Das Interview führte Maximilian Kirstein
Wie lässt sich der Erfolg von Pegida, insbesondere in Dresden, erklären?
Der Erfolg von Pegida beruht aus einer Mischung aus Rassismus, antisemitischen Verschwörungsideologien und Anti-Establishment-Rhetorik. Dabei wurden im Laufe des ersten Jahres bei Pegida neben klassischen rechtspopulistischen, auch immer wieder rechtsextreme Versatzstücke sichtbar. Die Entstehung von Pegida war in der Form nur in Dresden möglich: Ohne den Mythos vom Opfer des ‚Bombenterrors‘ des Westens und dem unkritischen Gedenken an jedem 13. Februar, das in der DDR begonnen und für Nazis aus ganz Europa zum Anziehungspunkt wurde, dem die Stadt und das Land lange nichts entgegensetzte, ist Pegida und vor allem die breite Beteiligung bis weit in die bürgerliche Mitte hinein nicht erklärbar.
Bis heute hat sich daran nicht viel geändert, vielmehr hat die Bewegung zum einjährigen Bestehen verstärkt Zulauf erhalten. Inwiefern trägt die Politik hierfür Verantwortung?
Das rassistische Potenzial von Pegida wurde – nicht nur in Sachsen – im vergangenen Jahr immer wieder relativiert. Die rechtspopulistischen und islamfeindlichen Inhalte wurden als vermeintlich berechtigte Ängste verharmlost. Die Drohungen gegen Flüchtlinge und Migranten, die auch immer wieder am Rande oder nach Pegida-Demonstrationen zu realer Gewalt führten, wurden nicht als Bedrohung der inneren Sicherheit verstanden. Nicht zuletzt wegen Pegida steht Dresden bei den Städten, und Sachsen unter den Bundesländern, jeweils an der Spitze der Angriffe gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte, wie die gemeinsame Chronik der Amadeu Antonio Stiftung und Pro Asyl zu flüchtlingsfeindlicher Gewalt deutlich macht. Ein Ende der Gewalt ist gerade nicht absehbar.
Kann man Pegida in diesem Zusammenhang als geistige Brandstifter bezeichnen?
Der Anschlag auf die parteilose Politikerin Henriette Reker in Köln zeigt, dass Pegida in Köln mitgestochen hat. Zynischer Weise bedurfte es erst des Attentats, das Innenminister de Maizière zu scharfen Worten gegen Pegida zwang und damit auf den Tag genau, ein Jahr zu spät kommen. Als Konsequenz der fehlenden Auseinandersetzung hat sich Pegida in den letzten zwölf Monaten immer weiter radikalisiert bis hin zum Mordaufruf gegen die Bundeskanzlerin und den Vizekanzler – und wurde dadurch auch wieder erfolgreicher. Insbesondere in Sachsen wurde die Gefahr für die demokratische Kultur nicht gesehen. Im Gegenteil, die Dialogbereitschaft der sächsischen Landesregierung wurde von den Pegida-Demonstrierenden als Ermutigung ihres Handelns und Anerkennung ihrer Forderungen gesehen.
Besteht die Gefahr, dass diese politische Mentalität parlamentarisch gefestigt wird?
Immer deutlicher wird, dass Pegida im Kern die außerparlamentarische Bewegung der AfD-Partei ist. In den letzten Monaten ist dies auch durch konkretere Unterstützung für lokale Pegida-Ableger deutlich geworden. Das birgt die Gefahr, dass dauerhaft rassistische und rechtspopulistische Inhalte in Parlamente getragen und so weiter hoffähig gemacht werden. Insbesondere die Thüringer AfD macht deutlich, wie gefährlich der Einzug der Partei in weitere Landesparlamente sein kann.
Was kann man gegen diese Akteure tun?
Viel zu lange wurde die deutliche Auseinandersetzung mit Pegida gescheut. Klare Kante ist notwendig, wie auch ein eindeutiges Bekenntnis zum Grundrecht auf Asyl. Gegendemonstrationen sind wichtig, Proteste zivilgesellschaftlicher Gruppen, von demokratischen Parteien und Politikern, die deutlich machen, dass es sich nicht um ein berechtigtes Anliegen handelt. Wer ernsthaft an der Lösung eines Problems interessiert ist, weiß, dass sich keine Probleme lösen, indem man mit Rassisten und Nazis auf der Straße herumsteht. Wer sich ernsthaft Sorgen macht, dass Flüchtlinge aufgrund ihrer begrenzten und isolierten Lebenssituation im Flüchtlingsheim aggressiv werden könnten, kann sich für eine Willkommenskultur, eine bessere Wohnsituation und eine bessere soziale und psychologische Betreuung der Flüchtlinge einsetzen – oder zumindest die Menschen unterstützen, die das tun.
Zum Hintergrund:
Am Montag, den 20. Oktober 2014 wurde erstmalig auf der Facebook-Seite von PEGIDA zu einer Demonstration in der Dresdner Innenstadt aufgerufen. Unter dem Motto „PEGIDA- Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ riefen eine Gruppe um den vorbestraften Lutz Bachmann über Facebook dazu auf, Protest gegen eine vorgebliche „Islamisierung“ Deutschlands, aber auch gegen die geltende Asylpolitik, die angeblich versagenden demokratischen Parteien, die mangelnde Meinungsfreiheit und die vorgeblich lügende Presse auf die Straße zu tragen. Die Bewegung hat vor allem am Anfang jede Verbindung zur rechtsextremen Szene bestritten, lässt aber Neonazis auf den Demonstrationen mitlaufen. Verbindungen zur NPD sind nicht erwünscht, zur AfD sind sie dagegen zahlreich, auch wenn Pegida Dresden Wert darauf legt, „parteipolitisch unabhängig“ zu sein – ebenso wie darauf, als einzige wahre „Pegida“ zu bestimmen, welcher der zahlreichen bundesweiten Ableger wirklich zur „Bewegung“ gehört.
Zur Chronologie der Pegida-Bewegung
Dieser Interview ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).