Racial Profiling“ sein, aber auch die Ungleichbehandlung von Berwerber*innen mit Kopftuch oder nicht deutschen Namen oder dass es für Migrant*innen oft schwerer ist, eine Wohnung zu finden, als für sogenannte „Bio-Deutsche„. Die Initiative DeutschPlus brachte dazu Forderungen zum Gipfel mit: „Struktureller Rassismus ist verfassungswidrig, weil er der Gleichbehandlung in Artikel 3 des Grundgesetzes widerspricht. Er ist ein stark vernachlässigtes Thema in der öffentlichen Debatte. Konkret fordern wir, dass die geplante Kommission der Bundesregierung zum Thema Integrationsfähigkeit Deutschlands erweitert werden sollte um den Punkt ’struktureller Rassismus in Deutschland‘.“
Farhad Dilmaghani, Vorsitzender der Initiative, nahm am Gipfel teil und forderte unter anderem auch eine bessere Repräsentation von Migrant*innen in gesellschaftlich wichtigen und sichtbaren Positionen: „Es geht um eine gerechte Repräsentation von allen Bevölkerungsgruppen gemessen an der Bevölkerungsstruktur. Menschen mit Migrationsgeschichte sind im Bundestag stark unterrepräsentiert und in der Bundesregierung quasi unsichtbar. Darum wird es ohne Quoten langfristig nicht gehen.“
Auch der „Bundesverband Netzwerke von Migrantenorgansiationen“ war zum Gipfel im Bundeskanzleramt. Der Verband hatte fünf zentrale Handlungsempfehlungen im Gepäck: „Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die gleichberechtigte Partizipation von Menschen aus Einwanderungsfamilien – ein Partizipationsgesetz auf Bundesebene – sowie die Einrichtung eines Partizipationsrats aus Expert*innen. Einführung eines Teilhabe-Monitorings und Maßnahmen der Menschenrechtsbildung. Umsetzung einer konsequenten Antidiskriminierungspolitik. Einhaltung der Menschen- und Grundrechte für Geflüchtete. Stärkung der Beteiligung von Migrant*innenorganisationen durch Strukturförderung in Bund, Land und Kommunen.“
Es wird viel zu tun geben, vor allem auch mit Blick auf die vergangenen Gipfel. „Beim letzten Integrationsgipfel hatten wir zahlreiche Forderungen präsentiert. Umgesetzt wurde bis dato so gut wie nichts“, so Farhad Dilmaghani. Es bleibt zu hoffen, dass die Kanzlerin ein größeres Problembewusstsein zeigt als der „Heimatminister“, der offenbar kein gesteigertes Interesse an Integration zu haben scheint. Ferda Ataman fasste die Herausforderungen bei der Abschlusspressekonferenz treffend zusammen: „Deutschland ist die Heimat der Vielen, nicht der Völkischen“.
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