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Jahresrückblick 2016, Brandenburg Die Aufdeckung der „Nauener Zelle“ und die Folgen

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Potsdamer Patrioten am "Patriotentag". Statt der angemeldeten 700 kamen rund 50 Islamfeinde. (Quelle: Danny Frank)

Interview von Simone Rafael mit Joschka Fröschner von Opferperspektive e.V.

Was war ein beispielhaftes wichtiges Ereignis im Bereich Rechtsextremismus in Brandenburg?

Wir denken selten in Ereignissen – aber es gab eines für 2016, dass uns eingefallen ist: Die Aufdeckung der „Nauener Zelle“, also jener neonazistischen Gewalttäter, die sowohl in der NPD als auch in den brandenburgischen Kameradschaftsstrukturen aktiv waren und in diesen Strukturen klandestin Anschläge in Nauen vorbereitet und durchgeführt haben, darunter ein Brandanschlag auf eine Turnhalle, die zur Flüchtlingsunterkunft umgebaut werden sollte,  das Anzünden eines Autos aus rassistischen Motiven, Farbbeutelwürfe und Sachbeschädigung am Büro der Linken und ein Graffiti. Kopf ist der NPD-Politiker Maik Schneider, vier weitere Personen sind unter Verdacht.  Selten lässt sich der Organisationsgrad solcher Anschlagsserien so deutlich nachweisen.

Des weiteren stellen wir eine Entkopplung von rassistischer Mobilisierung und rassistischen Angriffen statt: Während die Zahl rassistischer und flüchtlingsfeindlicher Demonstrationen in Brandenburg 2016 stark zurückgegangen ist, steigt die Zahl rassistischer Angriffe weiter an. Es braucht die Demonstrationen also offenbar nicht mehr, um Menschen zu motivieren, ihren Rassismus auch in Gewalt umzusetzen.  Ein Beispiel dafür: Im April 2016 gab es einen Übergriff in Fürstenwalde. Hier lebt eine aus Nigeria stammende Frau,  die lange von ihrem Nachbarn rassistisch gemobbt wurde, bis er sie gar im Treppenhaus zusammengeschlagen hat, so dass die Frau im Krankenhaus behandelt werden musste. Am Tag, als sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, bedrohte er sie erneut – mit dem Tod. So ein Übergriff im Wohnumfeld, wo man sich eigentlich sicher fühlen möchte, ist für die Betroffenen besonders schwer zu verarbeiten.  Oft fürchten sie sogar: Wenn ich den Täter nun anzeige, macht ein anderer Nachbar weiter. Dies ist eine Folge von erlebtem Alltagsrassismus. Zugleich zeigt die Tat, wie groß der Vertreibungswille des Täters ist: Obwohl ja klar war, dass es für die Tat Strafverfolgung geben würde, weil der Täter ja bekannt ist, erscheint es dem Täter trotzdem sinnvoll, die Gewalttat zu verüben. Der Prozess zum Übergriff ist noch nicht terminiert. Immerhin hat die Hausverwaltung schnell reagiert und den rassistischen Täter vor die Tür gesetzt,  so dass das Opfer nicht weiter neben ihm wohnen muss.

Was sind die Folgen?

 

Viele der rassistischen Gewalttaten, mit denen wir in der Beratung zu tun haben, richten sich gegen Geflüchtete. Im öffentlichen Raum in Brandenburg können sich Menschen, die als Geflüchtete angesehen werden, kaum sicher fühlen. Wir sprechen von Menschen, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um nach Deutschland zu kommen, auf der Suche nach Ruhe und Frieden.  Nun trauen sie sich wieder nicht, hinauszugehen und ihre Unterkunft zu verlassen, weil sie Angst vor Gewalt haben. Denn immer noch finden die meisten Angriffe im öffentlichen Raum statt, oft aus Gruppen von mehr als zwei Personen heraus, und oft spontan, also ungeplant: Man trifft sich am Bahnsteig, an der Bushaltestelle, und die rassistische Gewalt  entlädt sich ohne jeden Aufhänger, nur durch Anwesenheit. An manchen Orten sind das Neonazis, an anderen haben wir es mit rassistischen Gelegenheitstätern zu tun.

Was war in Brandenburg die wichtigste Gruppierung im Bereich Rechtsextremismus?

Der „III. Weg“ baut in Brandenburg seine Strukturen auf und aus. Seit es einen Stützpunkt in der Uckermark gibt, sieht man bekanntere Neonazis vermehrt in T-Shirts mit „III. Weg“-Logo herumlaufen. Offenbar bietet der „III. Weg“ aktuell das aktivste Bewegungsangebot für Neonazis. Die „Freien Kräfte Neuruppin / Osthavelland“, die im vergangenen Jahr den neonazistischen „Tag der deutschen Zukunft“ nach Brandenburg geholt hatten, waren in diesem Jahr sehr still – wohl, weil es auch hier Bezüge zur „Nauener Zelle“ gab. In Cottbus sehen wir viele Neonazis, die sich in der Hooligan- und Ultra-Szene des FC Energie Cottbus organisieren, darunter auch Menschen aus dem Umfeld des verbotenen „Widerstands Südbrandenburg / Spreelichter“. Damit einher geht eine steigende Zahl von Übergriffen in Cottbus – 2015 waren es 28, 2016 kommen wir auf fast 40 Übergriffe.  Diese sind weniger spieltagsbezogen, sondern oft rassistisch oder politisch motiviert.  Beispielhaft sei der Angriff auf die linksalternative Kneipe „Chekov“ genannt, die neben dem Stadion liegt. Hier wurde eine Feier  von  Student_innen angegriffen, von zwanzig bewaffneten Menschen aus der Neonazihooliganszene des FC Energie. Eine Person wurde zusammengeschlagen, andere bedroht. Die Angreifer wollten zeigen, dass sie rein körperlich alles durchsetzen können, was sie wollen.  Zwölf von ihnen sind inzwischen identifiziert.

 

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