Die Aktion
Es war nur ein kleiner, fast unscheinbarer Aufruf, der sich gestern durch das Soziale Netzwerk Facebook verbreitete:
„Bitte mal alle MITMACHEN beim ONLINE FLASHMOB gegen die NPD!
Wie? 1. Seite aufrufen 2. Rechts oben auf das Zahnrad klicken 3. Klick auf „Seite melden“ 4. „Sonstiges“ auswählen 5. „Enthält Hassreden“ anklicken 6. Absenden. 7. Diesen Text kopieren. 8. Link teilen und diesen Text reinkopieren. Danke!“
Die NPD-Seite ist heute weg
Dem Aufruf scheinen allerdings etliche Leute gefolgt zu sein, wie nicht nur die Diskussionen zur Aktion auf der Pinnwand von www.facebook.com/netzgegennaz zeigen. Am heutigen Donnerstag, dem 29.03.2012, ist die Facebook-Präsenz der rechtsextremen Partei NPD nicht mehr zu erreichen. Dies gilt zwar nur für die bundesweite Seite, zahlreiche lokale NPD-Gruppen gibt es noch. Allerdings hatte die zuletzt rund 15.000 Fans und war ausgesprochen professionell aufgezogen: Sie nutze nicht nur die Pinnwand, sondern auch Foto- und Video-Funktionen, Chats und Einladungs-Apps, um möglichst viele Menschen mit ihrer menschen- und demokratiefeindlichen Ideologie zu erreichen (mehr dazu hier).
Was Facebook bisher tat
Das Unternehmen Facebook hatte dazu bisher die Einstellung, die NPD gewähren zu lassen, solange sie sich keine strafbaren Inhalte zuschulde kommen lassen. Da die NPD in Deutschland keine verbotene Partei sei, wolle man nichts gegen deren Seiten tun. Allerdings ist im letzten halben Jahr eine vermehrte Aufmerksamkeit im Facebook-Customer Care -Team zu bemerken, was Rechtsextremismus angeht. So wurden auch mehr oder weniger offene Nazi-Profile auf Facebook zuletzt in größeren Wellen gelöscht. Wenn die Nazis schlau genug waren, keine strafrechtlich relevanten Inhalte wie Bedrohungen, Holocaust-Leugnung oder Volksverhetzung einzustellen, gibt es noch Umwege, über die eine Meldung trotzdem erfolgversprechend ist: Wenn sich etwa eine Person für eine andere ausgibt (etwa NS-Größen oder „Paulchen Panther“) oder wenn Urheberrechtsverletzungen vorliegen, weil die Profil-Besitzer/innen Inhalte posten, an denen sie keine Rechte besitzen.
Nazi-Sicht: Schikane und „Faschismus-Keule“
Zu den Praktiken, die Nazi-Nutzer auf Facebook verärgern, gehören auch Strafen, keine Freundschaftsanfragen mehr verschicken zu können oder nicht mehr auf „Gefällt mir“ klicken zu können. So beschwerte sich NPD-Bundesvorsitzender Holger Apfel am Montag auf seiner Facebook-Seite: „Kranke Facebook-Welt…. Keine Freundschaftsanfragen verschickt und trotzdem heute die Mitteilung erhalten, daß ich für die nächsten 30 Tage wegen angeblich zuviel verschickter Anfragen gesperrt bin *kopfschüttel*“. Darunter gibt es 50 empörte Kommentare von Kameraden und Kameradinnen, die dieses „Schicksal“ offenbar teilen. So meint etwa Manfred K.: „es wird hier ständig gelöscht und schikaniert…“ Dennis W. meint: „Ich bin auch mal wieder für 14 Tage gesperrt..naja Nazzziiialllarm xD Das ist die Faschismus Keule der Facebook ( Jewbook ) Community!“ So mischt sich Antisemitismus gegen Facebook-Chef Mark Zuckerberg in die Nazi-Klage. Holger Apfel selbst bestätigte fast mitleiderheischend, es sei nun seit Dezember das dritte Mal, dass ihm so eine Sperre passiere.
Zur Löschung oder Sperrung der NPD-Seite gibt es bisher von Facebook kein Statement. Profan könnte die Erklärung für den Fakt sein, dass nicht nur die NPD-Seite von Facebook verschwunden ist, sondern auch die zahlreichen geteilten Aufrufe, sie zu melden. Da dies im großen und ganzen mit dem identischen Text passierte, der oben angegeben ist, könnten die Postings vom technischen System als Spam klassifiziert und gelöscht worden sein.
Update 30.03.2012: NPD-Seite ist wieder da
Die NPD-Seite auf Facebook ist wieder online. NPD-Pressesprecher Frank Franz schreibt dort (gewohnt pastoral): „Liebe Facebook-Gemeinde,
mit einem erneuten Angriff auf die Meinungsfreiheit wollten intolerante Nutzer die Löschung unserer Facebook-Seite erzwingen. Ein sog. Flashmob, bei dem Nutzer massenhaft Meldungen an Facebook senden, sollte unsere Seite von der virtuellen Landkarte tilgen. Als wir uns heute Mittag dazu entschlossen, die Seite selbst für einige Stunden vom Netz zu nehmen, brandete in vielen vermeintlich neutralen Blättern und Blogs der Republik Schadenfreude auf. […] Euer Flashmob war eine virtuelle Platzpatrone. Wir sind hier und hier bleiben wir auch. Wir gehen davon aus, daß Facebook seinen Idealen treu bleibt und nicht die ordentlichen Nutzer sperrt, sondern jene maßregelt, die das Facebook-Prinzip mit Füßen treten. Wir stehen für echte Meinungsfreiheit und ungehinderten Austausch, sofern sich alles in einem anständigen Rahmen bewegt. Wenn Mobbing gegen die Richtlinien von Facebook verstößt, dann ist die verkümmerte Flashmob-Aktion doch geradezu ein Paradebeispiel für einen Verstoß.“
Wie weit die „echte Meinungsfreiheit“ der NPD geht, weiß jede/r, der schon einmal versucht hat, einen kritischen Kommentar auf deren Pinnwänden zu hinterlassen – aber wird das ja jetzt anders?
Wenn man sich also von dieser Argumentationsumkehr erholt hat, in der sich eine demokratiefeindliche, rassistische Partei mit einer zumindest teilweise gewalttätigen Anhängerschaft sich als Hort der „Meinungsfreiheit“ darstellt, bleibt den demokratischen Userinnen und Usern wohl nur, an Facebook zu appellieren, ob es nicht endlich seine gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen und der NPD diese Propaganda-Plattform auf ihren Seiten nehmen will.
Und nun?
Mit der „echten Meinungsfreiheit“ ist es auf der NPD-Seite nicht weit her – was ja zu vermuten war. Sind dann kritische Kommentare erlaubt? Nein. Der von Belltower.news wurde gerade innerhalb von einer Minute gelöscht. Also: Damit können wir die Admins dort zumindest mal ins Schwitzen bringen: Ordentlich NPD-Seite zukommentieren – am besten unter eine Pseudonym-Account.
Neuester Stand (9:44 Uhr): Kommentare werden nicht gelöscht. Die ganze NPD-Seite ist schon mit Anti-NPD-Postings voll. Großartig!
11:48
Großartig! Die Pressestelle des Bundesjustizministeriums twitter gerade im Namen von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: „Facebook sollte NPD-Auftritt offline nehmen!“ (Twitter)
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