Von Jennifer Marken
Vor einer Woche, am 12.9., kam der homofeindliche Bus der Freifrau von Beverfoerde für drei Stunden nach Köln. Es war eine Blamage, 600 Gegendemonstranten sorgten dafür, dass kein Wort ihrer Ansprache zu hören war. Die Sprechchöre „Ihr seid so lächerlich“ füllten die Vorderseite des Kölner Hauptbahnhofes (vgl. Hagalil). Eine Woche tourte der Bus durch Deutschland, im Rahmen ihrer Kampagne gegen Schwule und Lesben. Vor einem Jahr hatten die organisierten Homofeinde schon einmal Köln angesteuert, seinerzeit hatten 700 Gegendemonstranten den Buch eingekesselt. Die Organisator*innen der „Bustouren“ scheinen sehr vermögend zu sein.
Wenige hundert Meter entfernt, an der Straßenbahnhaltestelle Heumarkt, befindet sich eine sich christliche nennende Buchhandlung: Die Marienbuchhandlung. Offenkundig als Reaktion auf die Bustour wurde dort vor wenigen Tagen ein riesiges Plakat angebracht, mit einer den Holocaust bewusst relativierenden Abbildung: Man sieht das Eingangstor zum Arbeits- und Vernichtungslager Auschwitz mit der geänderten Inschrift „Abtreibung macht frei“. Mitten auf der Scheibe prangt der Name der Buchhandlung: „Marienbuchhandlung“.
Als neuer Inhaber der christlichen Buchhandlung wird ein Karl Noswitz angegeben. Dieser wird auch als Verantwortlicher eine fundamentalistischen „Lebensschützer“-Website benannt, auf der sich Sätze finden wie diese:
„„Pro-Choice ist keine Meinung, sondern Mord“: Friedrich Andreas Stapf (71) tötete bislang weit über 100.000 Kinder im Bauch ihrer Mutter. Der „Schlächter von München“, wie ihn seine Kritiker nennen, betreibt Deutschlands größte Abtreibungsklinik, in der jedes Jahr 5.000 Kinder vor der Geburt umgebracht werden. Wo sind diese Kinder beerdigt? Nach dem Bayerischen Bestattungsgesetz müssen abgetriebene Kinder, die nicht bestattet werden, von der Abtreibungsklinik „auf einem Grabfeld zur Ruhe gebettet werden“. Bei 10.000 Bestattungen im Jahr in München müsste in jedem zweiten Grab ein abgetriebenes Kind beerdigt sein. Doch das Gesundheitsreferat der bayerischen Landeshauptstadt winkt ab: die Beisetzungen finden nicht in München statt. Unser Chefredakteur Karl Noswitz (57) hat das Massengrab in Hessen entdeckt. Dazu mehr im Artikel „Das Massengrab von Wiesbaden“.“ (so in der „Privat-Depeche“, liegt der Redaktion vor).
Die skandalöse Abbildung, die die Buchhandlugn zeigt, stammt ursprünglich von der winzigen Zentrumspartei. Die hatte einen entsprechenden Flyer bereits vor Monaten gedruckt und verteilt. Der kampagnenartige Charakter dieser gezielten Holocaustrelativierung durch selbsternannte „Lebensschützer“ zeigte sich auch drei Tage später, als der Bus der „Freifrau“ München erreichte:
Am Rande der „Demo für Alle“ – Kundgebung (#HassBus) in #München verteilte ein Mitglied der katholischen „Priesterbruderschaft St. Petrus“ gerade diese Flyer. Anschließend verschwand er in deren Münchner Niederlassung. Ekliger und NS-relativierender geht’s kaum. #NoFundis pic.twitter.com/bndPAhvUgQ
— Robert Andreasch (@robertandreasch) 15. September 2018
Der skandalöse Flyer hat bereits eine längere Karriere hinter sich: Bereits am 28.6.2018 studiert bei einer Bundestagsdebatte der AfD-Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann den Flyer mit der unzweideutigen Holocaustrelativierung. Eine Kamera hält die Szene fest (vgl. Huffington Post).
Das vor wenigen Monaten in Köln gegründete Rheinische antifaschistische Bündnis gegen Antisemitismus (RABA) hat als Erstes auf diesen antisemitischen Skandal von „Lebensschützern“ und Homofeinden aufmerksam gemacht. Holocaustleugnung und Homofeindschaft ist offenbar im christlichen Lager sehr verbreitet. Auch im liberalen Köln.
Immerhin: Inzwischen hat auch die Kölner Polizei und die Kölner Staatsanwaltschaft auf den RABA-Posting reagiert: Die Kölner Polizei teilte als Reaktion auf die Twittermeldung von RABA mit, dass sie eine mögliche Strafwürdigkeit überprüfe. Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn bestätigte gleichfalls, dass die Strafbarkeit des „christlichen“ Plakats zur Zeit überprüft werde: „Infrage käme zum Beispiel der Straftatbestand der Volksverhetzung in Form einer Verharmlosung des Holocaust“, berichtet der Kölner Stadt Anzeiger soeben.