Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Interview Was tun gegen Nazis auf YouTube?

Von|
Foto: Neonazidemo in besagtem Volksfront-Video auf YouTube (hk)

Was genau stört Euch an diesem Video?

Jörn Menge: Dort werden eindeutig antisemitische, menschenfeindliche und demokratiefeindliche Inhalte verbreitet und – so empfinden wir – es wird durchaus auch zu Gewalt aufgerufen.

Gibt es weitere Videos, die ihr beanstandet?

Ja, es gibt nicht nur dieses eine Video, das uns stört. Unter dem Begriff „Volksfront“ findet man auf YouTube zahlreiche Filme mit rechtsextremen Inhalten. Heute morgen erst, habe ich eine Mail von einem Kollegen bekommen. Er hatte sechs Videos gefunden, mit dem Titel „NPD-Chef Udo Voigt hat recht! Holocaust-Lüge!“. Dort wurde erfindungsreich behauptet, dass es unmöglich sei, so viele Menschen zu verbrennen, wie in Auschwitz verbrannt worden sind. Wenn ich mir vorstelle, ein einfältiger 18-Jähriger, der womöglich gar kein politisches Interesse hat, guckt sich dieses Video an, weil es ein YouTube-Video ist, und sagt dann: „Mh, wenn das hier läuft, muss das ja stimmen, dass der Holocaust nie stattgefunden hat“. Da sträuben sich mir die Nackenhaare! Oder, wenn Udo Voigt in einem Video sagt: „Es ist für uns Deutsche ein Unterschied, ob wir für 340 000 oder für 6 Millionen Juden (Entschädigung) zahlen“. Das ist gruselig! Und das Schlimme ist, von diesen Nazi-Videos kommst du auch direkt auf diverse Nazi-Seiten. Videos als Einstiegsdrogen also. Das heißt, du bist auf einmal in diesem Strudel drin, wenn du keine Ahnung hast und dich nie damit beschäftigst, bist auf einmal auf sämtlichen Nazi-Seiten und holst dir da irgendwelche Informationen.

Was sind nun konkret eure Forderungen?

Um das klar zu sagen: Das ist kein Angriff auf YouTube, denn natürlich ist das ein Portal, das Sinn macht. Aber, wir denken, als Betreiber sollte man mehr Verantwortung an den Tag legen. Wenn man aus rechtlichen Gründen nicht verhindern kann, dass solche Videos online gestellt werden, sind wir der Meinung, dass man es den Usern nicht allein überlassen, sollte, die Filme zu kommentieren. YouTube hat doch auch hier in Deutschland eine Niederlassung. Es würde doch schon reichen, wenn dort ein Mitarbeiter sitzen würde, der jeden Tag gewisse Begriffe eingibt, und dann schaut, ob Nazi-Videos über den Server in den USA online gestellt worden sind. In einem solchen Fall könnte YouTube dann einfach einen Kommentar zu dem Video verfassen, in dem beispielsweise steht, dass das Unternehmen sich von den Inhalten des Beitrages distanziert. Und wenn ein Video veröffentlicht wurde, das gegen geltendes Recht verstößt, kann man dies doch auch am schnellsten feststellen, indem man selbst regelmäßig auf sein Portal schaut. Uns hat das fünf Minuten gekostet: Wir haben ein Schlagwort bei YouTube eingegeben und hatten alle möglichen Nazi-Videos.

Wie könnte so eine Kommentierung konkret aussehen – habt ihr da Ideen, Vorschläge?

Das muss dem Betreiber überlassen werden – YouTube kennt seine User natürlich am besten. Es gibt aber in Deutschland sicherlich genügend Leute, die YouTube da hilfreich beiseite stehen können. Experten, die sich tagtäglich mit dem Thema Rechtsextremismus auseinandersetzen, wie beispielsweise die Amadeu Antonio Stiftung in Berlin. YouTube kann auch gerne mit uns reden. Es ist nicht schwer miteinander zu reden und gemeinsam zu überlegen, was man da machen kann, was man einbauen kann, damit diese Videos nicht so veröffentlicht werden. Noch einmal: Wir wollen YouTube nicht angreifen! Wir wollen nur Aufmerksamkeit für ein Problem schaffen.

Es gibt nun die Meldung, dass die Staatsanwaltschaft gegen die Macher des von euch beanstandeten Videos bereits ermittelt. Schon ein Erfolg?

Wir haben ja noch nicht einmal eine Pressemitteilung herausgegeben. Wir haben nur eine Kurzmail mit einem Link und dem Ausdruck unserer Empörung an unseren Presseverteiler geschickt. Merkwürdigerweise bekamen wir darauf hin vom LKA in Hamburg den Hinweis, dass derzeit gegen die Menschen, die dieses Video hergestellt haben, ermittelt wird. Es werde umfassend geprüft, ob die Aufnahmen strafbare Inhalte hätten. Es könnte sich um Volksverhetzung handeln, heißt es. Ob das nun in Zusammenhang mit unserer Mail steht, wissen wir nicht. Wir begrüßen aber die Ermittlungen.

Gibt es schon eine aktuelle Stellungnahme von YouTube?

Laut der Nachrichtenagentur AP hat der Sprecher von YouTube betont, das Unternehmen an das geltende Recht in den jeweiligen Ländern halte. Man gehe jedem einzelnen Fall nach. Aber erst, wenn ein Video gegen die Richtlinien des Portals verstoße, könne es gelöscht werden.

Ihr berichtet auch von einem User, der Kommentare zu Nazi-Videos geschrieben hat, und bedroht wurde?

Es ist nicht, so, dass die Nazis jetzt jeden Kommentator ausfindig machen können – soviel Sicherheit gibt es hoffentlich im Netz! In dem Fall, der uns bekannt ist, wurde der Kommentator noch nicht direkt, persönlich bedroht, allerdings im Netz. Im Netz aber wurde er bereits bedroht. Und jetzt hat er die Befürchtung, dass, wenn die Nazis wirklich recherchieren, sie ihn womöglich über seine Domain ausfindig machen. Denn: Jemand, der den Mut hat, Kommentare gegen Nazi-Videos zu schreiben, kann durchaus Angst bekommen, wenn zwanzig Nazis ihm antworten: „Wenn wir dich erwischen, bist du tot“. Ich finde, auch da könnte der Betreiber drüber nachdenken, demjenigen, der so mutig ist, Kommentare zu schreiben, zu schützen. Und: Ich denke auch, der Betreiber sollte mit gutem Beispiel vorangehen, und, bevor ein User einen Kommentar schreibt, selbst einen entsprechenden Kommentar vor ein Nazi-Video setzen.

Das Interview führte Joachim Wolf, störungsmelder.org

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022), Erstveröffentlichung: störungsmelder.org.

Weiterlesen

sexusmus 3521838145_07b13ed4fc_o

Was ist das? Sexismus

Sexistische Zuschreibungen sind vor allem für Frauen oder alles, was als „typisch weiblich“ gilt, ein Nachteil: In Deutschland verdienen Frauen beispielsweise im Schnitt ca. 20 Prozent weniger als Männer für die gleiche Arbeit. Um sexistische Einstellungen zu verändern, müssen wir im Kopf anfangen.

Von|
Foto_Demo-Pro_NRW

NRW 2012 Verbote von Neonazi-Kameradschaften

Rechte Gewalt, organisierter Neonazismus, Rechtspopulismus, Rassismus und Antisemitismus gehören auch in Nordrhein-Westfalen zum Alltag. Die rechtspopulistische Partei „pro NRW“ bleibt…

Von|
Eine Plattform der