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Jugendwiderstand „Von der Intifada bis zum Volkskrieg“

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Der "Jugendwiderstand" bei einer Demo gegen die Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem im Dezember 2017 in Berlin.

Im nördlichen Neukölln, vor allem im Richardkiez sind die Symbole des Jugendwiderstandes nirgends zu übersehen. Hammer und Sichel und die Abkürzung JW prangt an vielen Hauswänden. Besonders in Neukölln kommt es auch immer wieder zu Übergriffen – oft mit antisemitischem Hintergrund. Einem Mann, der mit einem Davidstern auf seinem Jutebeutel auf der Straße unterwegs war, wurde Prügel angedroht. Mit „diesem Schwuchtelbeutel“ solle er sich nicht mehr sehen lassen. Ein anderer Mann, der Wahlplakate in Neukölln klebte wurde ebenfalls angepöbelt: „Was machst du hier? Du Zionist. Ich brech’ dir die Nase.“ Ein Graffiti fordert schließlich „9mm für Zionisten“, also eine Kugel. Bei der 1. Mai-Demo in Kreuzberg kam es zu einem Übergriff auf den feministischen Block: Die Demonstrant*innen trugen ein Transparent mit der Aufschrift „Den antisemitischen Konsens brechen! Jugend gegen Antisemitismus und Rassismus“. Offenbar eine Provokation für die Jugendwiderstand-Schläger*innen. In Videos ist zu sehen, wie mehrere Männer schlagend und tretend in den Block stürmen und das Transparent niederreißen. Der Grünen Politiker Eric Marquardt klebte Plakate mit dem Slogan „Refugees Welcome“ im Bezirk. „Jugendwiderständler“ klebten eigene Sticker auf die Plakate und bedrohten den Politiker: „Wenn du die Aufkleber anfasst, stechen wird dich ab“.

Gegründet wurde die Gruppe 2015. Laut Recherchen des Tagesspiegels und “Friedensdemo-Watch” war der Jugendwiderstand ursprünglich an eine Hamburger Gruppe namens „Sozialistische Linke“ (SoL) angebunden. Mittlerweile gibt es aber Streit. Es kam zu mehreren Schlägereien. Grund für den Bruch ist anscheinend die immens wichtige gesellschaftspolitische Frage ob der Maoismus – nach Leninismus und Marxismus – die „dritte, höchste und letzte Stufe der Ideologie des Proletariats“ bedeutet oder ob die Theorien der peruanischen Terrorgruppe „Leuchtender Pfad“ – das sogenannte „Gonzalodenken“ – vielleicht doch die vierte Ideologie-Stufe sein könnten. Sicherlich ein Thema das „Jugendliche aus den tiefsten und breitesten Teilen des Proletariats“, die der Jugendwiderstand dezidiert ansprechen will, jede Nacht um den Schlaf bringt.

Nach außen hin präsentiert sich der Jugendwiderstand sowieso gerne proletarisch. Touristen und Zugezogene werden in Neuköllner Kneipen angepöbelt und gerne wird mit dem migrantischen Charakter des Bezirks kokettiert. In den Facebook-Posts der Gruppe geht es immer wieder um die „junge Arbeiterklasse“, die „Arbeiterjugend“ und um die „Brüder und Schwestern auf jedem Kontinent“. Tatsächlich hat der Tagesspiegel allerdings recherchiert, dass der proletarische Kampf hauptsächlich von Männern namens Johannes, David und Malte geführt wird. Viele von ihnen sind Gymnasiasten aus dem Berliner Speckgürtel. Einige von ihnen scheinen mittlerweile in die Innenstadt gezogen zu sein. Möglicherweise, weil die Proletarier-Romantik in Neukölln doch größer ist, als in der Rechtsanwalts-Villa in Brandenburg.  

Der „Anführer“ der Kleinstgruppe bezeichnet sich selbst gerne als Rapper mit dem Namen Takktika, der mehr schlecht als recht und natürlich vor martialischer Neukölln-Kulisse über „Bastarde in Uniform“ rappt oder darüber, dass er im „Bankenviertel“ nicht zu zielen bräuchte: „Meine Klasse hat Hass auf den Staat“. Im echten Leben heißt Taktikka Patrick und ist Erzieher in einer Kreuzberger Kita.   

Ein anderer Aktivist nennt sich TJ Dettweiler. Eigentlich heißt er Daniel M. und kommt aus Bremen. Wegen einer Schlägerei unter Hooligans stand er dort wegen Körperverletzung vor Gericht. Auf YouTube finden sich Videos von M. auf einer Jubiläumsfeier der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP), einer antisemitischen Terrororganisation, die unter anderem für Flugzeugentführungen, Bombenattentate und Terrorangriffe auf Synagogen verantwortlich ist. Im Video nennt M. die Organisation ein „Vorbild“ und will „Gewehr an Gewehr“ an der Seite der Terrorist*innen stehen. Er schließt seine Rede mit den Worten: „Von der Intifada bis zum Volkskrieg“.

Die SPD-Berlin bezeichnet die Gruppe als „extremistische, antisemitische Organisation“. Antisemitismus in all seinen Formen ist offensichtlich zentraler Teil der Ideologie des Jugendwiderstandes. Hauptgegner*innen der kleinen Schlägertruppe – laut Berliner Verfassungsschutzbericht hat die Gruppe nur 15 bis 20 Mitglieder – sind offenbar in Berlin lebende Juden und Jüdinnen, Israelis oder Menschen, die von der Gruppe als „zionistisch“ eingeschätzt werden. Dieser tiefsitzende Judenhass, gepaart mit Gewaltbereitschaft und einer eher bizarren Ideologie dürften auch dazu geführt haben, dass die Gruppe laut Verfassungsschutzbericht „in der linksextremistischen Szene Berlins weitgehend isoliert“ ist. Das bestätigte auch Niklas Schrader, Verfassungsschutz-Experte der Fraktion „Die Linke“ im Berliner Abgeordnetenhaus gegenüber dem Tagesspiegel: „Wir wollen nichts mit denen zu tun haben“.

Abgesehen von den ideologischen Grabenkämpfen in maoistischen oder leninistischen Untiefen erscheint wenig am Auftreten und der Ideologie des Jugendwiederstandes tatsächlich links. Das zeigt sich zum Beispiel auch an der Rhetorik, wenn Menschen als „Trotzkistenfotzen“, „Hurensöhne“ oder „schwanzlose Missgeburten“ bezeichnet werden. Die ofiziellen Verlautbarungen der Truppe klingen martialisch und nehmen positiv Bezug auf Begriffe wie „Ruhm und Ehre“, „Volk“ oder „Heimat“, auch von „Volksfeinden“ ist die Rede. Dabei gibt es noch weitere und extremere Ausrutscher nach ganz rechts. Ein Unterschied zu rechtspopulistischen oder rechtsextremen Verlautbarungen gibt es in vielen Fällen nicht. Zum Beispiel wenn die Erinnerungskultur in Deutschland als „Schuldkult“ bezeichnet wird oder Mitglieder behaupten, dass ihre Opas allesamt „in Ordnung“ gewesen seien.

In einigen Fällen wird diese Nähe dann auch zur direkten Zusammenarbeit. Recherchen von „Friedensdemo-Watch” belegen, dass mindestens ein Mitglied des Jugendwiderstandes ein ehemaliger NPD-Kader ist. Neben Wahlkampf-Auftritten nahm der jetzt bekehrte Maoist an den flüchtlingsfeindlichen „Nein zum Heim“-Demos in Berlin-Hellersdorf teil.  Auf Facebook diskutierte der Jugendwiderstand ganz offen über den extrem gewaltbereiten Neonazi Lasse R. aus Braunschweig. R. bedroht sowohl im Internet als auch auf der Straße immer wieder Andersdenkende und soll an Übergriffen beteiligt gewesen sein. „Sympathisch“ fand ihn der Kreuzberger Kindergärtner Takktika. Nur das „Hitlergedöns“ würde „nerven“.
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