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“Junge Revolution” Rechtsextreme auf der Suche nach Nachwuchs

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Auf dem Kanal "Junge Revolution" werden Interviews mit verschiedenen Rechtsextremen veröffentlicht. (Quelle: Belltower News)

Auf dem Kanal „Junge Revolution“ (JR) finden sich seit August 2019 hauptsächlich ausgedehnte Interviews mit verschiedenen, meist szene-prominenten, Personen des rechtsextremen Spektrums. Diese bekommen hier eine Bühne zur Selbstdarstellung und zur Verbreitung ihres menschenfeindlichen Gedankenguts. Normalerweise bekommen die Videos nur wenige tausend Klicks, ein Video mit dem antisemitischen Verschwörungstheoretiker Nikolai Nerling aka “Der Volkslehrer” wurde hingegen schon fast 30.000-mal angesehen.

Inhaltlich sind die Videos zwischen Selbstbeweihräucherung und dem Bedienen szeneinterner Codes anzusiedeln. Die Vertreter von “Junge Revolution”  finden sich meist in der fragenden Rolle wieder, während die Interviewpartner auf taktisch geschickte Weise ihre menschenfeindliche Ideologie darstellen, ohne explizit zu werden. Einer der Interviewpartner spricht zum Beispiel von „eindeutigen Aussagen über den Staat Israel“, ohne dies weiter zu spezifizieren. Dennoch wissen natürlich alle Beteiligten, was damit gemeint ist. Eine Sozialisierung in rechtsextreme Zusammenhänge wird als ein Akt des Aufwachens und des Wissen Erlangens beschrieben, nebenbei wird gefordert, die Soldaten der Wehrmacht zu ehren und die Mär vom „Großen Austausch“ wird verbreitet. Immer wieder tätigen Interviewpartner Aussagen, die die „Kriminalisierung“ und „Diffamierung“ Rechtsextremer und ihrer menschenfeindlichen Aussagen bemängeln.

Die Macher*innen scheinen hervorragend vernetzt zu sein: Neben Michael Brück, einem Gründungsmitglied der Partei „Die Rechte“, welche als Auffangbecken für ehemalige Mitglieder freier Kameradschaften gilt, werden dort z.B. der Organisator der rechtsextremen Kampfsportevents „Kampf der Nibelungen“, Alexander Deptolla, und der Bundesvorsitzende der NPD, Frank Franz, interviewt. Selbst ein ehemaliges Mitglied der britischen Neonazi-Band “No Remorse” wird interviewt. Die Band war in den 1980er Jahren an der Gründung des Netzwerks “Blood&Honour” beteiligt, welches in Deutschland seit dem Jahr 2000 verboten ist.

Gesicht des Kanals ist Sanny Kujath. Der 17-jährige Neonazi aus Zwickau, der mit seiner missglückten Kandidatur für den Jugendbeirat der Stadt Zwickau szeneinterne Bekanntheit erlangte, scheint sich von der Partei „Der III. Weg“ abgewandt zu haben und ist nun unter anderem im Umfeld der NPD und ihrer Jugendorganisation aufzufinden. Die Ausrichtung der Partei „Der III. Weg“, nicht an personeller Vergrößerung interessiert zu sein, könnte bei der Umorientierung eine Rolle gespielt haben. Das Anwerben jugendlicher Rechtsextremer scheint nämlich das Ziel des Projekts zu sein, welches um eine jugendliche Außenwirkung bemüht ist.

Ob die Organisation tatsächlich vor allem von Schüler*innen und Auszubildenden getragen wird, ist jedoch fraglich. In einem der Videos äußert sich Neonazi Tommy Frenck folgendermaßen: „Wir werden auch in Zukunft jetzt öfters so kleine 10, 15 Minuten-Sendungen aufnehmen“. Mindestens lässt dies vermuten, dass Herr Frenck in die mittelfristige Planung des Kanals integriert ist. Im zum jetzigen Stand (25.02.2020) neuesten Video auf dem “Backup”-Kanal der „JR” übernimmt Frenck sogar die Rolle des Moderators – Kujath fehlt ohne Erklärung. Allzu viele Jugendliche scheinen in der Gruppe demnach nicht zu sein. Neben dem Bedienen einer jugendlichen Zielgruppe scheint das Projekt auf eine Vernetzung verschiedener rechtsextremer Strömungen abzuzielen.

Die „Junge Revolution“ versteht sich nämlich nicht allein als rechtsextremes Jugend-Medienprojekt, sondern auch als aktivistisch. Neue Mitglieder werden gesucht und wiederholt wird sich in den Videos auf eine Zugehörigkeit zum „nationalen Widerstand“ berufen. Der eigens proklamierte Fokus der Gruppe liege auf der Vermittlung und Vernetzung junger Rechtsextremer, die auf der Suche nach strukturellem Anschluss innerhalb der rechtsextremen Szene sind:

Über verschiedene soziale Online-Netzwerke werden rechtsextreme Veranstaltungen beworben – eigene Veranstaltungen, sowie die nahestehender Gruppen:

Am Tag nach der „Rechtsschulung“ fuhren die Teilnehmenden nach Aussage von NPD-Politiker Sebastian Schmidtke gemeinsam nach Dresden, um dem dortigen Neonazi-Aufmarsch beizuwohnen. Neben Neonazi-Größen aus verschiedenen Regionen Deutschlands ist auf Fotos des Aufmarsches eine Gruppe junger Menschen um Kujath zu sehen, die ein Banner mit dem Logo der „Jungen Revolution“ tragen. Schmidtke war bei der Veranstaltung als Ordner aktiv.

Außerdem werden Spendenaufrufe anderer Projekte der Szene geteilt, rechtsextreme Publikationen wie „N.S. Heute“ beworben und zur Unterstützung für die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck aufgerufen:

 

Vernetzungs-„Kongress“ im März

Von sich selbst behauptet die Gruppe, ein „ergänzendes Bindeglied“ in der rechtsextremen Szene darzustellen. Passend dazu wird seit November 2019 auf den verschiedenen Kanälen eine Veranstaltung mit dem Namen „Revolutionärer Kongress“ beworben. Dieser soll am 14.03.2020 in Zobes (Sachsen) stattfinden und ein Anlaufpunkt für rechtsextreme Jugendliche sein, um Kontakte zu Parteien oder anderen Organisationen zu knüpfen und sich weitergehend in der Szene zu betätigen. Für Teilnehmer*innen bis 18 Jahre ist der Eintritt frei – die Suche nach rechtsextremem Nachwuchs scheint dringlich zu sein. In einer Umfrage auf dem Telegram-Kanal der Gruppe wird jedoch deutlich, dass die Jugendlichen dort eher in der Minderheit sein werden.

Die jugendliche Aufmachung wirkt wie eine Strategie der Selbstverharmlosung, die auf die zahlreichen Verbote rechtsextremer Veranstaltungen in letzter Zeit reagiert. Erst letztes Jahr wurde der „Kampf der Nibelungen“ verboten, der als Vernetzungstreffen der deutschen und europäischen Rechtsextremen gilt. Angekündigt beim „Revolutionären Kongress“ sind die NPD, ihre Jugendorganisation “JN”, sowie die Partei „Die Rechte“. Außerdem verschiedene rechtsextreme Medienprojekte, sowie „Kampf der Nibelungen“, die rechtsextreme „GefangenenHilfe“ und einige „Liedermacher“, darunter Frank Rennicke. Geschichtsrevisionismus ist auch im Video-Teaser der Veranstaltung vorhanden: Dort wird das Buch „Der Befehl des Gewissens“ gezeigt, welches 1937 im Zentralverlag der NSDAP erschien und auf der „Kasseler Liste“ indizierter Bücher steht.

Die Anwesenheit von über 14 „Funktionären“ wird versprochen, weswegen die Vermutung naheliegt, dass nicht nur die namentlich aufgeführten Organisationen anwesend sein werden, sondern mutmaßlich auch weitere Gruppen oder Personen, die weniger öffentlich agieren. Unabhängig davon, wer außerdem auf der Veranstaltung präsent sein wird, ist die Gruppe „Junge Revolution“ schon jetzt tief in bedeutende Neonazi-Strukturen eingebunden und organisiert mit ihrem „Kongress“ eine weitere Vernetzungsveranstaltung für Rechtsextreme aus dem gesamten Bundesgebiet.

Das Zusammenbringen verschiedener Lager der Rechtsextremen ist eine Entwicklung, die in letzter Zeit immer häufiger beobachtet werden kann. Das apokalyptische Weltbild des „Großen Austauschs“ scheint seine Wirkung zu entfalten und die Völkischen, die Verschwörungstheoretiker, „Reichsbürger“ und andere Rechtsextreme zusammenzubringen. So kamen die Mitglieder der „Terrorgruppe S.“ aus sehr verschiedenen Milieus, was sie allerdings nicht daran hinderte, Anschläge zu planen, um zu versuchen einen Bürgerkrieg herbeizuführen. Selbst wenn die weitere Vernetzung etablierter rechtsextremer Lager nicht gezwungenermaßen einen baldigen Bürgerkrieg bedeutet, sollten die Bestrebungen zum Zusammenrücken mit Sorgfalt beobachtet werden.

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Ab dem 01. April 2021 soll es eine Ermittlungsgruppe zu Rechtsextremismus in der Berliner Polizei geben, die beim Landeskriminalamt angesiedelt sein wird. Damit reagiert die Polizei auf verschiedene rechtsextreme Vorfälle und Verwicklungen innerhalb der eigenen Reihen. Wie erfolgreich kann eine derartige Ermittlungen unter Kolleg*innen sein? 

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