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Jahresrückblick 2024 In der Offensive – Die extreme Rechte

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Die AfD ist in der Offensive und mit ihr die extreme Rechte. (Quelle: picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer)

Dieser Text stammt aus dem „Jahresrückblick 2024: Wie die AfD und ihre rechtsextremen Netzwerke die Demokratie angreifen. Wo Gegenwehr wirkt.“ vom Bundesverband Mobile Beratung.

Die AfD ist etabliert

Die extrem rechte AfD ist auf dem Höhenflug: In Ostdeutschland ist sie 2024 fast flächendeckend zur stärksten bzw. zweitstärksten Kraft geworden. Große Teile der Bevölkerung fühlen sich von ihren Themen, ihrem Personal und ihrem Stil angesprochen. Auch in Westdeutschland wählen viele Menschen die Partei nicht trotz, sondern wegen ihrer Radikalität.

Inhaltlich setzte die AfD 2024 vor allem auf die Themen Flucht, Migration, Islam und Queerfeindlichkeit. Offensiver als in den Vorjahren forderte sie unter dem neurechten Schlagwort „Remigration“, massenweise Menschen abzuschieben. Auch die islamistischen Anschläge in Mannheim und Solingen nutzte sie für ihre rassistische Agenda. Besonders in Ostdeutschland stellte die AfD ihre pro-russische Haltung heraus und versuchte zugleich, sich als „Friedenspartei“ zu inszenieren. Mit Parolen wie „Der Osten macht’s“ betonte sie eine ostdeutsche Identität. Zudem hetzte die AfD stärker als in den Vorjahren gegen Menschen und Projekte, die sich für die Demokratie engagieren: Sie forderte die Streichung von Geldern – etwa beim Landesjugendring Brandenburg – und instrumentalisierte das „Neutralitätsgebot“, um demokratische Stimmen zu verunsichern und letztlich mundtot zu machen.

Neben eigenen Kundgebungen, Infoständen und Bürgerdialogen versuchte die AfD auch, Veranstaltungen anderer Akteure als Plattform zu nutzen. Dazu zählen die Bauern- und Mittelstandsproteste Anfang des Jahres, Demonstrationen gegen Geflüchtetenunterkünfte und Aktionen gegen die Windkraft. Ihre Präsenz zahlte sich aus: Bei der Europawahl wurde die AfD in Ostdeutschland mit Abstand stärkste, bundesweit zweitstärkste Kraft. Bei der Landtagswahl in Thüringen erreichte sie die meisten Stimmen, in Sachsen und Brandenburg belegte sie knapp hinter der CDU bzw. der SPD den zweiten Platz. Auch bei den Kommunalwahlen konnte die AfD ihren Einfluss ausbauen: In den ostdeutschen Bundesländern erreichte sie zwischen 25,6 und 28,1 Prozent der Stimmen und stellt nun in zwei Dritteln aller Kreistage und Stadträte in kreisfreien Städten die meisten Mitglieder. In den drei westdeutschen Bundesländern, in denen 2024 Kreistage gewählt wurden, kam die AfD auf 10,4 bis 14 Prozent der Stimmen.

Durch das Erstarken der AfD lassen sich immer schwerer demokratische Mehrheiten bilden. Die Spielräume demokratischer Parteien sind wesentlich kleiner geworden, die Hürden für eine Zusammenarbeit mit der AfD insbesondere auf kommunaler Ebene weiter gesunken. Zugleich haben demokratische Politiker*innen selbst zum Erfolg der AfD beigetragen, indem sie ihre Forderungen übernommen und es der Partei so ermöglicht haben, auch ohne Regierungsbeteiligung Einfluss zu nehmen.

Im Windschatten der AfD: Andere extrem rechte Strukturen

Den Aufwind der AfD nutzten zahlreiche andere extrem rechte Gruppen, um sich als politische Akteure
zu profilieren. Sie verfolgen zum Teil unterschiedliche Strategien, sind aber untereinander vernetzt:

  • Die regionale Neonazipartei „Freie Sachsen“ tritt offen rechtsextrem auf und konnte bei der Kommunalwahl in Sachsen Mandate in allen Kreistagen und in mehreren Gemeindevertretungen erlangen.
  • Die Partei „III. Weg“ sowie die „Jungen Nationalisten“ (JN) – Jugendorganisation der Partei „Die Heimat“ (ehemals NPD) – organisierten Wanderungen, Zeltlager und Kampfsportveranstaltungen, um vor allem junge Männer an sich zu binden.
  • 2024 traten neue Neonazi-Gruppen in Erscheinung, die von Jugendlichen getragen werden und im Sommer gegen die „Christopher Street Days“ mobilisierten. Die bekanntesten sind „Jung und stark“
    und „Deutsche Jugend voran“. Ein ebenfalls relativ neues Phänomen sind sogenannte Active Clubs, eine Organisationsform für gewalt- und kampfsportaffine Neonazis.
  • Rechtsrock, Kampfsport und Rocker-Gruppen waren auch 2024 wichtige Teile der subkulturell geprägten rechtsextremen Szene. Sie agierten weitgehend im Verborgenen und bieten insbesondere für militante Neonazis wichtige Bezugspunkte.
  • Die „Identitäre Bewegung“ (IB) feierte 2024 ihr 10-jähriges Bestehen, hat jedoch ihre Bedeutung als bundesweite Kaderorganisation verloren. Die wenigen, vor allem regional aktiven Gruppen wie in Bayern oder Baden-Württemberg sind teils eng mit der Jugendorganisation der AfD verbunden. In Chemnitz betreibt die IB seit Ende 2023 ein eigenes „Zentrum“, in dem 2024 regelmäßig Veranstaltungen stattfanden.
  • Einflussreicher als die IB selbst sind die Verlage, Medien- und sonstigen Projekte, die aus der IB hervorgegangen sind: Sie haben sich 2024 weiter professionalisiert und unterstützen die AfD als „politisches Vorfeld“. Ein Beispiel ist das Hip-Hop-Label „Neuer Deutscher Standard“ (NDS), das 2024 mit rassistischen Liedern eine große Reichweite über rechtsextreme Kreise hinaus hatte.
  • Das inzwischen umbenannte „Institut für Staatspolitik“ (IfS) in Schnellroda (Sachsen-Anhalt) war auch 2024 der wichtigste Knotenpunkt der „Neuen Rechten“. Trotz einer formalen Umstrukturierung im Frühjahr 2024 fanden die Aktivitäten und Angebote unverändert statt: Bei sogenannten Akademien, Studientagen und Sommerfesten trafen Vertreter*innen des gesamten extrem rechten Spektrums aufeinander, um sich zu schulen und vernetzen. Seit seiner Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ 2023 zeigt das IfS immer weniger Scheu, auch offen mit Neonazis zusammenzuarbeiten.
  • Das verschwörungsideologische Protestmilieu, das im Zuge der Corona-Pandemie bundesweit auf die Straßen ging, ist in regionalen Gruppen weiter aktiv und mit verschiedenen rechten Akteuren vernetzt. Mit einer flexiblen Themensetzung gelingt es den Gruppen nach wie vor, einen festen Kern an Anhänger*innen zu mobilisieren. Die Zahl der Teilnehmer*innen ist zwar insgesamt niedriger als noch 2023. Während der Bauern- und Mittelstandsproteste Anfang 2024 konnten die Gruppen aber kurzzeitig mehr Menschen auf die Straße bringen.
  • Das heterogene Milieu der Reichsideolog*innen hat seine Strukturen weiter ausgebaut und vielerorts Veranstaltungen ausgerichtet: Im Juni organisierte das „Königreich Deutschland“ in Holm (Schleswig-Holstein) einen „Zukunftskongress“ mit rund 70 Teilnehmer*innen. Zudem fanden unter dem Titel „Großes Treffen der 25+1 Bundesstaaten“ mehrere Aufmärsche von Reichs-Anhänger*innen statt. Der größte war mit ca. 1.000 Teilnehmenden im April in Gera (Thüringen).
  • Seit mehreren Jahren siedeln sich Rechtsextreme in ländlichen Räumen an. Mit eigenen Immobilien schaffen sich diese sogenannten völkischen Siedler*innen – darunter „Anastasia“-Anhänger*innen,
    Reichsideolog*innen und Neonazis – Rückzugsräume, um langfristig Einfluss auf die politische Kultur vor Ort zu nehmen. Radikalisierung findet hier gewissermaßen „über den Gartenzaun“ statt.

Den ganzen Jahresrückblick gibt es hier zu lesen.

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