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„Klang der Reconquista“ – „Komplott“ rappt für die „Identitäre Bewegung“

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"Komplott" rappt für die "Identitäre Bewegung". Seine Musik verbreitet er über Youtube und Facebook. (Quelle: Youtube)

 

 

Der Rapper mit dem bezeichnenden Künstlernamen „Komplott“ ist der Star der „Neuen Rechten“. Die „Identitäre Bewegung“ nennt ihn den „Klang der Reconquista“. Er rappt mit viel Pathos über alles, was ihn als „Identitären“ aus der Gruppe „Kontrakultur Halle“ so umtreibt: die Geschichte seiner Ahnen, das Aussehen von Claudia Roth, angebliche „Überfremdung“ und vermeintliche „No-Go-Areas für Deutsche“, Ehre, Stolz und Identität. Auch das Lieblingsthema der „Identitären“ kommt natürlich nicht zu kurz: der vermeintliche „große Austausch“ der Deutschen durch eine andere Kultur.

Eingängige Beats, Massentauglichkeit und Verzicht auf rechtsextreme Parolen

Rechter Rap, zum Beispiel der von „n’Socialist Soundsystem“, ist meistens schlecht gemacht, ohne eingängigen Flow und mit einfallslosen Reimen. Reichweite und Aufmerksamkeit bekommt solche Musik außerhalb der eigenen Szene kaum. Das ist bei „Komplott“ anders. Bis jetzt hat er zwei Titel veröffentlich: „Europa“ und „Macht Kaputt“. Die Beats klingen professionell, sein Rap wenigstens mittelmäßig. Kurz: im deutschsprachigen Raum waren schon schlechtere Rapper_innen erfolgreich. Seine Musik geht ins Ohr, ist massentauglich. Auf Youtube hat das von der „Identitären Bewegung“ geteilte Video zum Lied „Europa“ bereits über 78.000 Views.

Anders als NS-Rapper wie „MaKss Damage“ verzichtet „Komplott“ auf rechtsextreme Parolen, stattdessen rappt er in seinem Track „Europa“ über „götterhafte Schöpferkraft“, Heldenlegenden und klassizistische Architektur. Rassistische Aussagen werden (meistens) unauffälliger verpackt: „Gibt’s mittlerweile Kleinstaaten, wo sich keiner mehr rein wagt, die Polizei keinen Einsatz wagt. Total vereinnahmt von Kriminellen, die so aussehen wie Robinsons Freitag.“ NS-Rapper wie „MaKss Damage“ formulieren solche Inhalte eindeutiger: „Ihre dreckigen, kriminellen Gangs. Früher hätte man so etwas [Geräusch von einem Pistolenschuss]. Jetzt toben sie sich bei uns aus, kriegen den Zaster rein geschoben […], stechen junge Deutsche ab während die Bullen daneben stehen und aus purer Angst so tun, als hätten sie es nicht gesehen.“ Im Vergleich zu „Makss Damage“ klingt „Komplott“ freundlicher, weniger aggressiv – die Aussage bleibt aber doch die gleiche.

Neben rassistischen Vorurteilen bedient „Komplott“ auch alle anderen Themen der „Neuen Rechten“. Er rappt über „Meinungskorridore“, gegen Antifaschismus, Antisexismus und „die da oben“. Den vermeintlichen „Genderwahnsinn“ kommentiert er mit: „auf Mann und Frau sind Mutanten die Antwort“. Die verhasste Grünen-Politikerin Claudia Roth beleidigt er flach: „Warum hat Claudia Roth so ’ne komische Warze in der wohlstandsverfetteten Mondgesichtvisage?“ Über deutsche Universitäten sagt er, dort gäbe es „nur chromosomgestörte Affen, die den ganzen Tag nur über doofe Homothemen quatschen“. Und Feministinnen würden aussehen wie „Jabba the Hutt“.

Ist Rap zu wenig „deutsch“ für die „Identitären“?

Mit den Inhalten seiner Texte sind wohl alle „Identitären“ einverstanden, bei der Musikform gibt es dagegen Uneinigkeit. In den sozialen Netzwerken wird diskutiert, ob Rap „deutsch“ genug für die eigenen Anliegen sei. „Ist Rap die richtige Kunstform diese Nachricht zu transportieren? Ich hab immer gedacht, dass sei Migrantenmusik“, fragt ein Kommentator auf der Facebook-Seite der „Identitären Bewegung“. Auch die Jugendorganisation der NPD beteiligt sich unter einem anderen Video an der Diskussion: „Mit welcher völkischen Identität verbindet man HipHop und Rap?“ Die „Identitäre Bewegung“ selbst schreibt: „Viele Jugendliche in unserem Alter sind von der Musik deutscher, wie auch internationaler Rapper inspiriert worden. Und so zählt auch dieses Musikgenre mittlerweile fest zum „Zeitgeist“ und zur Lebenswelt vieler junger Menschen. Warum sollte man also diese Art von Musik nicht einmal auf patriotische Art und Weise interpretieren?“

„Komplott“ gerät bei der Frage nach der Herkunft des Rap-Genres ins Schleudern. Im Interview mit dem Onlinemagazin „Jäger und Sammler“ kann er sich eine Antwort nur zurechtstammeln: „Rap ist nicht besonders deutsch – wenn man so will. Auf der anderen Seite könnte man jetzt sagen, dass es Dichtkunst schon seit jeher in Deutschland gab. Aber ich verstehe schon die Frage. In dem Fall hat’s dann halt trotzdem funktioniert.“

„Komplott“ über „deutsche Phänotypen“, „No-Go-Areas“ und Goebbels „Sportpalastrede“

Aber was ist denn überhaupt „deutsch“ für „Komplott“? So richtig erklären kann er das auch nicht. Irgendwas mit Herkunft und Phänotypen. Klarer ist für ihn hingegen, wer alles nicht „deutsch“ ist. Seine Interviewerin, die Journalistin und Youtuberin Naomi Nemi El-Hassan, ist es zum Beispiel trotz deutscher Staatsbürgerschaft nicht: „Das hat ja nichts damit zu tun, dass ich dir jetzt irgendwie den Wert absprechen möchte, Deutsch zu sein“, sagt er ihr im Interview. Zugehörigkeit zu einer Ethnie sei eben eine ethnologische Tatsache. Genau so wenig könne er sich einfach dazu entscheiden, „ne japanische Frau zu sein oder sowas“.

Von denen, die seiner Ansicht nach nicht „deutsch“ sind, gibt es in Deutschland auf jeden Fall zu viele, findet „Komplott“. Im Interview schwadroniert er  von „No-Go-Areas für Deutsche“ und von einem „großen Verlust des öffentlichen Raumes“ an „Fremde“: „Öffentliche Plätze sind belagert von fremdländischen Menschen, von denen niemand weiß, wo sie herkommen. Die Frage ist, was machen diese Menschen hier.“ Einige Sätze später fügt er hinzu: „Das kann man jetzt nicht jedem Menschen unterstellen, aber es findet derzeit sehr viel Kriminalität statt.“ Als rassistisch oder gar rechtsextrem sieht sich „Komplott“, dessen Aussagen man auch mit „Alle Einwanderer sind kriminell“ und „Deutschland den Deutschen“ zusammenfassen kann, trotzdem nicht. Er sei „patriotisch“. Eine klare Abgrenzung zum Nationalsozialismus scheint ihm aber doch schwer zu fallen. Als die Interviewerin ihn auf Parallelen zwischen seinem Liedtext und der „Sportpalastrede“ von Goebbels hinweist, antwortet „Komplott“: „Naja, keine Ahnung was Goebbels da gesagt hat. Goebbels hat viel gesagt. Aber das heißt ja nicht, dass das mit meinem Text was zu tun hat. Ich meine, Goebbels hat auch Brot gegessen wahrscheinlich.“

„Komplott“ möchte mit seiner Musik „zum Nachdenken anregen“ und „eine neue Protestkultur entwickeln“. Man solle sich nicht mehr verstecken. Dass „Komplott“,  der Identitäre Rapper, der sich nicht mehr verstecken will, seine Identität geheim hält, passt nur zu gut zu all den anderen Widersprüchen, in die er sich verstrickt.

Noch mehr „Ich bin keine Rassist, aber“-Rap: „Dissziplin“ und „Der Deutsche Patriot“

„Komplott“ ist der erste Rapper innerhalb der „Identitären Bewegung“. Die haben das Genre aber auch schon früher für sich entdeckt. Im Februar 2015 bewarben sie auf Facebook den Cottbusser Rapper Ben Arnold. Er macht Musik unter dem Namen „Dissziplin“. Arnold bestreitet Nazivorwürfe ebenfalls vehement. Fragwürdig sind seine Texte wie “ Schwarz-Rot-Gold, das ist mein Blut, mein Stolz, mein Volk“ dennoch.

Ein weiterer Rapper, der „identitäre“ und „neurechte“ Themen in seinen Texten verarbeitet, ist „Der Deutsche Patriot“ Chris Ares. Die „Identitäre Bewegung“ bewirbt ihn auf ihrer Facebook-Seite: Er habe die Rap-Szene von einem „schmuddeligen migrantisch geprägten Ghettorap“ zu einem Milieu verändert, „welches es sich zur Aufgabe gemacht hat, die wichtigen Fragen um unsere ethnokulturelle Identität in den Fokus zu rücken.“ Im Gegenzug teilt Ares auf Facebook die Aktionen der „Identitären Bewegung“, in dem Musikvideo zu seinem Track „Deutscher Patriot“ taucht ihr Logo an mehreren Stellen auf. Wie „Komplott“ und „Dissziplin“ betont Ares immer wieder, er sei „patriotisch“ und weder Rassist noch rechtsextrem. Seine Texte sprechen eine andere Sprache, der „nicht vorhandene“ Rassismus klingt zum Beispiel so: „Bereicherung wird propagiert von ganz oben. Ich kann das nicht nachvollziehen, was sie gewissenlos in unser Land holen“. Wen genau er mit denen „ganz oben“ meint, bleibt unklar. Die Hörer_innen scheint das auch nicht besonders zu interessieren, mit seinen Texten ist Chris Ares erfolgreich. Seine Musikvideos haben auf Youtube teilweise mehr als 100.000 Views.

Youtube-Kommentare zeigen: „Patriotischer“ Rap gefällt auch Neonazis

Dass die Musik von „Komplott“ trotz aller vorsichtigen Formulierungen und „Ich bin ja kein Nazi“-Aussagen sehr wohl auch bei Neonazis gut ankommt, zeigt ein Blick in die Youtube-Kommentarspalten. „NS Rap“ und „Heil Euch!?“, heißt es unter einem Video von „Komplott“. Seine beiden bisher veröffentlichten Lieder wurden (wie die von „Dissziplin“ und Chris Ares) bereits zu einer Playlist mit dem Titel „NS Rap“ hinzugefügt. Und unter einem Video zu dem Track „Europa“ gibt es kaum einen Kommentar ohne „Heil“-Grüße, „White Power“-Parolen oder Zahlencodes wie die „88“.

Propaganda-Strategie der „Identitären“

Mit der Rap-Szene versucht die „Neue Rechte“ eine weitere Subkultur für sich und ihre Ziele zu nutzen. Beim „Identitären“ Rap lassen die Texte Raum für Interpretationen, sind vieldeutig. Dennoch verfolgen sie eine ernsthafte politische Agenda. Sie sind nicht explizit rechtsextrem – und schrecken darum Hörer_innen, die keine rechtsextremen Tendenzen haben, nicht sofort ab. Diese Art von rechtem Rap birgt darum die Gefahr, mehr Menschen für Themen der „Neuen Rechten“ zu begeistern, sie harmlos oder gar sympathisch erscheinen zu lassen.

„Rechter Rap ist gegen alles: oben, außen und er tritt nach unten“, sagt Naomi Nemi El-Hassan nach dem Interview mit „Komplott“. „Eine Musikform, die eigentlich den Weg zum sozialen Aufstieg bereiten soll, die konstruktiv ist, die ein Sprachrohr ist, wird in Form von rechtem Rap nur zerstörerisch und hilft niemandem weiter.“

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