Schlagermusik: einfache Melodien, einfache Rhythmen und einfache Botschaften. Nur politisch darf es nicht werden. Thematisch gelagert zwischen übermäßigem Alkoholkonsum und Liebeskummer, mehr Tiefgang ist selten. Dass diese Musikrichtung auch für Menschen anknüpfungsfähig ist, die für komplexe Fragen gerne auf (vermeintlich) einfache Antworten setzen, liegt eigentlich auf der Hand. Kein Wunder also, dass inzwischen auch die rechtsextreme Musikszene ihre erste „Schlagergröße“ hervorgebracht hat.
Der Schöpfer der Kunstfigur „Johnny Zahngold“, ist vor allem unter seinem „Künstlernamen“ Henry8 bekannt und – nach eigenem Bekunden – studierter Linguist und eine Szenegröße. So hat Henry8 unter anderem bei „Häretiker“ und „Enesess“ mitgewirkt. Die Metalband „Häretiker“ hat er es zu einem gewissen Bekanntheitsgrad gebracht. Gleiches gilt für wie Enesess oder „N‘Socialist Soundsystem“, das dazu beitragen sollte, Hip-Hop als Betätigungsfeld für rechtsextreme Musiker zu erschließen, wie Henry8 im Interview mit dem Szeneblatt Der Aktivist freimütig bekundet. Nun dieselbe Pionierarbeit also im Schlagergenre.
Alben von Johnny Zahngold, Häretiker oder dem N’Socialist Soundsystem sind ausschließlich in einschlägigen Versandordern und nicht auf Streamingplattformen wie Spotify erhältlich. Nur einzelne Lieder sind als „Fan-Uploads“ beispielsweise bei YouTube zu finden. Das schränkt zwar den Rezipient*innenkreis ein. Allerdings lässt sich auch nur so ein wichtiges Ziel durch die Musik erreichen: Das generieren von Einnahmen. Wie es in einem YouTube-Kommentar zu einem Häretiker-Song passend heißt: „Wer systemkritische Musik erhalten will, kauft sie.“ Soziale Netzwerke wie Instagram bieten dagegen mehr Möglichkeit zur Bewerbung rechter Musik und sie haben den großen Vorteil, weitaus interaktiver zu sein.
So kommt das Instagram-Profil von Johnny Zahngold auf rund 3.100 Follower*innen. Zu finden sind dort neben viel Werbung für die Produkte des rechtsextremen Schlagerbarden Verweise zu anderen rechten Projekten wie dem Gasthaus zum Goldenen Löwen des Thüringer Neonazis Tommy Frenck. Auf dessen Seite wiederum ist ein „exklusives“ Video zum Stück „Unser Gau mit Palmen“, ein Cover eines Stücks der Rechtsrockband „Notwehr“ . Ebenfalls auf dem Account zu finden ist ein Hinweis auf die Band „Hans Dental“, offenbar ein weiteres Projekt von Henry8. Thematisch ähneln die Lieder denen von „Johnny Zahngold“, musikalisch sind sie allerdings deutlich rocklastiger. Auffallend ist, dass die Stücke über dasselbe Label wie „Johnny Zahngold“ vertrieben werden, aber ausschließlich digital und als Stream erhältlich sind.
Nicht nur musikalisch grenzt sich „Johnny Zahngold“ von klassischen Rechtsrockbands ab. Trotz aller wenig subtilen gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sind viele Texte „leicht verdaulich“ im Vergleich zu anderen Projekten von Henry8. Bei Häretiker beispielsweise wird eindeutig Bezug auf völkisches Denken genommen. So heißt es im Song „Blut zu Blut“, der die Schlacht bei Riade zum Thema hat: „Blut zu Blut, es geschieht, alle kämpfen, der Begriff des Deutschen Volkes wird konkret.“ Ähnliches gilt für Texte des N’Socialist Soundsystem, wo zur völkischen noch verschwörungstheoretische Ideologie hinzukommt. In „Was du begreifen sollst“ rappt Henry8: „Was du begreifen solltest, ist, dass das Verschwinden unseres Volkes gewollt ist.“
Ganz anders geht es da bei „Johnny Zahngold“ zu. Etwa klingt es bei „Vatertag, Herrentag, unser Tag“ unterlegt von einfachen Schlagerbeats: „Vatertag, wir haben Spaß, deutsche Männer, hoch das Glas, geile Leute, geile Sause, Fotzen haben Sendepause“. Außerdem lässt sich ein launiger Schlager allemal besser mitgrölen als oftmals aggressive oder bisweilen pathosgeschwängerte Rechtsrockstücke.
In „Support your local Kneip!“ wird es fast unpolitisch, thematisiert das Stück doch auf den ersten Blick das Kneipensterben, das auch in der bürgerlichen und sogar der linken Szene immer wieder für Unmut sorgt. Lediglich Zeilen wie „Wo gute Leute wohn, gehört’s zum guten Ton, erhaltet unsere gute deutsche Kneipentradition“ könnten aufmerksame Zuhörer*innen stutzig machen. Ähnlich ist es bei „Schweini grilli, kleiner Willi“. Das Besingen des Schweinefleischkonsums ist per se wenig verdächtig, gehört das – im Islam und Judentum verpönte – Fleisch des Borstentiers doch zu vielen Grillabenden dazu, genauso wie das Verächtlichmachen von veganer Ernährung. Die schiere Häufung und Betonung des Themas machen aber schon deutlich, dass mit solchen Sätzen eine politische Botschaft transportiert werden soll.
Aber es geht auch sehr viel expliziter. So lautet der Refrain von „Rechte Party“ etwa: „Diese Party wird jetzt rechtsradikal.“ Zwischen den Strophen von „Fascho Fasching“ klingt es „Eins, zwei, drei, Fascho Fasching geil! Vier, fünf, sechs, Mohrenbräu auf ex!“ und in „Von Togo bis nach Lüderitz“ wird mit einem „grünen, hässlichen Krokodil mit großer Klappe“ unverhohlen gegen politische Gegner gekeilt. Deutlicher wird es bei „Johnny Zahngold“ allerdings nicht, soll doch das Politische Unterton bleiben und die Partystimmung nicht allzu sehr eintrüben.
Ganz dem Schlager-Image entspricht ist auch die Covergestaltung der Alben. Sie ist weit entfernt von Kampf- und Wehrmachtsästhetik oder Schwarz-, Grau-, Blau und Braun-Tönen, wie sie bei Szenebands nach wie vor die Regel sind. Bei „Johnny Zahngold“ geht es bunter zu, auch bei der Bebilderung orientiert sich der rechtsextreme Schlagersänger an den unpolitischen Vorbildern. So zeigt „Regler nach rechts“ eine comichafte Zeichnung des Sängers mit einer leicht bekleideten Frau, die sich an ihn schmiegt und die klischeehafte Darstellung eines Schwarzen Menschen an einem Strand. Neben dem Namen des Albums deuten auch Details auf die politische Ausrichtung der Musik hin. Dazu zählen ein schwarz-weiß-roter Anglerhut, ein Ruderboot mit der Aufschrift „Bismarck II“ im Hintergrund und ein „Doitsch“-Tattoo in Frakturschrift auf dem Bauch des gezeichneten „Johnny Zahngold“.
Was bei dieser Betrachtung deutlich wird: Die Kunstfigur „Johnny Zahngold“ bietet ein Gesamtpaket, wie es bisher in der rechtsextremen Musiksubkultur nicht zu finden war. Eine Lücke, die der Musiker hinter dem Projekt ganz bewusst besetzen will, wie er im Interview mit dem rechten Online-Musikmagazin Punikoff klarstellt. Die Szene sei nicht nur dazu da, „sich selbst zu bespaßen“. Es sollen neue Felder der politischen Auseinandersetzung erschlossen werden. Schlager passe eben sehr viel besser zu Junggesellenabschieden, Feuerwehrfesten, und ins Bierzelt, als klassischer Rechtsrock.
Schlager als weiteres Einfallstor für rechtsextreme Ideologie, genau da, wo es sonst möglichst unpolitisch zugehen soll. Schließlich sind politische Diskussionen nicht gerade dafür bekannt, die Stimmung zu heben. Wenn die Botschaften aber mit klatschbaren Rhythmen und mitsingbaren Texten daherkommen, dürfte der Einstieg gleich sehr viel leichter fallen. Auch Faschisten wollen feiern, bestenfalls ohne dabei auf einen ideologischen Unterbau verzichten zu müssen. Wenn eben dieser auch in der bisher nicht explizit politisierten Freizeit zum Tragen kommt, hilft das, eine immer geschlossener rechte Lebenswelt zu konstruieren, auch und gerade für diejenigen, die sich selbst womöglich gerne als unpolitisch wahrnehmen.
Letztlich geht es – wie wohl bei jedem rechten Projekt – um Macht. Der Schöpfer von „Johnny Zahngold“ fasst das unter dem Motto: „Partys entern, Partys ändern – Gegenkultur stärken“ zusammen und bezieht sich damit auf die von rechten so gerne zitierte „Gegenkultur“ als Gegenentwurf zum sogenannten linksliberalen Mainstream. Gerade in wenig politisierten Bereichen des Lebens wie der Schlagerszene könnte es rechtsextremen Protagonisten leichtfallen, ihre Ziele durchzusetzen. Allerdings nur, wenn man sie lässt.