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Interview Neue Meldestelle Antifeminismus startet bundesweit

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(Quelle: Unsplash)

Antifeminismus äußert sich vielfältig. In sexistischen Anfeindungen und körperlichen Angriffen sowie in organisierten Kampagnen gegen Gleichstellung und geschlechtliche Selbstbestimmung. Erstmals wird hierzu eine zivilgesellschaftliche Meldestelle bundesweit Vorfälle sammeln und dokumentieren. Unter www.antifeminismus-melden.de können ab sofort Erfahrungen mit antifeministischen Angriffen gemeldet werden. Die Meldestelle ist ein Projekt der Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung.

Die Furcht vor Bedrohungen und Angriffen begleitet den Alltag und die zivilgesellschaftliche Arbeit von Einzelpersonen, Verbänden und Initiativen. Die Herausforderungen sind groß, denn Antifeminismus und „Anti-Gender“-Rhetorik machen rechtes, reaktionäres Gedankengut in der Mehrheitsgesellschaft salonfähig und fördern gewaltsame Übergriffe. Laut der Leipziger Autoritarismus-Studie 2022 hat jeder dritte Mann und jede fünfte Frau in Deutschland ein geschlossen antifeministisches Weltbild. Zwar wurde die polizeiliche Erfassung von Straftaten zum 1. Januar 2022 durch das Unterthema „frauenfeindlich“ ergänzt, doch viele Vorfälle werden nicht als antifeministisch erkannt und bisher nicht systematisch erfasst – auch weil viele unterhalb der Strafbarkeitsgrenze liegen.

Hannah Beeck von der Meldestelle Antifeminismus spricht mit Belltower.News über antifeministische Narrative, rassistische Mobilisierungen und erklärt, wo Antifeminismus eigentlich herkommt.

Belltower.News: Was macht die neue Meldestelle Antifeminismus?
Hannah Beeck: Auf antifeminismus-melden.de können uns Menschen Erfahrungen mit antifeministischen Vorfällen melden und Beratungsangebote und Informationen über Antifeminismus erhalten. Mit der Meldestelle wollen wir zum einen die Fälle aufnehmen, die nicht groß in den Medien diskutiert werden, denn viel passiert unter der Hand. Viele Gleichstellungsbeauftragte, zivilgesellschaftliche Organisationen und Feminist*innen bekommen Hassnachrichten. Das ist inzwischen so normalisiert, dass es kaum öffentlich thematisiert wird. Wir nehmen jeden einzelnen Fall ernst. Das Verständnis für Antifeminismus ist noch nicht so weit verbreitet in Deutschland. Deswegen möchten wir erst mal auffordern: Alles, was Antifeminismus sein könnte, kannst du uns melden. Im nächsten Schritt schauen wir uns die Meldungen an und analysieren die Fälle anhand einer Systematisierung.

Wie sieht die aus?
Antifeminismus äußert sich als organisierte Vorgehen gegen Geschlechtergerechtigkeit und Selbstbestimmung. Antifeministisch motivierte Angriffe beziehen sich häufig auf ein bestimmtes Ereignis oder bestimmte feministische Themen und vermitteln dabei eindeutige Botschaften menschenfeindlicher Ideologie. Wir schauen daher: Von wem ging der Angriff aus, wer wurde angegriffen? Worum ging es? Wie wurde vorgegangen? Wir haben verschiedene Parameter, mit denen wir prüfen können, ob es nach unserer Definition als Antifeminismus eingeordnet werden kann. Wir hoffen, mit der Meldestelle einen Beitrag in der Debatte leisten zu können und zu zeigen: Das passiert auch in Deutschland. Die Analysen werden dann in einem jährlichen Lagebericht veröffentlicht. Uns geht es darum, konkrete Zahlen und Muster nennen zu können, die dann weitergetragen werden an die Politik.

Was ist eure Definition von Antifeminismus?
Antifeminismus ist eine politisch organisierte Bewegung gegen feministische Emanzipationsbestrebungen. Das zeigt sich auf unterschiedliche Arten: Sexismus, Misogynie, Queerfeindlichkeit. Antifeminismus kann mit anderen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zusammenhängen, wie Rassismus, Antisemitismus, Ableismus und so weiter. Aus der Perspektive der Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus schauen wir uns besonders Antifeminismus aus der rechtsextremen und rechtspopulistischen Ecke an. Uns interessiert besonders die politische Dimension.

Warum ist die Meldestelle so wichtig?
Bisher gibt es keine systematische zivilgesellschaftliche Erfassung. Dabei spielt Antifeminismus eine relevante Rolle für demokratiegefährdende Bewegungen und stellt eine tägliche Bedrohung von Einzelpersonen, Verbänden und Initiativen dar. Zum einen wollen wir mehr Sichtbarkeit schaffen, zum anderen aber auch eine Anlaufstelle sein. Betroffene können bei der Meldung angeben, ob sie weitere Unterstützung haben möchten. Dann schauen wir, was wir mit unserer Expertise im Umgang mit antifeministischen Angriffen anbieten können oder wir verweisen an  die mobilen Beratungsteams oder Opferberatungsstellen in den Bundesländern, mit denen wir eng zusammenarbeiten.

Wo kommen Antifeminismus und Queerfeindlichkeit in der Gesellschaft her?
Das ist sehr unterschiedlich, was es natürlich auch viel schwieriger macht, es zu fassen. Wir blicken stark auf rechte Strömungen. Und was wir hier sehen ist, dass rechtsradikale und rechtsextreme Gruppierungen Antifeminismus als „Einstiegsdroge“ in ihre Ideologien benutzen, weil es Thematiken sind, mit denen sie sehr leicht andocken können.

Aber Antifeminismus kommt nicht nur von Rechtsaußen?
Sobald es feministische Bestrebungen gibt, kommt es auch zu Antifeminismus. Als für das Frauenwahlrecht gekämpft wurde, ertönten Stimmen dagegen. Frauen seien nicht rational genug für Politik. Heute geht es viel um das Selbstbestimmungsgesetz, weil es angeblich dazu führt, dass Frauen nicht mehr sicher seien, weil vermeintliche Männer in Frauenschutzräume eindringen würden. Mit solchen Verschwörungs- und Falscherzählungen wird gegen feministische Emanzipation gehetzt, um sie wieder umzudrehen und zu so traditionellen Rollenbildern zurückzukehren. Und diese Erzählungen finden sich leider in der gesamten Gesellschaft, wie die Leipziger Autoritarismusstudie gezeigt hat.

Also ist es ein gesamtgesellschaftliches Phänomen?
Ja, es ist auf alle Fälle gesamtgesellschaftlich. Antifeminismus kommt in bürgerlich-konservativen, in christlichen und sogar linken Kreisen vor. Wir wollen niemanden direkt in die rechte Ecke stellen. Wir machen aber darauf aufmerksam, dass die Pipeline von antifeministischen Erzählungen hin zu rechten antijüdischen Verschwörungsnarrativen sehr gut funktioniert. Und wir wollen zeigen, wie schnell sich solche Ideologien verbreiten und wie schnell Leute reingezogen werden können.

Welche antifeministischen Narrative beobachtet ihr aktuell am meisten?
Im Moment gibt es viel Transfeindlichkeit um das Selbstbestimmungsgesetz, mit Behauptungen, dass Frauen nicht mehr sicher sein könnten. Das hängt zusammen mit dem vermeintlichen „Kinderschutz“-Narrativ, was zum Beispiel von der „Demo für Alle“ verbreitet wird. Vielfaltspädagokik mache angeblich Kinder homosexuell oder trans. Immer wieder wird das Thema Gendern und geschlechtergerechte Sprache hochgekocht. Ein Dauerbrenner ist die rassistische Instrumentalisierung von Gewalt gegen Frauen. Im digitalen Raum haben antifeministische Influencer wie zum Beispiel Andrew Tate Hochkonjunktur.

Wie sieht es mit der AfD aus?
Die Partei ist ein Paradebeispiel für Antifeminismus, da muss man sich nur die Anfragen in den Parlamenten anschauen: Zum Beispiel gehören laut der AfD Gender Studies abgeschafft, die seien nicht wissenschaftlich. Oder durch die Migrationspolitik würde sexualisierte Gewalt nach Deutschland gebracht. Es gibt unsägliche Reden im Bundestag, in denen Politikerinnen anderer Parteien das falsche Geschlecht zugeschrieben wird oder sie werden mit falschem Namen angesprochen.

Wer vom AfD-Personal fällt dir da besonders auf?
Beatrix von Storch ist sicherlich eine wichtige Netzwerkerin in der Partei. Sie ist eng verbunden mit der „Demo für alle“. Interessant ist aber auch, mit wem sie sich außerhalb von Deutschland trifft. Es gibt zum Beispiel den World Congress of Families, wo sich das Who is Who des weltweiten Antifeminismus trifft. Dabei sieht man auch schön, wie die ganzen Strategien und Narrative teilweise eins zu eins in verschiedenen Ländern übernommen oder angewendet werden. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Antifeminismus nicht nur ein Problem in der AfD ist, sondern in Parteien im gesamten politischen Spektrum vorkommt.

Wie sieht’s international aus?
Die großen Namen sind zum Beispiel Giorgia Meloni aus Italien oder Marine Le Pen aus Frankreich. Spannend ist, dass Antifeminismus Konservative, Autokraten und Rechtsextreme in ganz Europa eint, sogar, wenn sie in anderen politischen Bereichen teilweise komplett unterschiedliche Ansichten vertreten. Zum Beispiel die Istanbul-Konvention, in der es um die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen geht. Rechtskonservativ geprägte europäische Antifeminist*innen bezeichnen diese als antiwestlich. Da ist man ganz schnell beim Antisemitismus, der behauptet, das Judentum habe den Feminismus erfunden, um so die westliche Welt zu zerstören. Erdoğan ist währenddessen gegen die Istanbul-Konvention, weil sie ein westliches Konstrukt von Geschlecht verbreite, die nicht mit der türkischen Kultur vereinbar sei. Und dennoch eint diese Politiker*innen der Antifeminismus, um gegen die Konvention als Ganzes vorzugehen.

Antifeminismus ist weltweit ein wichtiges Instrument für Rechtspopulist*innen, um ihre Agenda in die Gesamtgesellschaft zu pushen. Deswegen müssen wir uns sowohl internationaler Entwicklungen und Netzwerke bewusst sein, als auch ein differenziertes Bild von antifeministischen Zuständen und Einstellungen in der deutschen Gesellschaft und deren konkrete Auswirkungen auf Betroffene haben.

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