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„Ja, ich diskriminiere Rechtsextreme“

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Sebastian EHLERS (25), geboren in Schwerin, ist seit 2007 Landesvorsitzender der Jungen Union (JU) Mecklenburg-Vorpommern und sitzt im Landesvorstand der CDU. Er studiert in Rostock Politikwissenschaft und Öffentliches Recht und hat seit kurzem eine Tochter.

Haben Sie eine Deutschlandfahne am Auto?

EHLERS: Ja

METZ: Nein

Warum?

EHLERS: Ich bin glühender Fußball-Fan, und während der Europameisterschaft ist die Flagge ein schönes Zeichen der Verbundenheit mit dem deutschen Team. Aber auch jenseits solcher Großereignisse habe ich kein Problem damit, die Deutschlandfahne zu zeigen.

METZ: Ich kann damit nichts anfangen, Deutschland ist für mich kein Wert an sich. Die Bundesrepublik ist ein Gebiet, in dem ich Politik mache ? aber deshalb empfinde ich noch keinen Stolz gegenüber Deutschland, sondern nur gegenüber dem, was ich selbst schaffe oder mit mir nahe stehenden Menschen oder meiner Partei. Wenn schon eine Fahne, dann eine von den Jusos oder der SPD.

Herr Ehlers, womit fühlen Sie sich in Deutschland besonders verbunden?

EHLERS: Abgesehen von den schlimmen Dingen, die in der Geschichte passiert sind, haben wir ein Land, auf das man stolz sein kann! Und ich finde auch, dass man die schwarz-rot-goldene Fahne nicht den Rechtsextremen überlassen darf. Die Demokraten müssen die Deutungshoheit über diese Farben behalten. Unsere Landtagsfraktion hat deshalb zur EM kostenlos Deutschlandfahnen verteilt.

METZ: Natürlich wohne ich gern in diesem Land und finde es nett hier. Aber wirkliche Verbundenheit zeige ich eher mit der Kommune, in der ich lebe. Dort kann ich ja auch wirklich etwas mitgestalten. Ein Staat ist für mich kein Wert an sich. Werte sind zum Beispiel soziale Gerechtigkeit oder das Streben nach Freiheit und Emanzipation. Solche Dinge stehen für mich weit über dem Stolz auf eine Nation.

Sie sind beide Demokraten, sie beide engagieren sich gegen Rechtsextremismus. Was unterscheidet Sie?

EHLERS: Am wichtigsten ist vielleicht, dass wir bei der Jungen Union uns klar von jeglicher Form des Extremismus distanzieren. Ich will den Jusos jetzt nicht unterstellen, dass sie das nicht tun ? wir aber fokussieren nicht nur auf den Bereich Rechtsextremismus.

METZ: Unserer Meinung nach ist ?Extremismus? ein Kampfbegriff. Das hat man sehr schön gesehen bei der Kampagne gegen unsere neu gewählte Bundesvorsitzende, Franziska Drohsel: Die wurde von dem Rechtsaußen-Blatt ?Junge Freiheit? gestartet, aber auch JU-Mitglieder beteiligten sich daran. Franziska wurde wegen ihrer bloßen Mitgliedschaft bei der Roten Hilfe mit Linksradikalen gleichgesetzt.

EHLERS: Ich kenne den Verfassungsschutzbericht so, dass die Rote Hilfe als extremistisch eingestuft wurde.

METZ: Der Begriff ?Extremismus? wird von vielen Konservativen als Totschlagargument benutzt, beispielsweise gegenüber Leuten, die ein anderes ökonomisches System wollen, aber deswegen keineswegs Anti-Demokraten sind und auch nicht den Rechtsstaat abschaffen wollen. Ich finde es wichtig, im Kampf gegen Rechtsextremismus ein Menschenbild zu definieren, für das wir einstehen ? und nicht einfach nur abstrakt Rechtsstaat und Demokratie zu verteidigen.

Was macht dieses Menschenbild aus?

METZ: Dass alle Menschen gleich sind und gleiche Rechte haben: das gleiche Recht zu leben, das gleiche Recht auf Teilhabe.

EHLERS: Es geht beim Kampf gegen Extremismus aber schon darum, dass man den Rechtsstaat und die freiheitlich-demokratische Grundordnung schützt.

Wo ziehen sie die Grenze zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus?

EHLERS: Natürlich haben CDU und Junge Union konservative Elemente, das muss auch so sein. Aber wo es in den Extremismus abgleitet oder jemand sich mit der NPD verbunden fühlt, da ist Endstation.

Im vergangenen Jahr sind in Mecklenburg-Vorpommern JU-Mitglieder bei NPD-Demostrationen mitmarschiert…

? worauf wir sofort mit Ausschlussverfahren reagiert haben.

Wo sehen Sie die inhaltliche Grenze zwischen Konservativen und Rechtsextremisten?

EHLERS: Wir halten Heimatliebe und einen moderner Patriotismus hoch, aber wir stehen für Pluralismus und lieben andere Völker ? das unterscheidet uns eindeutig von Rechtsextremen.

Herr Metz, die NPD kritisiert Hartz IV, gibt sich antikapitalistisch und kopiert in der Rhetorik linke Gruppen. Wie grenzen Sie sich als Juso davon ab?

METZ: Ich sage ganz einfach, dass der Antikapitalismus von rechts kein Antikapitalismus im eigentlichen Sinne ist. Die NPD will gar nicht das ökonomische System überwinden, sondern eine zutiefst kapitalistische Ordnung namens ?Nationalen Sozialismus? installieren. Die NPD mit ihrer rassistischen Ideologie will lediglich einer bestimmten Gruppe von Menschen das Recht nehmen, marktwirtschaftlich zu agieren. Auch der historische Nationalsozialismus war ja untrennbar mit der Ausbeutung von Menschen verbunden: Wertvoll war damals nur noch der deutsche Arbeiter, Zwangsarbeiter galten als unterste Kaste der Gesellschaft. Wir als Jusos aber wollen, dass alle Menschen ? egal ob Migranten oder Einheimische, egal ob Männer oder Frauen ? von Unterdrückung befreit werden.

Wie sollte man mit der NPD umgehen, wenn sie erst einmal im Kommunalparlament oder im Landtag sitzt?

EHLERS: Im Schweriner Landtag haben die anderen Parteien vereinbart, dass Anträge der NPD grundsätzlich abgelehnt werden und immer nur ein Redner der Demokraten antwortet. Man darf die NPD nicht wichtiger machen, als sie ist ? muss aber zugleich die inhaltliche Auseinandersetzung suchen und die Ideologie der NPD anhand ihrer Anträge entlarven. So sollte auch der Ansatz für die kommunale Ebene sein. Aber natürlich ist es dort schwieriger, denn ehrenamtliche Gemeinderäte haben viel weniger Zeit und sind oft mit den Rechtsextremisten überfordert. Hier müssen die Parteien ihre Mitglieder fit machen.

Und wenn die NPD etwas fordert, was auch die anderen Parteien wünschen ? mehr Geld für Schulen beispielsweise?

EHLERS: Es bringt nichts der NPD zuzustimmen, selbst wenn sie ab und zu scheinbar sinnvolle Dinge fordert. Demokraten müssen sich strikt abgrenzen. In Mecklenburg-Vorpommern versucht die NPD verstärkt, sich bei Bürgerinitiativen einzuschleichen, etwa beim Thema Gentechnik. Da muss man den Menschen sagen: ?Wenn Ihr Rechtsextemisten bei euch duldet, kriegt ihr große Probleme.? Wir selbst müssen aber auch mehr in die Öffentlichkeit gehen, auch an Orte, wo es wehtut ? und nicht nur in Hinterzimmer sitzen und Politik machen.

METZ: Wir müssen genau die Themen aufgreifen, die den Leuten unter den Nägeln brennen ? denn sonst werden sie von der NPD vereinnahmt. Zweitens sollte man eine Werte-Debatte anstoßen. Ich sage deutlich: Ja, ich diskriminiere Rechtsextreme. Aber man muss immer dazu sagen, warum: Die NPD gehört nicht ins politische Spielfeld, weil sie sich nicht zu den Menschenrechten bekennt.

Sie wollen die NPD im Parlament ausgrenzen, obwohl sie demokratisch gewählt wurde?

METZ: Das ist natürlich schwierig zu vermitteln, aber demokratisch kann auch heißen: mit denen nicht. Demokratisch heißt, die Demokratie verteidigend. Stellt eine Partei sich bewusst außerhalb des humanistischen Grundkonsenses, kann es keine Zusammenarbeit geben.

EHLERS: Im Schweriner Landtag zeigt die NPD regelmäßig, wo sie steht. Beispielsweise weigerte sie sich, bei der Gedenkminute für die Opfer des Nationalsozialismus aufzustehen. Mit den Wählern aber sollte man anders umgehen ? die darf man nicht verdammen, sondern sollte sie für die Demokratie zurückgewinnen.

Die NPD tritt in ihren Wahlkämpfen immer offensiver auf. Wie sollten Demokraten darauf reagieren?

EHLERS: Wenn die NPD einen Infostand aufbaut, müssen demokratische Parteien Gegenwind erzeugen. Wenn die dort mit zehn Personen auftauchen, muss ich sicher gehen, dass wir mit 20 oder 30 Leuten daneben stehen und Wahlkampf machen.

METZ: Wenn die NPD irgendwo auftaucht, müssen die demokratischen Parteien dort sein und zeigen: ?Das ist unser Platz?.

In der Provinz ist von den demokratischen Parteien oftmals nicht viel zu sehen. In Vorpommern zum Beispiel gibt es weniger JU- oder Juso-Mitglieder als die Neonazi-Jugendszene Anhänger hat.

EHLERS: Ich will gar nicht verhehlen, dass wir besonders im ländlichen Raum ein strukturelles Problem haben. Auch unsere Mutterparteien verlieren Mitglieder.

METZ: Ja, die Jusos sind im ländlichen Raum nicht die attraktivste Jugendorganisation. Wir sind über die Jahre immer studentischer geworden, viele unserer Debatten wirken deshalb wohl abschreckend. Das typische Juso-Mitglied geht halt irgendwann in die großen Städte zum Studium oder zur Ausbildung. Und wir schaffen es bisher nicht, die anderen anzusprechen.

EHLERS: In den neuen Ländern kommt die Bindungsangst erschwerend hinzu ? da sagen viele Eltern bis heute zu ihren Kindern: ?Geh bloß nicht in eine Partei!? Die Rechtsextremen machen lieber Spaß- und Spiel-Angebote, politische Agitation kommt erst später.

METZ: In Thüringen sticht ein ländlicher Juso-Kreisverband vorbildlich heraus ? da kommen bis zu 40 Leute in die Versammlungen. Interessanterweise ist das Hauptthema des Verbandes der Kampf gegen Rechtsextremismus ? die Jusos bilden dort sozusagen die lokale Antifa.

Rechtsextremismus wirkt also mobilisierend?

METZ: Absolut! Die jungen Leute, vielleicht 14 Jahre alt, sind in ihrem Dorf oft die einzigen, die Punkbands wie Die Ärzte hören. Sie werden von Rechtsextremen diskriminiert und bedroht, und dann kommen wir Jusos und sagen: ?Wir machen jetzt zusammen was.? Manchmal ist ein Engagement bei uns ein Mittel gegen die alltägliche Angst vor Neonazis.

Warum setzen Sie nicht ? wie die Rechtsextremisten ? auf Zeltlager und Lagerfeuer?

EHLERS: Vor Ort versuchen wir bereits, dass die Hälfte unserer Arbeit Freizeitangebote sind. Ich glaube, dass man viele der Mitläufer von rechtsextremen Gruppen durchaus noch erreichen kann. Aber ein Landesverband hat einen anderen Anspruch, da geht es um Politik. Die Junge Union ist nicht irgendein Kegelverein, der zum Halli-Galli einlädt.

Ist Demokratie längst ein Eliten-Thema geworden?

METZ: Diskussionen um Demokratie oder das Grundgesetz sind tatsächlich eher Eliten-Themen. Deshalb ist es ja so wichtig, dass Demokraten auch verständlichere Themen besetzen und zeigen, dass sie keine abgehobenen Menschen sind.

EHLERS: Man muss den Menschen in den neuen Bundesländern ins Bewusstsein rufen, dass es Meinungs- und Reisefreiheit ohne die Demokratie nicht gäbe.

Was sollte ein Demokrat tun, wenn in seiner Stadt ein Naziaufmarsch ansteht?

EHLERS: Man sollte nicht nur eine Protestveranstaltung dagegen machen, sondern auch für etwas sein: für Demokratie, für Toleranz und für Weltoffenheit. Man muss sich aber auch klar von jenen Linksautonomen distanzieren, die nur Steine werfen wollen.

Nicht jeder linke Autonome ist ein Steinewerfer und umgekehrt.

EHLERS: Wenn jemand friedlich demonstriert ist das für mich völlig in Ordnung.

Wenn es gewaltlos bleibt, können sie sich also vorstellen, mit der Antifa gemeinsam gegen die NPD zu demonstrieren?

EHLERS: Ja, solange es friedlich bleibt und deutlich wird, dass man sich für Menschenwürde und Demokratie einsetzt. Aber natürlich würde ich mich nicht in eine Reihe mit dem Schwarzen Block stellen ? obwohl, mit unserem Slogan ?black is beautiful? sind wir ja eigentlich der wahre Schwarze Block. (lacht)

Was halten Sie von Sitzblockaden als Form des zivilen Ungehorsam?

METZ: Ich habe mal 2007 in Erfurt an einer sehr erfolgreichen Sitzblockade teilgenommen, wo sehr viele Bürger gemeinsam die NPD daran gehindert haben, durch die Stadt zu laufen. Das halte ich für eine großartige Form des demokratischen Widerstandes.

EHLERS: Also ich habe noch nie bei einer Sitzblockade mitgemacht. Ich sage mal, dass ist nicht gerade meine Art des Protestes.

Das Interview führten Johannes Radke und Toralf Staud

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