„Eine kurze Gerade durchdringt die schlecht formierte Deckung und schlägt mitten im Gesicht des Kämpfers ein – die Halle tobt. Tränen steigen ins Auge des zu Boden Sinkenden während langsam Blut über sein Gesicht sickert. Ein kurzes Aufbäumen des Willens, doch der Versuch ist zwecklos: Bevor er aufstehen kann, hat der Ringrichter ihn ausgezählt.“
So beschreibt das rechtsextreme Magazin „Reconquista“ den „Kampf der Nibelungen“ im Jahr 2015. Die Besucher_innen und Teilnehmer_innen des Turniers verbindet die Vorliebe für brutal ausgetragene Kämpfe in den Bereichen MMA (Mixed Martial Arts), Boxen und K1 (Regelwerk für verschiedene Kampfsportarten wie Boxen, Karate, Muay Thai, Taekwondo, Kickboxen, Savate ). Mindestens eine genau so große Rolle wie der sportliche Aspekt spielt die politische Komponente der Veranstaltung. Das wird schon in der Beschreibung der Facebookgruppe deutlich: „Es gibt den „Kampf der Nibelungen“ nur, weil von den Teilnehmern anderer derartiger Veranstaltungen ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung erwartet wird. Hier hingegen treffen sich Menschen, die den Sport nicht als Teil eines faulenden politischen Systems verstehen“, heißt es in der Beschreibung der Facebook-Seite, die für die Veranstaltung 2015 genutzt wurde.
Am vergangenen Samstag, 01.10.2016, fand der jährlich stattfindende Wettkampf zum vierten Mal statt. Der „Kampf der Nibelungen“ wird, so gut es geht, vor der Öffentlichkeit geheim gehalten: Der genaue Veranstaltungsort wird nicht offiziell bekannt gegeben, nur Karteninhaber_innen bekommen ihn mitgeteilt. Tickets gibt es ausschließlich per Mailanfrage. Pressevertreter_innen sind selbstverständlich unerwünscht. Ausnahmen waren 2015 das rechtsextremen „Reconquista“-Magazin sowie der ebenfalls rechtsextreme „Tremonia“-Blog.
Trainieren für den Kampf auf der Straße: „Solche Events dienen nicht der Unterhaltung“
„Es muss auch Wettkämpfe geben, wo sich die besten aus unseren Reihen gegenseitig messen. Die besten aus unseren Reihen – den europäischen Reihen. Nicht nur deutsche Stämme, die sich untereinander zeigen und beweisen, sondern eben wie heute auch Franzosen oder Ungarn, die hier sind, um sich mit ihren weißen Brüdern zu messen“, sagt ein Besucher 2015 über den „Kampf der Nibelungen“ im Interview mit dem „Tremonia“-Blog.
Den Teilnehmer_innen geht es aber nicht nur um einen Wettkampf untereinander. Der Podcast macht zwischen den Zeilen deutlich, dass sie sich auch im Training für Kämpfe gegen Andersdenkende auf der Straße sehen: „Es ist in der heutigen Zeit ganz offensichtlich, dass wir alle etwas für unsere Fitness tun müssen, denn es kommt definitiv der Tag, an dem wir auch selber aktiv werden müssen. Und von daher sind eigene Veranstaltungen definitiv besser als Veranstaltungen, in denen wir unsere Meinungen zurückstecken müssen und uns mit diesen ganzen multikulturellen Mitmenschen in einen Ring stellen müssen“, erklärt ein Besucher. „Ich denke, irgendwann wird die Bühne schon kommen, auf der wir den Jungs gegenüberstehen. Das muss nicht unbedingt auf einer Veranstaltung sein.“
In dem „Reconquista“-Artikel schreibt der Autor: „Wenn Hab und Gut oder sogar Leib und Leben bedroht werden und ein wilder Mob die Straße beherrscht, dann könnte es sinnvoll sein, wenn sich der Einzelne auf seine eigene Stärke verlassen kann.“ Die Facebook-Kommentare von Besucher_innen des Turniers haben einen ähnlichen Tonfall. Ein Nutzer, der offensichtlich großer Fan vom „Kampf der Nibelungen“ ist, schreibt nach der Veranstaltung: „Es ist aber auch jedem anzuraten organisiert euch, unterstützt nationale Strukturen, bleibt wehrhaft und treu. Wir stehen in schlimmen Zeiten. Und solche Events dienen nicht der Unterhaltung.“
Einschlägige Modemarken finanzieren die Veranstaltung und schicken eigene Teams in den Ring
Die Sponsoren vom „Kampf der Nibelungen“ sind einschlägige Modemarken aus der neonazistischen Szene: „Greifvogel Wear“, „Sport Frei“, „Black Legion“ und „Pride France“.
Der Geschäftsführer von „Greifvogel Wear“ ist laut Impressum der Website Sebastian Raack, ein bekannter Dresdner Neonazi und Hooligan. Er ist ebenfalls „Ansprechpartner“ für das Label „OPOS-Records“, eines der wichtigsten sächsischen Label für NS-Hardcore-Musik. In einem Facebook-Post von „Greifvogel Wear“ heißt es: „Wehrhaftigkeit ist die Pflicht eines jeden Einzelnen von uns und Euch, die Ihr Euch anschickt, einst das germanische Sparta zu errichten.“
Die Marke „Sport Frei“ ist besonders in der rechtsextremen Hooligan-Szene beliebt. Angemeldet ist sie auf Henrik Ostendorf aus Bremen. Für Verfassungsschützer_innen gilt er als „Drahtzieher im internationalen Netzwerk zwischen NPD, NS-Skin-Milieu und der Hooliganszene“. In der Vergangenheit zählte er zum Umfeld der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN), der 1992 verbotenen „Nationalistischen Front“ (NF) sowie der 1994 ebenfalls verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP). Er wurde zum Führungskreis der militanten Bremer Hooligan-Truppe „Standarte 88“ gezählt, die sich 2015 auflöste, und schwärmte außerdem öffentlich von „ehrlichen Gesprächen“ mit ehemaligen SS-Männern.
„Black Legion“ wurde erst in diesem Jahr gegründet. Vor dem „Kampf der Nibelungen“ versuchen sich die Verantwortlichen der Marke auf Facebook an einem Gedicht über die Veranstaltung:
„Nazis raus“ schallt es noch in meinem Ohr,Kriminelle Banden bereiten sich vor.Auf den nächsten Überfall, doch wir sind bereit,uns zur Wehr zu setzen, es ist längst an der Zeit.Stärke Körper und Geist für die nächste Schlacht.Sie haben dich besiegt, aber nicht umgebracht,es macht dich härter und du weißt es einmal mehrDu musst stärker sein als sie!Kampf der Nibelungen, wir kommen!“
„Pride France“ schickt einen Kämpfer in den Ring, der mehr als alle anderen zeigt, wie die ideologische Ausrichtung vom „Kampf der Nibelungen“ ist. Tomasz Szkatulski macht kein Geheimnis aus seiner Zugehörigkeit zur gewaltbereiten Neonazi-Szene. Er trägt mehrere Tätowierung, darunter ein Hakenkreuz, den Schriftzug „White Power“ und ein Porträt von Rudolf Heß. Regelmäßig nimmt er an rechtsextremen Wettkämpfen teil. Szkatulski ist in Frankreich bei der rechtsextremen Organisation „Blood & Honour“ aktiv, auf Fotos sieht man ihn mit seinen „Kameraden“ hinter einer Fahne des Netzwerkes. In Deutschland wurde das Skinhead-Netzwerk, das europaweit Rechtsrockkonzerte und den Vertrieb neonazistischer Musik organisiert, 2000 verboten.
Auch das Team der Modemarke „White Rex“, das beim „Kampf der Nibelungen“ in den Ring steigt, ist regelmäßig bei neonazistischen Wettkämpfen in ganz Europa vertreten. „White Rex“ ist eine Marke aus Russland. Sie wurde von Denis Nikitin gegründet, angeblich am 14.08.08. Das Datum ist eine Kombination aus den beiden Zahlencodes „14“ und „88“. Die Zahl „14“ meint „14 Words“ und steht für den Satz „Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft weißer Kinder schützen“. Die „88“ ist der Code für „Heil Hitler“. Im Katalog von „White Rex“ finden sich T-Shirts mit in Deutschland verbotene NS-Runen. Auf der Internetseite werden wegen Mordes verurteilte Neonazis als „politische Gefangene“ bezeichnet, ein Facebook-Posting ist mit „Sieg Heil!“ unterschrieben.
Nikitin veranstaltet seit Jahren rechtsextreme Kampfsportevents. In Deutschland seien die Turniere noch recht klein, bei größeren Veranstaltungen in anderen Ländern hätte er aber schon bis zu 1.500 Besucher_innen gehabt, sagt er 2015 dem Tremonia-Blog. Nikitin scheint sich dabei besonders über die Behörden zu freuen, die sich ihm inzwischen nicht mehr in den Weg stellen würden: „In Russland hat sich die Lage inzwischen entspannt. Irgendwann haben die aufgehört, uns zu verjagen. In Moskau ist es inzwischen kein Problem, große Veranstaltungen zu machen. Selbst bei der letzten Veranstaltung, wo die ganzen Hooligans aus Moskau waren, hatten wir gar keine polizeiliche Präsenz.“
Wer organisiert den „Kampf der Nibelungen“?
Beim „Kampf der Nibelungen“ wollen die Teilnehmer_innen ungestört unter sich bleiben. Auch die Veranstalter_innen geben sich alle Mühe, um nicht erkannt zu werden. Um anonym bleiben zu können, haben sie ihre Internet-Seite über einen Hosting-Anbieter in den USA registriert, ein Impressum hat die Seite nicht und eine Anmeldung für die Veranstaltung ist nur über eine ebenfalls anonyme Mailadresse möglich.
So gelingt es den „Kampf der Nibelungen“-Teilnehmer_innen bisher gut, sich von der Öffentlichkeit unbemerkt zu treffen und zu vernetzen. Abgesehen von den oben genannten Sponsoren gibt es nur wenig Klarheit darüber, welche Personen für die Organisation und Durchführung des Turniers verantwortlich sind. Bei der zweiten Auflage der Veranstaltung 2014 in Vettelschloss spielte der Ludwigshafener Malte Redeker eine zentrale Rolle für die Organisation des Turniers. Nach eigenen Angaben gegenüber der Zeitung „Rheinpfalz“ war er der Mieter, der die Veranstaltungshalle für das Turnier reserviert hatte. Redeker ist laut Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke einer der „exponiertesten Personen“ der deutschen „Hammerskins“. Die „Hammerskins“ bezeichnen sich selbst als „Elite der Nazi-Skins“. Von ihrer Existenz in Deutschland weiß man seit 1991. Redeker gilt außerdem als einer der Drahtzieher des „Aktionsbüros Rhein-Neckar“, einem aktiven neonazistischen Netzwerk in Südwestdeutschland. Darüber hinaus soll er enge Verbindungen zu dem Netzwerk „LuNaRa“, „Ludwigshafener Nazis und Rassisten“, haben, die sich auch „NS-Hooligans“ nennen.
In diesem sowie im vergangenen Jahr gibt es Hinweise darauf, dass Dortmunder Neonazis an der Organisation und Durchführung vom „Kampf der Nibelungen“ beteiligt sind. Auf dem Blog von „White Rex“ heißt es in einem Eintrag zu dem Turnier 2015: „[…] was successfully held in October by our long-standing comrades in Dortmund.“ Der „Tremonia“-Blog und das Magazin „Reconquista“, die einzigen Medien, die Zugang zu der Veranstaltung 2015 hatten, kommen ebenfalls aus Dortmund. „Tremonia“ wird von Dennis Giemsch betrieben, der für kurze Zeit als Vertreter für die Partei „Die Rechte“ im Dortmunder Stadtrat saß.
Die Veranstaltung am vergangenen Wochenende sollte nach offiziellen Angaben wieder in Westdeutschland stattfinden, eine Wiederholung am gleichen Veranstaltungsort ist also wahrscheinlich. Die Partei „Die Rechte“ bewarb die Veranstaltung vorab über ihren Twitter-Kanal. Ein weiterer Hinweis: Die Eintrittskarten ließen sich über ein Dortmunder Postfach bezahlen.
Wiederholung im kommenden Jahr geplant
Bereits vier Mal konnte sich die rechtsextreme Szene beim „Kampf der Nibelungen“ ungestört treffen, sich in brutalen Kämpfen messen und sich auf einen angeblich nahenden Kampf auf der Straße vorbereiten. Wenn es nach den Veranstalter_innen geht, soll es auch eine fünfte Wiederholung des Neonazi-Treffens geben: Auf ihrer Facebookseite haben sie bereits angekündigt, dass der „Kampf der Nibelungen“ 2017 wieder stattfinden soll.