AFD IM BUNDESTAG
Erstmals übernehmen AfD-Abgeordnete den Vorsitz in drei Bundestagsausschüssen. Sie erhielten in den Gremien für Haushalt, Recht und Tourismus die nötige Mehrheit. Normalerweise müssen sich die Vorsitzenden nicht zur Wahl stellen, sondern werden lediglich bestimmt. Da jedoch mehrere Ausschussmitglieder Widerspruch gegen die Nominierten anmeldeten, wurden Wahlen notwendig.
Der AfD-Abgeordnete und Euro-Gegner Peter Boehringer wurde in offener Wahl mit den Stimmen seiner eigenen Partei und der FDP zum Vorsitzenden des Haushaltsausschusses gewählt. Die vier Vertreter der Linken stimmten dagegen. Union, Grüne und SPD enthielten sich nach eigenen Angaben.
Der Rechtsausschuss wählte den AfD-Abgeordneten Stephan Brandner zu seinem Vorsitzenden. Der Jurist war im Thüringer Landtag wegen verbaler Entgleisungen dutzendfach zur Ordnung gerufen worden. Nach Angaben von Teilnehmern der Sitzung gab es 19 Ja-Stimmen und 12 Nein-Stimmen. Weitere 12 Ausschussmitglieder enthielten sich.
Den Ausschuss für Tourismus leitet künftig der junge AfD-Abgeordnete Sebastian Münzenmaier. Union und FDP stimmten bei seiner Wahl mit Ja, die Linke mit Nein. SPD und Grüne enthielten sich. Münzenmeier war zuletzt vom FC Bundestag, einem Hobbykicker-Verein der Abgeordneten, als Mitglied abgelehnt worden. Grund war eine Verurteilung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung bei einem Angriff von Hooligans auf gegnerische Fußballfans. Der Abgeordnete bestreitet den Vorfall und hat Berufung eingelegt.
Ein Verschwörungsideologe als Kopf des Haushaltsausschusses, jemand der Andersdenkenden mit einer Machete droht steht dem Rechtsausschuss vor und ein wegen schwerer Körperverletzung verurteilter „Fußballfan“ dem Tourismusausschuss. Sollte es erneut zu einer großen Koalition zwischen CDU/CSU und SPD kommen, wird diese Postenverteilung im Bundestag Realität. (Belltower News , Süddeutsche Zeitung, FAZ)
Entgleisung als Normalzustand. Es vergeht kaum eine Woche in der aus den Reihen der AfD politisch Andersdenkenden nicht gedroht wird. Gewählte Bundestagsabgeordnete posten Bilder von Macheten, um kritische Künstler_innen einzuschüchtern. Andere greifen zu Spraydose und beschmieren Wahlkreisbüros von Politikern, deren Meinung ihnen nicht passt. Erst vor wenigen Tagen wurde ein Video bekannt, in denen ein AfD’ler Gewalt gegen politische Gegner explizit gutheißt. In den Parlamenten fehlen der Partei die Argumente, deshalb greift sie zur verbalen Gewalt, um ihre Anhänger bei der Stange zu halten. (Belltower News)
Erik Lehnert, Leiter des Instituts für Staatspolitik ist als Mitarbeiter des AfD-Abgeordneten Harald Weyel beschäftigt. Seit 2008 ist er der Geschäftsführer und damit einer der führenden Köpfe des Instituts. Offiziell wiegelt die AfD ab: Mit der Identitäten Bewegung gebe es keine Zusammenarbeit, es gelte ein Unvereinbarkeitsbeschluss der Partei. Und dennoch: Zwischen AfD und der Bewegung der Neuen Rechten gibt es zahlreiche Berührungspunkte. Die Neue Rechte ist im Bundestag angekommen. (Belltower News, taz, Deutschlandfunk Kultur)
Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, fordert in einem Zeitungsbeitrag eine „konservative Revolution“. Damit verwendet er einen Begriff, der für intellektuelle Rechtsextreme so prägend ist wie kaum ein anderer. (Belltower News, Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel)
Wegen eines rassistischen Tweets über Noah Becker hat das Berliner Landgericht gegen den AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier eine einstweilige Verfügung erlassen. Der Sohn von Boris Becker hatte Jens Maier zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert, um rassistische Beleidigungen in Zukunft auszuschließen. Der AfD-Politiker ließ eine Frist ohne jede Reaktion verstreichen. Danach darf Maier seine Äußerung über den Sohn des Tennisspielers Boris Becker nicht wiederholen. Das teilte Beckers Anwalt Christian-Oliver Moser mit. (Zeit Online, FAZ, taz)
Lange vor dem Fall Noah Becker sorgte der heutige AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier mit einer Äußerung über den Massenmörder Anders Breivik für Empörung – auch in den eigenen Reihen. Der AfD-Politiker Jens Maier soll die Mordserie des Rechtsterroristen Breivik relativiert haben. Doch der Beweis, ein Videomitschnitt der Rede, ist verschollen. (Tagesspiegel, blick nach rechts)
Der radikale Flügel der AfD kann sich freuen: Der AfD-Politiker Björn Höcke muss vorerst wohl nicht mit einem Ausschluss aus seiner Partei rechnen. Ein internes Schiedsgericht hat das Verhalten des Politikers als nicht parteischädigend eingestuft. dem Verfahren liegt allerdings noch kein schriftliches Urteil vor. Die AfD-Landtagsfraktion sagt deshalb auch, es sei noch nicht abgeschlossen. Laut der „Thüringer Allgemeinen“ will sich das Schiedsgericht Ende Februar ein weiteres Mal mit dem Thema befassen. (Spiegel Online, Zeit, NZZ, MDR, Tagesschau)
Der AfD-Vorsitzende von Thüringen, Björn Höcke, will die Religion jetzt sogar in einem muslimisch geprägten Staat verbieten. Bei einer Rede in Eisleben in Sachsen-Anhalt kündigte er ein Verbot des Islam in der Türkei an. Der Partei-Landeschef versprach den Zuhörer_innen: Sobald die AfD „an der Macht“ ist, müssen ihn auch Muslime am Bosporus fürchten. (Die Welt, Zeit Online)
Kay Gottschalk, Bundestagsabgeordneter des Kreises Viersen sorgte im Rahmen eines Neujahrsempfangs der Partei in Krefeld teilt der Bundestagsabgeordnete des Kreises Viersen für Aufsehen. Er forderte „alle Bürger guten Willens auf: Boykottiert die Läden der Türken in Deutschland“. Das Gros von ihnen hänge Erdogan an. (Westdeutsche Zeitung, Stern)
Der amtierende sächsische AfD-Landesvorsitzende Siegbert Droese fordert von der Bundespartei freie Hand für eine Zusammenarbeit mit Pegida. Im Großraum Dresden gebe es bereits „ein Bündnis mit Pegida im weitesten Sinne“, sagte der Leipziger Bundestagsabgeordnete. „Und wir haben stark davon profitiert.“ Wenn es nicht gelinge, „freie Hand zu bekommen und Pegida an unserer Seite zu halten, dann werden es vielleicht fünf oder sechs Prozent weniger an Zustimmung für (die Landtagswahl) 2019“, so Droese. (Sächsische-Zeitung, BILD)
PEGIDA
Das Pegida-Bündnis und sein Vize Siegfried Däbritz dürfen die Dresdner Seenotrettungsorganisation „Mission Lifeline“ nicht mehr als Schlepper bezeichnen. Eine entsprechende Einstweilige Verfügung, die bei Zuwiderhandlungen Strafen von bis zu 250.000 Euro vorsieht, erließ das Dresden Landgericht am Donnerstag. Es kam damit einem Antrag der Helfer_innen für Geflüchtete nach. (neues deutschland, Sächsische Zeitung, MDR)
Sachsens AfD fordert von der Bundespartei freie Hand für ein Bündnis mit der Pegida. Zwei Kandidaten für die Nachfolge von Landeschefin Frauke Petry streben einen Pakt mit der islamfeindlichen Gruppe an. (Spiegel Online)
AFD UND GESELLSCHAFT
Kaum tritt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz („NetzDG“) am 01. Januar 2018 vollumfänglich in Kraft, sieht die AfD ihre Meinungsfreiheit in Gefahr – nur weil sie Kritik an gesellschaftlichen Zuständen nicht ohne Volksverhetzung formulieren möchte. Probleme gibt es derweil auch real. (Belltower News)
Die AfD findet es zwar verkehrt, dass es parteinahe Stiftungen gibt, aber wenn alle eine haben, wollen sie auch eine haben. Allerdings streiten sich die AfD-Flügel noch darüber, welche das sein soll. Jahrelang hat die AfD die Gründung der Desiderius-Erasmus-Stiftung betrieben, um diese als parteinahe Stiftung zu etablieren – nun wollen Teile der AfD-Führungsebene plötzlich eine Gustav-Stresemann-Stiftung. Eine inhaltliche Mogelpackung versprechen beide Kandidaten, denn weder mit Erasmus von Rotterdam noch mit Gustav Stresemann hat die Politik der AfD viel gemeinsam. Erasmus oder Stresemann? Hauptsache Provokation und Geld. Kontakte in neurechte Kreise sind jedenfalls offenkundig kein Problem. (Belltower News: Teil 1, Teil 2)
Seit 2009 gibt es in Magdeburg die „Meile der Demokratie“. Die Veranstaltung stellt sich gegen rechte Gruppen und Parteien und demonstriert für eine tolerante, weltoffene Stadt. Dieses Jahr war die AfD erstmals auf der Meile vertreten, was bei vielen Vereinen und Gruppen auf Widerstand stoß. Daher protestierten Gruppen wie Miteinander e.V. und andere auf einer eigenen Kundgebung auf dem Domplatz gegen die AfD. Die friedliche Protest-Kundgebung wurde von der Polizei geräumt. (MDR, neues deutschland, Deutschlandfunk, Mitteldeutsche Zeitung)
Alice Weidel forderte die Abschaltung des Kinderkanals (Kika). Hintergrund ist die Ausstrahlung zweier Sendungen des öffentlich-rechtlichen Kinderkanals. Eine Dokumentation hatte über die Beziehung zwischen der 16-jährigen Malvina und dem 19-jährigen Geflüchteten Diaa berichtet. Für Frau Weidel offenbar Anlass genug, dem Kika sogar „Staatspropaganda“ zu unterstellen und dessen sofortige Abschaltung zu fordern. Das Paar steht mittlerweile unter Polizeischutz, da die Kommentare im Internet immer bedrohlicher geworden sind. (Tagesspiegel, Stern)
Neue Rechte
Mitte Januar lud das neurechte Institut für Staatspolitik (IfS) wieder zur „Winterakademie“ nach Schnellroda ein. Bereits im Vorfeld hatte die Veranstaltung des Instituts für Staatspolitik für Aufregung gesorgt, denn ein Politikwissenschaftler aus Dresden und ein ehemaliger Stasibeauftragter des Landes Sachsen waren als Referenten angekündigt worden. Sie erschienen tatsächlich. Unter den Gästen, die sich dann im dunklen Saal des Schnellrodaer Gasthofs der Veranstaltung widmeten, befanden sich „Sezession“-Autor_innen, AfDler, Identitäre und weitere Personen aus Kreisen der Neuen Rechten. (blick nach rechts)
In Köln versuchten sich einige „Identitäre“ durch das zünden von Bengalos und dem aufhängen mehrerer Transparente auf der Hohenzollernbrücke zu inszenieren. Die Fackelei löste einen größeren Polizeieinsatz aus, zahlreiche Passanten wählten den Notruf. Was die Kölner Bürger_innen von der Aktion hielten, wurde zumindest am Rheinufer unmittelbar nach dem Abbrennen der Bengalos deutlich. Dem flüchtenden Mann riefen die Kölner „Nazis raus!“ und „Köln bleibt bunt“ hinterher. (Welt, Kölner Stadt Anzeiger, Focus)
Das „Anny Kilkenny Irish Pub“ in Halle verwies Mitglieder_innen erlebte auf Facebook einen regelrechten Shitstorm von Anhängern der AfD und Identitären Bewegung . Auf den Shitstorm folgte eine Welle der Solidarität. Grund für die außergewöhnliche Solidaritäts-Welle ist offenbar die Kante, die die Kneipe in der August-Bebel-Straße gegen rechts gezeigt hatte. Das Team soll eine Gruppe Identitärer nicht bedient haben. Daraufhin überzogen Anhänger der Identitären, aber auch AfD-Sympathisanten den Pub auf Facebook mit Kritik. (Mitteldeutsche Zeitung)
Anfang März wird in den Werken des Autobauers Daimler ein neuer Betriebsrat gewählt. Die Neue Rechte bringt sich ebenfalls in Stellung, um die Betriebsräte zu erobern. Neben der IG Metall gibt es seit acht Jahren auch Betriebsräte, die dem Verein „Zentrum Automobil“ angehören. Die Patriotische Gewerkschaft „Ein Prozent für unsere Land“ hat “ sich mit einem Mann mit Erfahrung zusammengetan: Oliver Hilburger, der es mit seiner „alternativen Gewerkschaft“ namens „Zentrum Automobil“ in den Betriebsrat bei Daimler in Stuttgart-Untertürkheim geschafft hat. Dass Hilburger fast 20 Jahre lang in einer Neonazi-Band namens Noie Werte gespielt hat (deren Songs den Soundtrack für die NSU-Bekennervideos lieferten), stört offenbar niemanden bei „Ein Prozent“. Stattdessen will man auf seinem Erfolg eine bundesweite „patriotische“ Gewerkschaft aufbauen. Weitere führende Mitglieder der Arbeitnehmervertretung Zentrum Automobil, stehen unter dem Verdacht, Sympathien für den Nationalsozialismus zu hegen. Nach Angaben von Report Mainz und Stern soll beispielsweise der bisherige Vorsitzende der Organisation Zentrum Automobil, Andreas Brandmeier, per Mail ein Foto verschickt haben, das ein Hakenkreuz zeigt und die Inschrift: „Der deutsche Gruß heißt Heil Hitler.“ (Deutschlandfunk, Die Zeit, Tagesspiegel, Vice)
VERMISCHTES
Der wegen antisemitischer Äußerungen vielfach kritisierte AfD-Politiker Wolfgang Gedeon darf nach einer Entscheidung des baden-württembergischen AfD-Landesschiedsgerichts Parteimitglied bleiben. Gedeon war im Sommer 2016 nach der Spaltung der AfD-Landtagsfraktion und nach einer längeren Debatte aus der Fraktion ausgetreten. Er gehört dem Parlament derzeit als fraktionsloser Abgeordneter und AfD-Mitglied an. (FAZ)
Peter Fischer, Präsident von Eintracht Frankfurt, sagte in einem Interview, dass er keine AfD-Wähler_innen bei der Eintracht sehen will und das es keinen Platz für diese im Verein gibt. Der Fußballclub bekam daraufhin einen rechten Shitstorm ab und zwei AfD-Mitglieder stellten Strafanzeige gegen Fischer. Letztlich war ein wochenlanger Streit mit AfD-Funktionären Resultat der Aussagen. Ende Januar wurde Fischer bei der Mitgliederversammlung mit 99% Stimmen der Vereinsmitglieder als Vorstand bestätigt. (Belltower News, Frankfurter Rundschau, Hessenschau, FAZ)
Gegen den Auftritt rechtspopulistischer Verlage auf der Leipziger Buchmesse regt sich Widerspruch anderer Aussteller. Die Initiative #verlagegegenrechts plant mehrere Aktionen auf der Messe. Angedacht seien Diskussionsrunden etwa mit Autor_innen mit Fluchterfahrung oder zum Fehlen von Kulturarbeit in Ostdeutschland, sagte Mitinitiatorin Lisa Mangold. Hinter der Initiative stehen 45 unabhängige Verlage sowie rund 100 Einzelpersonen, die einen Aufruf gegen rechte Stimmungsmache auf der Buchmesse unterzeichnet haben. (Saarbrückener Zeitung)
Die Organisation Human Rights Watch (HRW) zeigt in ihrem Jahresbericht 2018 die Verstöße gegen Menschenrechte auf. Positive Entwicklungen zeigten sich vor allem in kleineren Staaten und solchen, wo die Öffentlichkeit engagiert ist. Insgesamt wertet HRW das vergangene Jahr als Beleg dafür, dass ein entschiedener Kurs gegen autoritäre Populisten Erfolg haben kann. 2017 habe gezeigt, wie wichtig es sei, „gegen die Bedrohung durch Demagogen und ihre missbräuchliche Politik anzukämpfen“, wird HRW-Direktor Kenneth Roth zitiert. HRW wertet den Kampf gegen Populismus in vielen Ländern als erfolgreich. Bestes Beispiel: Frankreich. Schlecht steht es laut einer Analyse um Österreich. (Die Zeit, Frankfurter Rundschau)
MEHR MENSCHENFEINDLICHKEIT AKTUELL, JANUAR 2018:
| Menschenfeindlichkeit Januar 2018: Homo- und Transfeindlichkeit, Sexismus, Gender
| Menschenfeindlichkeit Januar 2018: Antisemitismus
| Menschenfeindlichkeit Januar 2018: Internet, Social Media, Hate Speech
| Menschenfeindlichkeit Januar 2018: Rassismus und Feindlichkeit gegen Flüchtlinge