Johannes Filous und Alexej Hock, die Straßengezwitscher gründeten, waren Zeugen dieses Vorfalls. Beide waren entsetzt über die unverhohlene Gewaltbereitschaft und darüber, wie Anhänger von Pegida die Meinungsfreiheit instrumentalisierten, um das Persönlichkeitsrecht und die Würde anderer Menschen zu verletzen.
Am nächsten Tag fanden Filous und Hock keine Presseberichte über die Geschehnisse und fragten sich, wie viele Angriffe auf die Menschenrechte bisher nicht dokumentiert wurden. Um diese journalistische Lücke zu schließen, initiierten sie das Twitter-Portal @streetcoverage.
Seither (2017) hat das Portal knapp 6.000 Tweets über rechte Demonstrationen, über Beschimpfungen und tätliche Angriffe und über Statements prägender Figuren der rechten Szene veröffentlicht. Der Verein ist allerdings nicht nur auf der Straße präsent. Ein Großteil der Arbeit sei, wie Filous und Hock in einem Interview mit der ZEIT betonen, »Recherchearbeit« und die »Verifizierung« der recherchierten Informationen über Behörden und Pressestellen. (ZEIT Online vom 7.10.2016) Das Projekt erfüllt journalistische Standards und setzt zugleich neue Maßstäbe für den partizipativen Journalismus. Neben der Berichterstattung über die rechte Szene in Sachsen zeigt @streetcoverage auch das bürgerliche Engagement gegen Fremdenhass und für Weltoffenheit und Toleranz. Zudem unterstützen die Tweets jene, die Beschimpfungen und Diffamierungen in den sozialen Medien ausgesetzt sind.
Mittlerweile hat sich um das Twitter-Portal ein Netzwerk aus mobilen Reporter*innen gebildet, deren Artikel und Recherchen auf der Informationsplattform #crowdgezwitscher veröffentlicht werden. Die Plattform bietet neben einer zuverlässigen Liveberichterstattung auch thematisch verwandte Artikel und erklärt Zusammenhänge. Zudem organisierte Straßengezwitscher am 8. und 9. Oktober 2016 in Dresden den äußerst erfolgreichen Kongress »2gather«, der Engagierte gegen Rechts aus Zivilgesellschaft, Kunst, Journalismus und Politik zusammenbrachte und vernetzte. Weitere Veranstaltungen dieser Art sind geplant.
Straßengezwitscher berichtet informativ, unabhängig und mit hohem journalistischem Anspruch über rechtspopulistische und -radikale Bewegungen in Sachsen. Die Reporter*innen überlassen die sozialen Medien nicht dem Rechtspopulismus und dem Fremdenhass. Straßengezwitscher unterstützt Engagierte, klärt auf und bringt Menschen zusammen. Das macht Mut und gibt Hoffnung – zwei gewichtige Gründe, das Engagement des Vereins für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie zu nominieren.
@streetcoverage #crowdgezwitscher
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).