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„Jeder Ort kann Tatort sein“ Rechtsextreme Gewalt in Berlin

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Eine Besucherin der Ausstellung "Tatorte in Straßen-Tatorte in Köpfen" (Quelle: ngn/sl)

von Sina Laubenstein

„Tatorte in Straßen-Tatorte in Köpfen“: Unter diesem Titel veranstaltete das August Bebel Institut am 20. Juni eine Podiumsdiskussion zu der gleichnamigen Ausstellung. Hier sollen Fragen geklärt werden wie: Wo fängt Rassismus an? Wann denkt ein Kopf rassistisch? Wie kommt es von rassistischen Einstellungen zu Gewalttaten?  Und was kann man dagegen tun?

Die Moderatorin Manuela Bauche beginnt den Abend mit einem Zitat von Philippa Ebéné, der Leiterin der Werkstatt der Kulturen, zum Obama-Fieber in Deutschland: „Wäre es möglich, dass ein junger talentierter deutscher Jurist namens Barack Hussein Obama, dessen Mutter aus Heidelberg und dessen Vater aus Nairobi kommt, deutscher Bundeskanzler werden würde? […] Nein. […] Das ist doch etwas ganz anderes, in den USA, da gibt es die doch schon ganz lange, die Schwarzen…“.

Tendenz steigend!

Allein in Berlin kam es im vergangenen Jahr zu 139 rassistisch motivierten Angriffen, die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch höher. Sabine Seyb, Mitbegründerin von ReachOut, einer Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt, sagt dazu: „Die Ermittlungsbehörden erkennen häufig das Tatmotiv rassistisch motivierter Angriffe nicht, weswegen es oft nicht zur Anzeige kommt. Für die Opfer ist es jedoch wichtig zu wissen, weswegen sie angegriffen wurden.“ Die Aufgabe von ReachOut ist es, diese Angriffe zu dokumentieren, zu den Opfern Kontakt aufzunehmen und sie auf ihrem Weg zurück in ihren Alltag zu begleiten und zu unterstützen. Inzwischen seien über die Hälfte aller Angriffe in Berlin rassistisch motiviert. Während es kurz nach dem Mauerfall vor allem in Ostberlin zu rechtsextremen Gewalttaten kommt, findet inzwischen eine Verschiebung Richtung Westberlin statt, aktuell liege der Fokus auf Neukölln.

„Ein bestimmtes Täterprofil gibt es nicht!“

Laut Seyb gibt es keinen eindeutigen Tätertypen. Bisherige Angriffe haben allerdings gezeigt, dass Antifa und Linke häufig Opfer von Personen aus dem Umfeld neonazistischer Organisationen werden. „Seltener sind organisierte Neonazis verantwortlich für rassistische Angriffe. Häufig sind es ganz ’normale‘ Männer und Frauen, die rassistische Einstellungen haben und, wenn die Gelegenheit günstig ist, eben mal zuschlagen.“ Nicht nur jeder Ort kann also Tatort sein, jeder ’normal‘ aussehende Mann, jede ‚gewöhnliche‘ Frau kann also auch Täter bzw. Täterin sein.

Auch Iman Attia, Professorin für Diversity Studies, Rassismus und Migration sowie Interkulturelle Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule, meint dazu, dass Rassismus in allen Gesellschaftsschichten unterschiedlich stark vertreten sei. Manche seien sich ihrer rassistischen Einstellungen nicht einmal bewusst, da es ihrem Verständnis von Normalität entspricht: „Durch die Verstrickung rassistischer Äußerungen in normale Diskurse und Strukturen wird vielen der eigene Rassismus nicht bewusst.“ Rassismus habe Normalität erlangt: Die Diskriminierung von Gesellschaftsgruppen zu Gunsten anderer Gruppen gehöre in den Alltag. Rassistische Gewalttaten werden so häufig auch als die Wiederherstellung einer Ordnung gesehen. Wenn Seyb dann von dem ReachOut-Projekt gegen antimuslimischen Rassismus erzählt, wird deutlich was sie meint. Ein Workshop mit muslimischen Frauen zeigt, dass Rassismus dort zum Alltag gehört. Sie werden beschimpft und beleidigt, wegen ihres Glaubens verurteilt. „Das ist doch kein Rassismus, das ist doch ganz normal. Das passiert uns jeden Tag“, lautet eine viel gehörte Aussage.

Ist ‚Deutschenfeindlichkeit‘ auch Rassismus?

Die Aussage eines Besuchers der Ausstellung wirft viele Fragen auf. „Das hat doch nicht alles mit Rassismus zu tun, das ist mir auch schon passiert!“ Kann man einen gewaltätigen Übergriff auf einen ‚weißen‘ Deutschen tatsächlich mit einem Angriff auf einen schwarzen Deutschen vergleichen?

Iman Attia sagt, dass eine Unterscheidung tatsächlich schwierig sei, da man die Gesellschaft als komplexes Konstrukt betrachten müsse. Wird ein weißer Deutscher beleidigt, geschehe das aus einem völlig anderen gesellschaftlichen Kontext heraus. Seyb führt dies noch konkreter aus: „Es gibt auch ganz normale Gewalt im öffentlichen Raum. Aber es gibt einen Unterschied zwischen normaler öffentlicher Gewalt und rassistischer Gewalt.“ Man bewege sich hier auf unterschiedlichen Ebenen.“ Normale, öffentliche Gewalt wendet sich häufig gegen ein Individuum. Aber rassistische Gewalt wendet sich gegen ganze Gesellschaftsgruppen, die vertrieben werden sollen.“

Schwarzarbeiter & Schwarzfahren: Ist Deutsch eine rassistische Sprache?

Die Sprache ist ein wichtiges Mittel, um Rassismus weiterzutragen. Gleichzeitig kann Sprache aber auch helfen, Rassismus zu bekämpfen. Um rassistische Sprachformen wirkungsvoll zu bekämpfen, müsse man auf die Verwendung von Alternativen bestehen, so Seyb. Also nicht Schwarzarbeiter und Schwarzfahrer, sondern illegaler Arbeiter und Fahren ohne Fahrschein. Auch Iman Attia weist auf die Macht von Sprache hin. Häufig würden rassistische Sprachformen genutzt, einfach nur, „weil man das bei uns so sagt!“. Die rassistische Bedeutung dahinter erkennt man dann oft nicht, einfach weil rassistische Sprachformen zum ’normalen‘ Sprachgebrauch gehören. Dass diese verletzend sein können, darauf kommen die wenigstens.

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Alexanderplatz. Wie jeden Tag tummeln sich hunderte von Menschen auf diesem Platz, Einwohner neben Touristen aus aller Welt. Verschiedene Kulturen treffen aufeinander, aber das bunte Gedränge verläuft friedlich. Noch.

Service:

Berliner Tatorte

August Bebel Institut

Müllerstr. 163, 13353 Berlin

Ausstellung: Mo 10. bis Do 27. Juni, Öffnungszeiten Mo–Fr 14–18 Uhr

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