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Julius Hirsch Preis 2008 verliehen

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Von Haidy Damm

„Der Mut der Initiativen, sich mit anderen Menschen auseinanderzusetzen, ist beeindruckend. Ich glaube, dass die Arbeit mit Fanprojekten Früchte trägt. Mein Eindruck ist, dass es heute viele Fans gibt, die nicht mehr wegschauen“, sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger bei der Verleihung im Jüdischen Museum am Montag. Aus 43 Einsendungen wählte die Jury drei Projekte aus, die sich ihrer Meinung nach besonders gegen Diskriminierung im Fußball engagieren. „Wir dürfen den öffentlichen Raum nicht den rechtsextremen Krawallmachern überlassen,“ sagte der ehemalige Bundesinnenminiter Otto Schily in seiner Laudatio. „Öffentliche Aktionen mit Signalwirkung sind notwendig.“

Hauptpreisträger ist die Initiative „Fußballvereine gegen Rechts“ aus Düren. Das bereits 2001 initiierte Projekt erhält ein Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro. Den zweiten Platz (6000 Euro) vergab die Jury an die in Leipzig beheimatete Faninitiative „Bunte Kurve“. Die Anti-Diskriminierungskampagne von Werder Bremen, ein Kooperationsprojekt des Vereins mit dem Bremer Fan-Projekt und dem Dachverband der Bremer Fan-Klubs, wurde auf den dritten Platz (4000 Euro) gewählt.

„Fußballvereine gegen Rechts“

Jo Ecker ist sichtlich stolz an diesem Nachmittag. „Bisher haben wir nicht so viel Aufmerksamkeit erhalten und mussten uns ganz schön durchkämpfen,“ sagt der Dürener. „Und jetzt kommt die Anerkennung von ganz oben.“ Ecker hat die Initiative 2001 gegründet. Damals wurden Spieler seiner D-Jugend Mannschaft bei einem Auswärtsspiel im benachbarten Eschweiler rassistisch beschimpft und bedroht. „Bis dahin hatte ich immer gedacht, sowas passiert nur woanders, aber doch nicht bei uns“, sagt Ecker. „Ich bin Hitlers Sohn, ich mach dich kalt“ fiel da am Rande des Sportplatzes. „Wir haben die Kinder erstmal in Sicherheit gebracht, viele Eltern hatten Angst“, erklärt der Trainer gegenüber NgN. „Dann haben wir beschlossen, dass wir was tun müssen.“

Damit ging es los. Ecker und seine Mitstreiter haben eine Internetseite gestartet, auf der Mannschaften sich mit dem Banner „Kein Platz für Rassismus und Gewalt“ ablichten lassen können. Seine Zielgruppe sind die kleineren Vereine. Über 700 Mannschaften haben sich bereits angeschlossen. Außerdem können Vereine dort kostenlos Schilder für die Eingänge zum Sportplatz bestellen ? auch hier mit der klaren Aussage: Auf diesem Sportplatz ist kein Platz für Rassismus und Gewalt. Ecker geht es jedoch auch um die Diskussion mit den Vereinen: „Ich stelle immer wieder fest, dass gerade die Jugendlichen gut informiert sind. Leider kommt es aber immer noch zu rassistischen Sprüchen – besonders von den Zuschauern“ Auch Ecker selbst steht mit seinem Engagement Rechtsextremen im Weg. Vier anonyme Morddrohungen haben der Dürener und seine Familie bereits erhalten. Doch er macht weiter ? sogar mit dem berühmten rheinischen Frohsinn: „Bei den ersten beiden habe ich noch die Polizei eingeschaltet. Dann dachte ich mir, lass das mal, die haben genug damit zu tun, ihre Protokolle zu schreiben.“

Bunte Kurve Leipzig

Noch nicht so lange, aber nicht weniger entschieden engagiert sich die Leipziger Fan-Initiative „Bunte Kurve“ gegen Rassismus im Stadion. Ausgangspunkt des Projekts war der Einsatz für den nigerianischen Spieler Adebowale Ogungbure vom FC Sachsen Leipzig, der sich 2006 rassistischen Beschimpfungen ausgesetzt sah. „Wir sind Ade“ antworteten Fans darauf mit einer Kampagne. Das war der Vorläufer des Fanprojektes.

Heute engagiert sich das Projekt in verschiedenen Bereichen: 2006 ein integratives Fußballturnier unter dem Motto Football Unites und 2008 ein internationales Mädchenfußballcamp. Ein Trikotsponsoring der besonderen Art initiierte die ehrenamtliche Gruppe in der Saison 2007/2008 mit der zweiten Mannschaft des FC Sachsen Leipzig: Deren Trikot zierte das Motto „Für Fußball – gegen Rassismus und Diskriminierung.“

Im Vergleich mit der Situation Anfang der 1990er Jahre habe sich schon viel getan, gerade in den Stadien im Osten, sagte Zenker. „Aber in jedem Verein gibt es Rechtsextreme. Doch solange die Vereine das leugnen, können wir das Problem nicht offensiv angehen. Gerade die Vereinsspitzen reagieren oft verhalten auf engagierte Fans gegen Rassismus.“

Auch beim FC Sachsen stößt die private Faninitiative nicht nur auf positive Resonanz: „Uns wird oft vorgeworfen, wir tragen die Politik ins Stadion“, sagt Jo Zenker bei der Preisvergabe. Dabei ist für uns ein entschiedenes Auftreten gegen Rassimus nichts weniger als gesunder Menschenverstand.

Den hatten auch andere Fans vor kurzem bewiesen und wurden dafür ebenfalls ausgezeichnet Am 12. Spieltag der Fußball-Bundesliga hatten Werder-Fans beim Auswärtsspiel in Bochum am 8. November das Entrollen einer Reichskriegsflagge und eines rechtsextremen Plakats verhindert. „Das war ein Beispiel, wie man handeln kann und muss. Für diese Fans war Zivilcourage kein Fremdwort“, erklärte Schily bei der Verleihung.


Hintergrund:

Der Deutsche Fußballbund zum Julius-Hirsch-Preis:

„Mit der Erinnerung an Julius Hirsch wendet sich der DFB seiner Vergangenheit bis in die Zeit des Nationalsozialismus zu. Julius Hirsch steht stellvertretend für viele bedeutende jüdische Spieler, Trainer und Funktionäre, die den deutschen Fußball bis 1933 maßgeblich geprägt haben. Unter dem Druck des menschenverachtenden Naziregimes haben sich der DFB und seine Vereine von diesen Helden und Pionieren abgewandt und sie damit ihrem Schicksal ausgeliefert. Per DFB?Dekret aus dem April 1933 mussten die jüdischen und kommunistischen Mitglieder ihre Heimatvereine verlassen. Viele von ihnen wurden ermordet. Nie wieder darf so etwas geschehen.

Julius Hirsch wurde 1892 als siebtes Kind einer jüdischen Kaufmannsfamilie geboren. Bereits mit zehn Jahren trat er dem Karlsruher FV bei, der damals einer der erfolgreichsten Vereine Deutschlands war. Schon mit 18 Jahren wurde Julius, genannt „Juller“ Hirsch Mitglied der 1. Mannschaft und gewann 1910 mit dem KFV die Deutsche Meisterschaft. Zu dieser Zeit absolvierte er eine kaufmännische Ausbildung. Der Fußball jedoch war seine große Leidenschaft. Er spielte auf der Stürmerposition linksaußen und bildete zusammen mit seinen Mitspielern Fritz Förderer und Gottfried Fuchs ein damals landesweit bekanntes Innentrio. Schnell wurden die gebückte Angriffsweise und der harte Schuss zu Hirschs Markenzeichen.

Mit gerade einmal 19 Jahren wurde er 1911 wegen seiner herausragenden Leistungen zum ersten Mal in die deutsche Nationalmannschaft berufen und nahm

1912 an den Olympischen Spielen in Stockholm teil. Nach seinem Militärdienst wechselte Julius Hirsch 1914 zur Spielvereinigung Fürth, mit der er im gleichen Jahr erneut die Deutsche Meisterschaft gewann.

Er diente im Ersten Weltkrieg als Soldat und erhielt 1916 das Eiserne Kreuz II. Klasse sowie die Bayerische Dienstauszeichnung. Im Unterschied zu seinem Bruder Leopold, der 1916 gefallen war, überlebte er den Krieg. 1919 kehrte „Juller“ Hirsch nach Karlsruhe zurück. Er arbeitete in der Firma seines Vaters, in der er mit seinem Bruder Max Hirsch 1926 Gesellschafter wurde.

1923 hatte er seine Laufbahn als aktiver Fußballer beendet, blieb seinem KFV aber weiter als Jugendtrainer verbunden. Er konnte auf eine erfolgreiche Karriere als Fußballspieler zurückblicken. In sieben Länderspielen hatte er vier Tore erzielt, neben den zwei Meistertiteln noch vier Mal die Süddeutsche Meisterschaft errungen.

Am 10. April 1933 muss für Julius Hirsch eine Welt zusammen gebrochen sein. Er las in der Zeitung, dass die süddeutschen Spitzenvereine beschlossen hatten, jüdische Mitglieder auszuschließen. Darunter war auch sein Verein, der Karlsruher FV. Am gleichen Tag schrieb er an seinen Verein: „?Ich gehöre dem KFV seit dem Jahre 1902 an und habe demselben meine schwache Kraft zur Verfügung gestellt. Leider muss ich nun bewegten Herzens meinem lieben KFV meinen Austritt anzeigen. Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass es in dem heute so gehassten Prügelkinde der deutschen Nation auch anständige Menschen und vielleicht noch viel mehr national denkende und auch durch die Tat bewiesene und durch Herzblut vergossene deutsche Juden gibt?“.

Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers begann für Julius Hirsch ? wie für Millionen anderer Opfer der verbrecherischen Nationalsozialisten ? ein schrecklicher Leidensweg, auf dem er gedemütigt, entrechtet, verfolgt und ermordet wurde. 1943 wurde Julius Hirsch in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und kehrte nicht mehr zurück. Das Leben des Julius Hirsch steht beispielhaft für die Ausgrenzung zahlreicher jüdischer Sportler aus der deutschen Gesellschaft.“

Weblinks:

| Fußballvereine gegen Rechts

| Bunte Kurve Leipzig

| Werder Bremen – Antidiskriminierung

| Rechtsextremismus im Sport ? nicht mit uns!
Broschüre des Landessportbundes (LSB) Thüringen zum Herunterladen

| Studie zum Thema vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft über Rechtsextremismus beim Fußball zum Herunterladen

| Broschüre ?100 Tipps für Präventionsarbeit gegen Gewalt und Rassismus im Amateurfußball? von der Arbeitsgruppe ?Sport und Gewaltprävention? Mecklenburg-Vorpommern zum Herunterladen

Zum Thema:

| Wie Neonazis Fußball-Vereine unterwandern

| Fussball und Rassismus – neue Dimension der Gewalt von Holger Kulick

| Wie kann ich Neonazis daran hindern, sich in unserem Fanclub breit zu machen?

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