Für den 17. Juni 2017 hat die “Identitäre Bewegung” (IB) unter dem Motto “Sichere Grenzen- Sichere Zukunft” zu einer Demonstration nach Berlin gerufen. Es ist davon auszugehen, dass die Teilnehmerzahl überschaubar bleibt, der Andrang von Journalisten und Fotografen aber verhältnismäßig groß sein wird. Das ist gut, zumindest für die IB, denn das bedeutet viele Bilder für die Öffentlichkeit.
Was auf der Straße klein aussieht, wirkt im Web bombastisch
Alles dreht sich bei der IB um Symbolik und Außenwahrnehmung. Bei all den Provokationen der IB sind auch immer Kameras dabei, damit sie ihre Aktionen im Nachhinein mit heroischen Bildern aufwerten können. Oft geht es darum, einen bekannten und symbolträchtigen öffentlichen Platz für sich einzunehmen, damit sie – aber auch die Presse – später schreiben, die „Identitäre Bewegung hat den Platz erobert / gestürmt / besetzt“. Das lässt die IB in der Außenwahrnehmung viel größer erscheinen als sie tatsächlich ist.
Über diesen Artikel wird sich die IB vermutlich gefreut haben (Quelle: Screenshot faz.net)
Wenn sie ihre Flaggen auf dem Brandenburger Tor hissen oder ihre Banner am Kölner Hauptbahnhof aufhängen, wollen sie sich als Verteidiger des Abendlandes inszenieren und die Bilder und Videos dieser Aktionen lassen sich geschickt im Internet vermarkten.
Adressaten dieser Bilder und YouTube-Clips sind junge, politisch interessierte Menschen. Jene, denen “klassischer” Rechtsextremismus zu extrem scheint, der vermeintlich revolutionäre Gestus gegen “das System” aber ganz gut gefällt. Hinzu kommt, dass die IB Aktionsformen wählt, die man bisher eher aus der politisch links stehenden Szene kannte und die für viele junge Menschen ansprechender wirken als “plumper” Rechtsextremismus. Die von der IB verbreiteten Bilder sollen junge Menschen einfangen und Rassismus und Islamfeindlichkeit gesellschaftlich sagbarer machen, weil die Hetze hier scheinbar “intelligenter” und “moderner” verpackt wird.
Der Versuch: Rechtsextremen Ideologien eine revolutionäre Anmut geben
Woran viele andere rechtsextreme Bewegungen scheitern, hat die IB begriffen: Die Aktivist_innen wissen, wie sie sich der Ökonomie der Aufmerksamkeit von Gesellschaft, Medien und Politik bedienen und wie sie sich diese zu Nutzen machen. Sie langweilen die Öffentlichkeit nicht mit langatmigen Erklärungen und Selbstdefinitionen, stattdessen stellen sie Bilder und Videos ins Internet, die sich verbreiten lassen.
Wie sollen Medien mit der “Identitären Bewegung” umgehen?
Doch wie sollen Medien nun mit der IB umgehen, ohne unfreiwillig Teilnehmer in ihrem rechten Schmierentheater zu werden? Über die “Identitäre Bewegung“ muss berichtet werden – aber nicht über jede Kleinigkeit. Weder hochschreiben noch verschweigen, das ist die Kunst.
Zunächst einmal sollten sich Medienschaffende genau überlegen, ob eine Aktion der IB es wert ist darüber zu berichten, schließlich ist jede Berichterstattung kostenlose PR für die Rechtsextremen. Denn, was die “Identitären” zur Zeit hauptsächlich umtreibt, ist der Kampf, überhaupt gehört zu werden. Mit jeder Berichterstattung über die IB tun die Medien ihnen einen großen Gefallen: Sie bringen die “Identitären” in die Öffentlichkeit.
Verweigerung der ikonischen Bildwiedergabe der IB
Haben Journalist_innen entschieden, über eine IB-Aktion zu berichten, sollten sie hier genau abwägen, wie sie berichten und welche Bilder sie verwenden. Das bedeutet, nach Möglichkeit zu vermeiden, was der Selbstinszenierung der IB entspricht. Bei jedem Bericht über die IB sollten Medienschaffende immer ganz klar darstellen, welche Intention hinter der Bewegung steht, nämlich Menschen auszugrenzen und sie abzuwerten.
Zudem sollten sich Journalist_innen weigern, die heroische Bildsprache der “Identitären” zu reproduzieren – also lieber Bilder, die die “Identitären” aber nicht wie Helden zeigen. Als “Identitäre” im Mai in Berlin mit Plakaten vor das Bundesjustizministerium zogen, gab es etwa Bilder, die zeigten, wie die 40 Menschen mit Spruchbändern den Eingang blockierten – und welche, bei denen alle Teilnehmenden vor der Polizei wenig heroisch auf dem Boden rumlagen . Hier waren dann auch deren “Inhalte” nicht mehr zu sehen – was bei rassistischen oder demokratiefeindlichen Slogans sinnvoll ist.
Kopf der deutschsprachigen IB, Martin Sellner, kann sich über kostenlose PR freuen (Quelle: Screenshot Twitter)
“Identitäre Bewegung” in Feuilleton und TV
Doch nicht nur in der Lokalpresse ist zunehmend von der IB zu lesen, auch im Feuilleton und TV wächst das Interesse an den “IBstern”.
Den „Identitären“ eilt ein Ruf voraus, eine intellektuelle Spielart des rechtsextremen Denkens zu vertreten. Tatsächlich tummeln sich in ihren Reihen auffällig viele junge Menschen mit einem vergleichsweise hohen Bildungsabschluss, zugleich kommen viele von ihnen aber auch aus dem Kameradschafts-Umfeld und anderen Neonazi-Gruppierungen. Das reizt Journalist_innen bei an der Auseinandersetzung mit der IB – heißt aber auch, sich stets vor Augen zu führen, dass man es oft mit geschulten Kadern zu tun hat, die immer versuchen werden, Demokrat_innen verbal anzugehen und nach Möglichkeit rhetorisch über den Tisch zu ziehen..Dessen sollten sich Journalisten stets bewusst sein, wenn sie über die IB berichten.
Heroisches Antlitz bei den “Identitären”? Fehlanzeige. (Quelle: Screenshot YouTube Jüdisches Forum)
Demontage der „Identitären Bewegung“
In Interview-Situationen kann es vorkommen, dass ein “Identitärer” dem Journalisten argumentativ überlegen scheint/ist – dagegen hilft nur gute Vorbereitung und klare Haltung. Im journalistischen Endprodukt ist es wichtig, . Dennoch ist und bleibt es im medialen Umgang mit der “Identitären Bewegung” besonders wichtig, ihre “Argumente” sachlich zu entlarven und einen klaren Standpunkt dagegen zu beziehen. Denn die “Identitären” sind nicht nur fester Bestandteil der rechtsextremen Szene Deutschlands, sie sind aktuell vielleicht sogar die größte, zumindest aber die aktivste rechtsextreme Jugendbewegung, die es hierzulande derzeit gibt. Auch wenn sie schönere Worte verwenden als der klassische Neonazi, einen Unterschied in der Gesinnung gibt es nicht. D, das sollte immer Erwähnung finden.
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Passt auch zum journalistischen Umgang mit Rechtspopulismus: Auf dem Jahrestag des „Netzwerks Recherche“ war Alexander Gauland aufs Podium geladen – auch mit der Intention, ihn journalistisch zu entzaubern. Stattdessen bekam der oft heftig abwertende AfD-Stratege und Björn Höcke-Versteher die Möglichkeit, sich als jovialer älterer Herr und vermeintlicher Pressefreund zu inszenierten, wie das Medienmagazin „ZAPP“ berichtet: http://www.ardmediathek.de/tv/Zapp/Spezieller-Umgang-Journalisten-und-die-/NDR-Fernsehen/Video?bcastId=3714742&documentId=43556864