Für die 30 – 35 Teilnehmenden am Köln-Mülheimer Bahnhof war es Routine: Sie inszenierten mit martialischem Auftreten und eingeübten arabischen Kampfparolen ihren antizionistischen Vernichtungswunsch.
Am Osterwochenende hatte das internationale Netzwerk Samidoun in Berlin-Neukölln, im Rahmen ihrer internationalen, kadermäßig organisierten antizionistischen Kampagne seine Vernichtungswünsche gegenüber Israel und Berliner Jüdinnen*Juden in Szene gesetzt: Mit aggressivem Auftreten und Terror verherrlichenden Kampfparolen, wie etwa „Tod den Juden“. Vorgeblich war dies eine Reaktion auf die jüngsten Auseinandersetzungen auf dem Jerusalemer Tempelberg. Der Anlass für solche Macht-, Einschüchterungs- und Rekrutivierungsinszenierungen ist jedoch nur vorgeschoben. Es geht nicht um Dialog mit Israel, um Politik, um Konfliktlösungen – es geht, gemäß der seit einem halben Jahrhundert betriebenen PFLP-Ideologie, um die Vernichtung Israels.
Das schwerpunktmäßig in Berlin arbeitende Recherche- und Dokumentationsnetzwerk Democ stellte einen Film ins Netz, in dem die ausgerufenen Parolen dokumentiert und übersetzt wurden:
Das Erschrecken war groß. Inhaltlich jedoch war daran nichts Neues: Solche Parolen wurden schon während des Gazakrieges 2014 sowohl in Berlin als auch in Köln kollektiv gebrüllt.
In einem Video zur Kölner „Gaza-Demonstration“ von 2014, organisiert von radikalen Palästinenser*innen, Islamist*innen, erdogannahen Kräften und einflussreichen Teilen der NRW-Linkspartei – aus deren Reihen die Kundgebung maßgeblich unterstützt wurde – ist dies eindrücklich dokumentiert worden.
Angemeldet werden solche Kundgebungen in der Regel von Einzelpersonen – in Berlin so wie auch in Köln-Mülheim. Faktisch ist Samidoun nach Einschätzung von Szenekenner*innen eine Vorfeldorganisation der in Israel, den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften PFLP. Deren erklärtes Ziel ist die Zerstörung von Israel. Demgemäß wurden in Köln vereinzelt auch englischsprachige einschlägige Parolen wie „From the river to the sea – Palästina will be free“ gebrüllt. Ansonsten beschränkte man sich, auch zum Selbstschutz, auf arabischsprachige Slogans.
Klandestine Arbeitsweise
Zum Selbstschutz arbeitet Samidoun insbesondere bei Kundgebungsanmeldungen überwiegend klandestin – so auch in Köln, seit mehreren Jahren. Ihre Machtdemonstrationen richten sich vorwiegend an junge, hier lebende Muslime und wird befeuert – letztlich ist es weitgehend eine Personalunion – von linksradikalen, vor allem im Internet agierenden Gruppierungen wie Young Struggle, Marx 21 oder Palästina spricht.
Der Kölner Ableger von Young Struggle tritt seit mehreren Jahren in den sozialen Medien auf. So hat die Kölner Seite auf Instagramm 450 Beiträge mit 1.265 Followern. Sich selbst verkaufen sie hierbei in linksradikaler Tradition als sozialistische und „internationalistische“ Jugendorganisation. Ideologisch lehnen sie sich an das schwer überschaubare „marxistische“, gewaltaffine Spektrum türkischer und kurdischer Kleingruppen an. Antisemitismus sowie selbstredend Antiamerikanismus ist hierbei sehr stark verbreitet, als verbindende Ideologie über Zwistigkeiten hinaus. Teils orientieren sie sich an der Kleinstpartei MLPD. Laut Verfassungsschutz ist Young Struggle der Dachverband der europäischen Jugendorganisationen der türkischen Marksist Leninist Komünist Parti (MLPK).
Young Struggle sucht Anschluss an aktuelle soziale Themen in Köln, wie etwa Miet- und Preissteigerungen, Streiks, sowie an die RAF angelehnte Forderung, „Freiheit für alle politischen Gefangenen“. Die Unterstützung sogenannter „politischer Gefangener“ in Israel ist auch das Ziel von Samidoun. In der Regel handelt es sich dabei um rechtsstaatlich verurteilte Menschen, die Terrorattentate durchgeführt haben.
Vereinzelt posten sie hierbei, die Strategie der Klandestinität partiell aufhebend, Videos mit eigenen Reden vor allem aus dem migrantischen Köln-Kalk sowie auch ein Foto ihres Veranstaltungssaales. Auch dort ist eine großformatige palästinensische Fahne zu sehen, als ideologisches Fundament.
Köln 2021: „Hanau wird nicht vergessen“
Besonders frappierend waren die Ereignisse am 19. Februar 2021, auf einer Demo, bei der es eigentlich um den ein Jahr zurückliegenden rassistischen Terroranschlag von Hanau gehen sollte. Gruppierungen wie „Young Struggle Köln“ und „Palästina spricht NRW“ hatten bundesweit knapp 300 Teilnehmende zum Köln-Nippeser Wilhelmplatz sowie zwei Stunden später zum Wiener Platz mobilisiert. Die Hälfte von ihnen posierte, ganz im Stile von Samidoun, mit erhobenen Fäusten gegen Israel – auf der Gedenkdemo zum Anschlag von Hanau – und bezeichneten Gaza in gewohnter antisemitischer Rhetorik als größtes Freiluftgefängnis der Welt. Immer wieder wurde mit gereckten Fäusten gegen Israel gehetzt, wurden Jüdinnen*Juden diffamiert.
Offenkundig waren die Redner*innen, im geistigen Einklang mit Neonazigruppierungen wie „Die Rechte“ in Dortmund, der Auffassung, dass die Morde in Hanau nur durch „den Zionismus“ bedingt sein könnten. Es erklangen auch Parolen wie „Migrantifada bis zum Sieg“ sowie „Palästina vom Fluss bis zum Meer“. Also Forderungen, die eine vollständige Auslöschung von Israel forderten.
Die Köln-Mülheimer Kundgebung
Die Samidoun-Kundgebung am vergangenen Samstag in Köln schließt daran unmittelbar an. Die Veranstaltung war die erste von Samidoun nach den Ereignissen an Ostern in Berlin zum „Tag des palästinensischen Gefangenen“. Schon im Vorfeld wurden die Ereignisse von Berlin in Abrede gestellt. Samidoun behauptete auf der Website der Gruppierung, dass die von antisemitischen und zur Vernichtung Israels sowie von Juden geprägten Kampfparolen so nicht gefallen seien oder, dass niemand gefunden wurde, der sie geäußert habe.
Optisch dominierten auf der Kundgebung palästinensische Fahnen, eine tunesische Fahne, Schriftzüge von Samidoun sowie zwei Plakate mit arabischen Parolen. Letztere wurde später wegen Gewaltbefürwortung konfisziert, wie die Polizei in einer Stellungnahme bestätigte.
Nach der ca. einstündigen Standkundgebung vor dem Köln-Mülheimer Bahnhof, die von minutenlangen einstudierten Kampfparolen geprägt waren, zogen die Teilnehmer über die Frankfurter Straße zum Wiener Platz. Hierbei verstärkten sich die Kampfrufe. Diese führten dazu, dass die Kundgebung vorzeitig – nach 75 Minuten – von der Polizei aufgelöst und Strafanzeigen gegen den Kundgebungsanmelder sowie weitere Teilnehmer gefertigt wurden. Diese sollen zu „Gewalt gegen das israelische Volk aufgerufen“ haben.
Die offen gewaltbereite antiisraelische Szene in Köln ist seit Jahren gefestigt. Infoveranstaltungen von pro-israelischen Gruppen wurden mehrfach beobachtet und gestört, so auch kürzlich ein Vortrag im Autonomen Zentrum (AZ) an der Luxemburger Straße. Ein Ausschluss von solchen „roten Gruppen“ wurde in Köln durch linke Gruppierungen bisher ausdrücklich abgelehnt. Bedrohungen von proisraelischen Menschen sowie von Jüdinnen*Juden sind in Köln weiterhin gegeben – auch durch diese Szene rund um Samidoun und Young Struggle.