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Schleswig-Holstein 2011 Legitimationsstrategie im Landtagswahlkampf

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Für Schleswig-Holstein stand uns diesmal Claus-Helge Godbersen von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zur Verfügung. Er ist erster Berater im Beratungsnetzwerk Rechtsextremismus Schleswig-Holstein.

Was waren die wichtigsten Ereignisse in Schleswig-Holstein 2011, bezogen auf Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus?

Das wichtigste Ereignis der rechtsextremen Szene in Schleswig-Holstein war der Lübecker „Trauermarsch“ am 26. März, bei dem der Opfer des „Bombenterrors“ der Alliierten im Zweiten Weltkrieg gedacht werden sollte. Dabei gelang es den Rechtsextremen allerdings nur, rund 250 Personen zur Teilnahme zu mobilisieren ? im Jahr 2009 waren es noch 325 Teilnehmer gewesen. Leider gab es auch bei der Koordination der Gegenproteste einige Schwierigkeiten. Die relativ geringe Beteiligung der Rechtsextremen ist jedoch als Erfolg zu werten.

Im Allgemeinen zielt die Strategie der Freien Kräfte und der NPD in Schleswig-Holstein darauf ab, sich als „legitime“ Jugendkultur zu präsentieren bzw. als bürgerliche Wahlalternative aufzutreten. Entsprechend wird versucht, mit gewaltfreien Mitteln auf sich aufmerksam zu machen. Die Kooperation zwischen Partei und dem Umfeld der „Freien Kameradschaften“ funktioniert in Schleswig-Holstein ziemlich reibungslos. In den öffentlichen Bereichen des Internets wird nur wenig Kritik an der Partei geäußert.

Seit dem Herbst hat die NPD den Wahlkampf für die anstehende Landtagswahl 2012 in Angriff genommen. Dazu nutzte sie vor allem Informationsstände in den Städten, die sowohl von NPD-Mitgliedern als auch Personen aus dem Umfeld der „Freien Kräften“ und Kameradschaften betrieben wurden. An dieser Stelle zeigt sich noch einmal der Zusammenhalt zwischen Partei und parteilosem Umfeld. Der NPD gelang es, in fast allen Wahlbezirken mindestens einen Kandidaten aufzustellen. Die Verringerung der Anzahl der Wahlbezirke in Schleswig-Holstein, die in einer Wahlbezirksreform durchgeführt wurde, kam der Partei bei diesem Unterfangen entgegen. Auch werden Schulungen unter anderem in der rechtsextremen Szenekneipe „Titanic“ in Neumünster durchgeführt.

In die Strategie der Rechtsextremen passt auch das Engagement einer Deutsch- und Englisch-Lehrerin in Bredstedt. Deren propagandistischen Tätigkeiten für NPD und Freie Kräfte in ihrer Schule waren im März aufgeflogen. So hatte die Lehrerin versucht, mindestens einen Jugendlichen für ihre Ideologie zu gewinnen. In der Schule sprach sie den Jugendlichen gezielt an und gab Informationsmaterial weiter. Auch in der Freizeit hielt sie über soziale Netzwerke den Kontakt aufrecht und warb für rechtsextreme Veranstaltungen. Darüber hinaus hatte die Lehrerin unter Verwendung eines Pseudonyms Texte für rechtsextreme Webseiten geschrieben. Zurzeit laufen die Ermittlungen, die Lehrerin ist bis auf Weiteres beurlaubt.

Ein besonderes Ereignis stellt ebenso der Überfall von Rechtsextremen auf einen Informationsstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) am 1. Mai in Husum dar. Mit der Legitimationstaktik der Szene wurde in diesem Fall gebrochen. Die Polizei ermittelt wegen Landfriedensbruchs. Es wurden mehrere Wohnungen durchsucht.

Die „Freien Kräfte“ und Kameradschaften sind nicht nur in Schleswig-Holstein aktiv. Im Zuge der „Trauermärsche“ waren sie unter anderem in Dresden, Magdeburg und Bad Nenndorf, aber auch auf einer Demonstration in Dortmund vertreten. Als Rückzugsräume stehen ihnen in Neumünster weiterhin der „Club 88“ und die Gaststätte „Titanic“ zur Verfügung. Der Club feierte in diesem Jahr sein 15-jähriges Bestehen. Im nördlichen Bereich des Bundeslandes macht die Szene vor allem mit einer stets sehr aktuellen Internetseite auf sich aufmerksam, beispielsweise im Raum Lübeck und Ratzeburg geht die Aktivität jedoch merklich über die virtuelle Ebene hinaus. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Vernetzung der „autonomen nationalen Sozialisten Stormarn“ mit der rechtsextremen „Division Franken“. Die Gruppen unternahmen Mitte des Jahres zwei „Kulturausflüge“. So fuhren beide Gruppen im Juli zum Leipziger Völkerschlachtdenkmal, im August luden die Stormarner zum Austausch nach Schleswig-Holstein.

Insgesamt kann für 2011 festgestellt werden, dass die rechtsextreme Szene in Schleswig Holstein für größere Aktionen auf Verstärkung aus den benachbarten Bundesländern Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern angewiesen war.

Was erwarten Sie für 2012?

Vor dem Hintergrund des Wahlkampfes in Schleswig-Holstein sollte auch die zukünftige Entwicklung der Projektförderung eine stärkere Rolle spielen. Wünschenswert wäre eine langfristige Bereitstellung von Landesmitteln für die Verstetigung von Projektarbeit gegen Rechtsextremismus. Die Mittel der lokalen Aktionspläne werden derzeit ausschließlich von Seiten des Bundes bereitgestellt. Eine solche Forderung findet sich auch in den Wahlprogrammen einiger Parteien.

Das Gespräch führte Jan Rathje

Mehr im Internet:

| Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

Jahresrückblicke 2011

| Baden-Württemberg: Gewalttätige und bewaffnete Nazi-Strukturen
| Berlin: Brandanschläge und verheimlichte Demonstrationen
| Brandenburg: „Spreelichter“ und „Unsterbliche“
| Hamburg: Rechtsextreme PR-Offensive
| Sachsen: Ein Todesopfer, eine Terrozelle und viele Nazi-Events
| Schleswig-Holstein: Legitimationsstrategie im Landtagswahlkampf

2010

| Jahresrückblick 2010: Rechtsextreme in Schleswig-Holstein zwischen Rockerszene und „FPÖisierung“

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