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Klarstellung Was sagt die Amadeu Antonio Stiftung?

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Was wir eigentlich sagen wollen. (Quelle: Meme / Internet)

Auch wenn wir unsere Arbeitszeit lieber auf andere Dinge verwenden als auf die Richtigstellung kurioser Dinge, die über die Amadeu Antonio Stiftung im Netz verbreitet werden, brauchen manche Erzählungen im Netz doch eine Antwort, um nicht als scheinbar unwidersprochen dazustehen.

 

Behauptet die Amadeu Antonio Stiftung, die CDU gehöre zur „Neuen Rechten“?

Heute aktuell behauptet ein Artikel in der F.A.Z., ein Jugendprojekt im Rahmen unseres Partnerprojektes no-nazi.net, das „Wiki Neue Rechte„, stelle die CDU als Teil der „Neuen Rechten“ dar. Wenn Sie nun denken, das ist Unfug: Das sehen wir auch so. Hier die Klarstellung der Amadeu Antonio Stiftung zu diesem Sachverhalt:

Am 16. August 2016 erschien in der Frankfurter Allgemeine Zeitung ein Artikel von Rainer Meyer, der auch als Kommentator „Don Alphonso“ für die F.A.Z. bloggt. In diesem Artikel unterstellt Meyer, dass im Wiki „Neue Rechte“, das in einem Jugendprojekt für 16- bis 25-Jährige im Rahmen des Projektes „no-nazi.net“ entstanden ist, suggeriert werde, die CDU sei ein Teil der „Neuen Rechten“. Diese Darstellung ist grundlegend falsch und eine Unterstellung, gegen die sich die Amadeu Antonio Stiftung entschieden wehrt:

Weder die Amadeu Antonio Stiftung noch das Wiki „Neue Rechte“ behaupten die CDU sei der „Neuen Rechten“ zuzuordnen. Im Wiki werden bekannte Personen benannt, die im Zusammenhang mit der „Neuen Rechten“ stehen und wie diese öffentlich auftraten und auftreten. Es wird ausschließlich im Zusammenhang mit vier Personen auf die ehemalige und in einem Fall bestehende CDU-Mitgliedschaft hingewiesen – namentlich: Alexander Gauland, Peter Münch, Martin Hohmann sowie Hedwig von Beverfoerde. Damit kommt die CDU durch den technischen Aufbau des Wikis als Schlagwort in der Kategorie „Partei“ vor. Darüber hinaus ist die CDU als Partei nicht Gegenstand des Wikis.

Es ist kaum zu glauben, dass Rainer Meyer als netzaktiver Journalist dies nicht durchschaut. Auch eine Nachfrage, die den Sachverhalt hätte klären können, blieb im Vorfeld des Artikels aus. Stattdessen schreibt Meyer: „Die Brückenfunktion erfüllen laut der Webseite „Neue Rechte“ Gruppierungen wie die rechtsextreme Partei „Der III.Weg“, die NPD, „Die Rechte NRW“ – und erstaunlicherweise auch die Regierungs- und Kanzlerinpartei CDU. Angela Merkel müsste demzufolge als Chefin einer Partei gelten, die der „Neuen Rechten“ zugeordnet wird.“  Dies wird im Wiki nirgendwo gesagt – weil es falsch ist. Es ist eine unzulässige Behauptung, dass der Hinweis auf die CDU-Mitgliedschaft eine Aussage über die CDU als Partei beinhaltet.

Selbstverständlich werden alle Einträge mit besonderer Sorgfalt überprüft werden, auch um Missverständlichkeiten zu vermeiden. Es handelt sich bei diesem, wie auch anderen Wikis, um recherchierte und zusammengetragene Informationen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Das Wiki lebt von konstruktiver Kritik und einer stetigen Aktualisierung durch die Nutzer_innen.

Zur Meinungsfreiheit gehört, dass auch die Amadeu Antonio Stiftung überzogene Kritik in Meinungsbeiträgen dulden muss. Der Artikel von Herr Meyer wurde im Print jedoch in der Rubrik Medien veröffentlicht und war nicht als Meinungsartikel gekennzeichnet. Die Amadeu Antonio Stiftung prüft rechtliche Schritte.

 

Des weiteren gibt es aktuell eine Vielzahl von Falscherzählungen zum Engagement der Amadeu Antonio Stiftung gegen Hassrede im Internet.  

Kontrolliert die Amadeu Antonio Stiftung a) Facebook b) das Löschverhalten von sozialen Netzwerken c) Heiko Maasd) das Bundesjustizministerium?Fordert die Amadeu Antonio Stiftung Gesetzesverschärfungen, Zensur, Einschränkung der Meinungsfreiheit?Führt sie Pranger-Listen, reicht sie Lösch-Listen ein?

 

Dazu hat die Amadeu Antonio Stiftung im August 2016 Antworten veröffentlicht, die wir hier auch wiedergeben möchten:

 

Seit einigen Monaten wird mit einer beispiellosen Kampagne versucht, die Arbeit der Amadeu Antonio Stiftung zu diskreditieren. Dabei geht es vor allem um ihr Engagement zum Thema Hassrede.

Die Stiftung ist seit vielen Jahren gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und weitere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aktiv. Angesichts der Zunahme von Gewalt gegen Flüchtlinge und Migrant_innen hat sich die Stiftung mit der Hetze gegen Geflüchtete in Sozialen Netzwerken auseinandergesetzt. Das ist für viele bereits Grund genug in der Öffentlichkeit zu versuchen, die Stiftung in Verruf zu bringen. Dabei werden immer wieder bestimmte Fragen aufgeworfen. Die wichtigsten haben wir hier zusammengestellt.

 

1. Löscht die Amadeu Antonio Stiftung Beiträge, Kommentare oder Accounts auf Facebook?

Nein.Wie alle Nutzer_innen behalten wir uns lediglich das Recht vor, auf unserer eigenen Facebook-Seite beleidigende und hetzerische Kommentare sowie Falschmeldungen zu entfernen.

2. Stellt die Amadeu Antonio Stiftung Listen zusammen mit Seiten/Personen, deren Facebook- oder Twitter-Accounts oder Webseiten gelöscht werden sollen?

Nein.

3. In welcher Beziehung steht die Amadeu Antonio Stiftung zu Facebook?

Die Stiftung trifft sich in der Regel einmal im Jahr mit Facebook, um über die Entwicklung von Hassrede zu diskutieren. Dabei macht die Stiftung deutlich, dass Löschen und Verbote das eigentliche Problem nicht lösen. Dennoch: Was strafrechtlich in Deutschland relevant ist, soll von Facebook auch gelöscht werden. Wie Facebook darüber hinaus mit verletzenden aber nicht strafrechtlich relevanten Beiträgen umgeht, entscheidet das Unternehmen selbst. Die Amadeu Antonio Stiftung übernimmt eine beratende, vermittelnde und netzwerkbildende Funktion zwischen dem Unternehmen Facebook und den Nutzer_innen im deutschsprachigen Raum, mit dem Ziel, Gegenrede und Aktivist_innen zu stärken, die sich für Demokratie und gegen Hass auf Facebook engagieren.

Deshalb ist die Amadeu Antonio Stiftung auch Partnerin der 2016 von Facebook gegründeten „Initiative für Zivilcourage Online / Online Civil Courage Initiative (OCCI)“. Diese soll wissenschaftliche Untersuchungen zu Hassrede und ihren Auswirkungen erstellen, Workshops für Engagierte, Kreative und Programmierer_innen anbieten und so Gegenrede und die digitale Zivilgesellschaft auf Facebook stärken.

4. Die Amadeu Antonio Stiftung wird immer wieder in Zusammenhang mit der „Task Force“ von Bundesjustizminister Heiko Maas genannt. Was genau macht die Task Force? Welche Rolle spielt dabei die Amadeu Antonio Stiftung?

Bundesjustizminister Heiko Maas rief im Oktober 2015 eine „Task Force gegen Hassinhalte im Internet“ zusammen, um den Umgang mit rassistischer, antisemitischer und demokratiefeindlicher Hassrede im Internet zu erörtern. Eingeladen waren Vertreter_innen des Justizministeriums, von Internetunternehmen, Beschwerdestellen und NGOs – darunter die Amadeu Antonio Stiftung.

In der Task Force wurde vor allem über generelle juristische Fragen gesprochen. Wie zum Beispiel, ob das deutsche Recht bei Facebook angewandt wird, wie mit strafbaren Handlungen umgegangen wird und wie die Unternehmen auf den wachsenden Hass in den Sozialen Netzwerken reagieren können.

Die Amadeu Antonio Stiftung unterstützt die digitale Zivilgesellschaft, den Minderheitenschutz und öffentlichkeitswirksame Kampagnen für eine demokratische Debattenkultur. Diesen Ansatz hat sie auch in der Task Force immer wieder betont und noch einmal deutlich gemacht, dass löschen nicht immer die wirkungsvollste Art der Reaktion auf Hassrede ist.

(Ausführlich zur Task Force hier).

5. Was genau fordert die Amadeu Antonio Stiftung im Zusammenhang mit Hassrede im Internet?

Menschen, die Ziel von Hassrede werden, erfahren meist eine enorme psychische Belastung. Im schlimmsten Fall sind Drohungen und Gewaltaufrufe Teil der Hasskommentare. Das kann dazu führen, dass sich betroffene Personen oder Gruppen durch solche Einschüchterungen nicht mehr trauen, ihre Meinung in einem Sozialen Netzwerk zu vertreten, oder Kommentarfunktionen unter Medienberichten gänzlich abgeschaltet werden, da die zuständigen Moderator_innen die Masse an Hassrede nicht mehr bewältigen können.

Meinungsfreiheit muss auch für Menschen gewährleistet sein, die Ziel von Hassrede werden. Deshalb fordert die Amadeu Antonio Stiftung von der Politik, dass sie geltendes Recht auch in der „Online-Welt“ durchsetzt. Wenn Inhalte strafrechtlich relevant sind, müssen sie auch strafrechtlich verfolgt werden.

Von den Betreiber_innen Sozialer Netzwerke erwartet die Amadeu Antonio Stiftung, dass sie sich an ihre eigenen Verhaltenskodexe halten. Es macht keinen Sinn, abstrakt demokratische Diskussionskultur zu proklamieren, sich aber dann nicht konkret darum zu kümmern und auf Nutzer_innen-Anfragen zu wenig zu reagieren.

Die Amadeu Antonio Stiftung ruft die Nutzer_innen Sozialer Netzwerke zu einer Debattenkultur auf, in der auch bei kontroversen Themen ein respektvoller Umgang untereinander gesucht wird.  Demokratische Gegenrede ist eine Möglichkeit, mit Hassrede umzugehen. Eine andere ist den Opfern von Hassrede beizustehen.

6. Wie steht die Amadeu Antonio Stiftung zur Meinungsfreiheit?

Die Amadeu Antonio Stiftung sieht in der Meinungsfreiheit ein zentrales Prinzip der Demokratie. Sie folgt dabei dem Grundgesetz und der Rechtsprechung, die die Grenzen der Meinungsfreiheit dort sehen, wo sie andere beschränken. Die Stiftung fordert keinerlei Gesetzesänderungen. Auf Basis der Grund- und Menschenrechte tritt sie für die Wahrung eines respektvollen, nicht abwertenden, gleichwertigen Umgangs miteinander in Diskussionen ein –  auch im Internet.

7. Was versteht die Amadeu Antonio Stiftung unter Hassrede?

Hassrede ist ein politischer Begriff. In Deutschland orientiert sich dieser Begriff im Wesentlichen am Tatbestand der Volksverhetzung, Beleidigung und übler Nachrede. Die Stiftung vertritt die Auffassung, dass auch jenseits der strafrechtlichen Relevanz von Hassrede gesprochen werden kann, wenn Verfasser_innen darauf abzielen, Menschen oder Menschengruppen gezielt abzuwerten. Weitere Erläuterungen dazu finden sich in der Publikation der Amadeu Antonio Stiftung „Geh Sterben! Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet“(PDF-Dokument)8. Wie engagiert sich die Amadeu Antonio Stiftung zum Thema Hassrede?

Die Amadeu Antonio Stiftung setzt sich seit vielen Jahren für eine digitale Zivilgesellschaft ein. Dazu arbeitet sie seit 2010 mit verschiedenen Sozialen Netzwerken zusammen, darunter Facebook, Google und Twitter.

2009 engagierte sich die Stiftung gemeinsam mit Google/YouTube im Rahmen des Wettbewerbs „361 Grad für Toleranz und Respekt, gegen Hass und Gewalt“ und 2010 mit der Kampagne Soziale Netzwerke gegen Nazis.

Angesichts vielfältiger Formen von Hasspropaganda und Gewaltaufrufen publiziert die Stiftung Handreichungen und Broschüren zum Umgang zum angemessenen Umgang mit Hassrede. Auf Anfragen berät die Stiftung auch Unternehmen, Schulen oder andere Einrichtungen über Verbreitung und Formen von Hassrede.

Folgende Veröffentlichungen zum Thema Hassrede/Hate Speech sind in der Amadeu Antonio Stiftung erschienen:

Geh sterben! Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet (PDF-Dokument) (2015)Monitoringbericht 2015/2016 – Rechtsextreme und menschenverachtende Phänomene im Social Web (PDF-Dokument)Hetze gegen Flüchtlinge in Sozialen Netzwerken – Handlungsempfehlungen (PDF-Dokument) (2016)

In Kooperation mit Facebook:

Aktiv gegen Nazis – Mit einem Klick bist Du dabei (2012) Aktiv gegen Hassrede mit guten Strategien (2016)

In Kooperation mit der „Freiwilligen Selbstkontrolle Medien“:

Hass in der Demokratie begegnen / Unterrichtseinheiten (seit 2013)

Daneben sind Hassrede und Gegenrede immer wieder auch Thema auf der Website www.belltower.news der Stiftung, etwa in der Reihe Hass im Internet aktuell und im Monatsüberblick Internet & Social Media.

9. Anetta Kahane soll für die Staatssicherheit gearbeitet haben. Stimmt das?

Ja, Anetta Kahane wurde 1974 im Alter von 19 Jahren als IM angeworben. 1982 beendete sie aus eigener Initiative die Arbeit für den Staatssicherheitsdienst, was zu erwarteten erheblichen beruflichen und persönlichen Nachteilen führte.

Ab Anfang der 1980er Jahre engagierte sich Anetta Kahane für Bürger- und Menschenrechte und trat für die Rechte von Migrant_innen in der DDR ein. Sie wurde in dieser Zeit selbst observiert und stellte schließlich einen Ausreiseantrag. 1989/90 saß sie zum Thema Ausländerfragen für das Neue Forum am Runden Tisch.

Anetta Kahane hat sich umfassend für die Aufarbeitung ihrer IM-Tätigkeit eingesetzt. Sowohl in ihrer 2004 erschienenenAutobiographie als auch in Interviews gibt sie Auskunft darüber, vor welchem persönlichen Hintergrund sie sich für die Kooperation mit dem Staatssicherheitsdienst entschied, wie sich ihre Einstellung zur DDR veränderte und wie sie aus heutiger Perspektive diese Entscheidung beurteilt. Darüber hinaus drängte sie auf ein unabhängiges Gutachten. Dies wurde durch den Experten Dr. Helmut Müller-Enbergs angefertigt, der auf Grundlage der vorhandenen Akten den potentiellen Schaden ihrer IM-Tätigkeit für eventuelle Opfer einschätzen sollte. Im Gutachten enthalten sind detaillierte Informationen über die Kooperation von Anetta Kahane mit dem Staatssicherheitsdienst und eine Bewertung der Folgen. Dr. Müller-Enbergs kommt darin zu dem Schluss: „Anhaltspunkte dafür, dass Frau Kahane im Rahmen ihrer inoffiziellen Kooperation mit dem MfS in den Jahren 1974 bis 1982 Dritten Nachteile zugefügt hat, ergeben sich im Ergebnis des Aktenstudiums, anderer Überlieferungen und der umfänglichen Interviews nicht.“ Das vollständige Gutachten kann auf der Webseite der Amadeu Antonio Stiftung eingesehen werden.(PDF-Dokument)

Neben dem Gutachten von Dr. Müller-Enbergs finden Sie nachfolgend zwei Interviews, in denen sich Anetta Kahane zu ihrer IM-Tätigkeit äußert:

·Deutschland Radio Kultur: Im Gespräch mit Anetta Kahane: Unbeirrbares Engagement gegen rechten Hass (vom 06.06.2016)

·Interview in der tageszeitung: „Ich war nicht gemacht für die DDR“ (vom 30.08.2004)

Die IM-Tätigkeit Anetta Kahanes ist seit vielen Jahren öffentlich bekannt. Dennoch wird diese Information wiederkehrend als neu propagiert und mit aktuellen Debatten verknüpft, um sie als Person und die Arbeit der Amadeu Antonio Stiftung anzugreifen. Insbesondere aus rechtsextremen und rechtspopulistischen, aber auch aus antizionistisch-linken Kreisen wird dies nicht selten mit expliziter antisemitischer Hetze gegen Frau Kahane als Jüdin verbunden.

Mit der Zunahme von Hassrede allgemein haben auch die Diffamierungsversuche und Bedrohungen gegen Anetta Kahane und die Amadeu Antonio Stiftung stark zugenommen. Sehen Sie dazu die Pressemitteilung(PDF-Dokument)der Amadeu Antonio Stiftung vom 25. April 2016.

10. Wie ist die IM-Vergangenheit von Anetta Kahane mit dem Engagement der Stiftung für Zivilgesellschaft und demokratische Kultur vereinbar?

Die Qualifikation von Anetta Kahane für den Vorstandsvorsitz der Amadeu Antonio Stiftung ergibt sich aus ihrer Expertise durch ihren langjährigen Einsatz für Minderheitenschutz und die Stärkung einer demokratischen Zivilgesellschaft, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet.

Die derzeitigen Versuche, sie als Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung zu demontieren, berufen sich ausnahmslos auf den Zeitraum ihrer IM-Tätigkeit bis 1982. Doch gerade die Tatsache, dass Anetta Kahane die Stärke besaß, bereits 1982 trotz der zu erwartenden beruflichen und persönlichen Konsequenzen die Kooperation mit der Staatssicherheit zu beenden, gibt Aufschluss über den persönlichen Stellenwert demokratischer Prinzipien und den kritischen Reflexionsprozess, der dieser Entscheidung vorausging.

Nach ihrem Bruch mit der Staatssicherheit wurde sie selbst observiert, verlor ihre Anstellung an der Humboldt-Universität und wurde in ihrer Tätigkeit als Übersetzerin stark eingeschränkt. Anetta Kahane setzte sich bereits in den 1980er Jahren für Bürger_innen- und Menschenrechte und gegen Rassismus in der DDR ein – Themen, die alles andere als politisch opportun waren:

1989 initiierte Anetta Kahane eine Arbeitsgruppe des Neuen Forums Pankow zum Thema Ausländer_innen und Minderheiten in der DDR. Für das Neue Forum war sie Mitglied der Arbeitsgruppe Ausländerfragen des Zentralen Runden Tischs. In Folge dieser Tätigkeiten wurde sie Anfang Mai 1990 zur Ausländerbeauftragten von Ost-Berlin ernannt. In diesem Amt ging es vor allem um die Begleitung und Unterstützung von Flüchtlingen und Asylsuchenden. Durch die sich mehrenden Angriffe auf Geflüchtete gehörte auch die Suche nach Schutzkonzepten dazu. Nachdem das Amt der Ausländerbeauftragten von Ost-Berlin mit dem von West-Berlin zusammengeführt wurde, begann Anetta Kahane 1991 in Kooperation mit der Freudenberg Stiftung, die „Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen (RAA)“ in den Neuen Ländern aufzubauen. Der Schwerpunkt der RAA lag und liegt in der Herstellung von Bildungsgerechtigkeit, d. h. Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund.

Angesichts der zunehmenden Gewalt gegen Migrant_innen, aber auch gegen unangepasste Jugendliche, Obdachlose und andere Anfang der 1990er Jahre wurde immer deutlicher, dass die schulbezogene Projektarbeit nicht mehr ausreichte. Es brauchte Formen der Unterstützung für Menschen, die sich der Verbreitung von Rechtsextremismus vor Ort entgegenstellen. Hier waren zum Beispiel die Beratung von Kommunen gefragt, die Begleitung von Opfern rassistischer Gewalt, Ausstiegsmöglichkeiten für neonazistische Aktivist_innen, aber auch die Förderung lokaler Initiativen, die sich einer neonazistischen Hegemonie in ihren Regionen widersetzten oder die lokale Geschichte der Judenverfolgung aufarbeiteten.

Um Projekte fördern zu können, die den Gewaltexzessen und dramatisch zunehmenden Aktivitäten neonazistischer Organisationen und Parteien zivilgesellschaftlich entgegenwirken, gründete Anetta Kahane gemeinsam mit anderen die Amadeu Antonio Stiftung. Wichtiger Förderer war dabei die Freudenberg Stiftung. Deren Geschäftsführung war bereits 1990 von Anetta Kahane über ihre IM-Tätigkeit informiert worden und kam nach Akteneinsicht zu einem ähnlichen Ergebnis wie das oben erwähnte Gutachten von Dr. Müller-Enbergs. Die Freudenberg Stiftung unterstützt Anetta Kahane sowie alle Mitarbeiter_innen der Amadeu Antonio Stiftung bei ihrem Engagement für Demokratie und Zivilgesellschaft.

 

Lesen Sie auch:

| Rechtsextreme Kampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung (netz-gegen-nazis.de)

| Volle Kanne Hass (Tagesspiegel)

 

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