Das Jahr 2021 war in Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der Pandemie eher ereignisarm. Die größte rechtsextreme Demonstration fand am 1. Mai in Greifswald statt. Dort folgten rund 300 Rechtsextreme dem Aufruf der NPD. Ansonsten war das Jahr durch die Landtagswahl, die zeitgleich mit der Bundestagswahl stattfand, geprägt.
Die Landtagswahl
Als Mitte September der Schweriner Landtag neugewählt wurde, musste die AfD große Verluste verzeichnen. Mit 16,7 Prozent verlor sie im Vergleich zur letzten Wahl über vier Prozentpunkte, blieb aber hinter der SPD (39,6 Prozent) zweitstärkste Kraft. Wie in der vorherigen Legislaturperiode bleibt der Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer. Dieser war bis zu seiner formellen Auflösung klar dem Flügel zuzuordnen. Bei dem Rest der Fraktion sieht das allerdings anders aus. Viele prominente Anhänger des Flügels verloren ihre Mandate, nun sitzen neun Personen neu für die AfD im Landtag. Bisher treten diese gemäßigter als ihre Vorgänger in Erscheinung, für die ostdeutschen Bundesländer bildet das einen Sonderfall. Diese Entwicklung hängt maßgeblich mit dem Landesvorsitzenden Leif-Erik Holm zusammen, der in der Vergangenheit viele Parteiausschlussverfahren bemühte. Auch dadurch ist der Landesverband intern zerstritten. So haben sich unterschiedliche Lager gebildet, die untereinander teilweise verfeindet sind. Ein gemeinsames Agieren ist daher nur schwer möglich
Die NPD, die zehn Jahre bis 2016 im Landtag saß, scheiterte an ihrem Versuch des Wiedereinzugs. Für diese Mission wurde extra der Bundesvorsitzende Frank Franz zum Spitzenkandidaten erkoren, obwohl dieser eigentlich im Saarland wohnt. Allerdings half auch dessen Wahlkampftour durch Mecklenburg-Vorpommern nichts. Die Rechtsextremen generierten kaum öffentliche und mediale Aufmerksamkeit. Und so war der weitere Absturz vorprogrammiert. Die Partei konnte lediglich 0,8 Prozent der Wähler:innen hinter sich vereinen, 2016 waren es noch drei Prozent.
Anders war es bei „Die Basis“. Die Partei aus dem „Querdenken”-Milieu erreichte 1,7 Prozent, was wohl auch mit den vielen Demonstrationen aus dem Spektrum in Rostock zusammenhängt. Die Verschwörungsfreund:innen schafften damit den Sprung über die Ein-Prozent-Hürde und dürfen sich nun über die Teilnahme an der staatlichen Parteienfinanzierung freuen. Dass der ehemalige SPD-Politiker Wolfgang Wodarg Spitzenkandidat war, dürfte wohl auch zum Wahlerfolg beigetragen haben. Politische Relevanz hat die Partei bis dato aber keine.
Die Anti-Corona-Proteste in Mecklenburg-Vorpommern
Vor allem in Rostock gab es viele Proteste, diese büßten aber mit der Zeit bis in den November immer mehr an Teilnehmenden und Relevanz ein. Ab Dezember konnten diese aber, wie es auch im Rest der Republik zu beobachten war, wieder deutlich mehr Teilnehmer:innen auf die Straßen mobilisieren. Parallel mit der bundesweiten Entwicklung verlief die Radikalisierung. In zahlreichen Telegram-Gruppen konnte diese festgestellt werden. Die Demonstrationen setzten sich zum Großteil aus dem bürgerlichen Spektrum zusammen, trotzdem gab es häufiger tätliche Angriffe gegenüber Pressevertretern und der Polizei. Einige Landespolitiker:innen erhielten bereits Morddrohungen aus der „Querdenken”-Szene.
Die größte Demonstration fand Ende Dezember in Rostock statt, die Polizei sprach von 10.000 Teilnehmer:innen. Auch rechtsextreme Kreise versuchten auf den Erfolgszug der Corona-Demonstrationen aufzuspringen. So nannten sich Rechtsextreme in Anlehnung an die „Querdenken”-Szene „Freidenker“ und veranstalteten im Frühjahr in Anklam mehrere Protest-Aktionen mit einer großen Neonazi-Beteiligung. Als der gewünschte Erfolg aber ausblieb, wurden diese schnell wieder eingestellt.
Die Reichsbürger:innen in Mecklenburg-Vorpommern
Aufgrund eines sogenannten „Radikalenerlasses“ konnten in der Vergangenheit Rechtsextreme für das Kandidieren für öffentliche Ämter abgehalten werden. Bei der Bürgermeisterwahl im April in Demmin war das nicht der Fall. 23,5 Prozent konnte ein Reichsbürger als einer von drei Kandidierenden hinter sich versammeln. Dieser zählte früher zu der Reichsbürger-Gruppierung „Freistaat Preußen“, hatte sich laut eigener Aussage aber rund eineinhalb Jahre vor der Wahl dort zurückgezogen. Eine ideologische Trennung von der Reichsbürger-Szene war das allerdings nicht, wie auf seinem Facebook-Profil zu erkennen war. Obwohl das bekannt war, gab fast jeder vierte Wählende ihm seine Stimme
Maik Geikler gilt als einer der aktivsten Reichsbürger Mecklenburg-Vorpommerns. „Großherzog Friedrich Maik“, wie er sich selbst bezeichnet, hat einen eigenen Online-Shop und sogar eine App. Der auf Social-Media sehr aktive Reichsbürger hatte dieses Jahr allerdings auch zu kämpfen. Aufgrund interner Zerwürfnisse verlor der „Großherzog“ seinen Telegram-Kanal, dort hatte er eine Community mit 20.000 Follower:innen aufgebaut.
Erneuter Anschlag auf Demokratie-Bahnhof
Der Demokratiebahnhof in Anklam bleibt weiterhin Zielscheibe von Anschlägen. Bereits 2017 warfen zwei Jugendliche Molotow-Cocktails auf das Jugend- und Kulturzentrum, in dem Jugendliche schliefen. Im März dieses Jahres gab es erneut einen Anschlag. Fenster wurden zerstört, eine Tür wurde eingetreten und homo- und transfeindliche Beleidigungen auf die Fassade geschmiert. Die Initiative „Queer in Anklam“, die das Kulturzentrum auch als ihre Adresse angegeben hat, hatte wenige Tage zuvor ihr Treffen dort. Die Ermittlungen haben allerdings noch keine Ergebnisse geliefert.
Schlag gegen die rechtsextreme Szene
Ein großer Schlag gegen die rechtsextreme Szene gelang durch das Verbot der Gruppe „Aktionsblog“, die vor allem im Raum Rostock und Güstrow aktiv war. Das Verbot gegen die Gruppe, die früher „Nationale Sozialisten Rostock“ hieß, lag schon seit längerer Zeit in der Luft. Auch ihre Teilorganisation „Baltik Korps“ wurde verboten, diese fungierte als Kampfsportabteilung der Kameradschaft. Infolge des Verbots kam es im Juni zu vier Hausdurchsuchungen in Rostock, Güstrow sowie im Bereich Wismar. In den Wohnungen, beziehungsweise Arbeitsstätten wurden NS-Devotionalien, mehr als tausend Tonträger mit rechtsextremer Musik, sowie ein Elektroschocker und mehrere Reizstoffsprühgeräte festgestellt.
Ehemaliger AfD-Abgeordneter kehrt an die Uni Greifswald zurück
Zu größeren Protesten von Studierenden kam es, als der ehemalige AfD-Landtagsabgeordnete Ralph Weber nach seiner Abgeordnetenzeit seinen vorherigen Job als Rechts-Professor wieder antrat. Weber hatte aufgrund interner Zerwürfnisse keinen Listenplatz zur Landtagswahl bekommen und verließ die AfD. Vor dem alten Audimax versammelten sich rund 600 Demonstrant:innen, während drinnen Weber seine erste Vorlesung hielt. Das Studierendenparlament der Universität Greifswald hatte sich in einer einstimmig gefassten Stellungnahme kritisch zur Rückkehr Webers geäußert. Darin warf das studentische Gremium dem Jura-Professor vor, rechtsextremes Gedankengut zu vertreten. Eine Forderung der Studierenden wurde inzwischen erfüllt. Der Hochschule zufolge bietet ein anderer Professor ein gleichwertiges Alternativangebot an. Damit müssen Studierende nicht zwangsläufig Webers Vorlesung besuchen. Weber, der dem „Flügel“ zuzuordnen war, ließ in der Vergangenheit den früheren Sänger der offen nationalsozialistischen und antisemitischen Band Hassgesang, promovieren und veranstaltete eine rechtshistorische Vorlesung, in der ein Vertreter der Reichsbürgerbewegung sprechen durfte.
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