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Kommentar Keine guten (Wahl-)Aussichten?

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Anetta Kahane ist Senior Consultand und ehemalige Vorsitzende des Vorstands der Amadeu Antonio Stiftung.

Ehrlich gesagt gibt es berechtigten Grund zur Sorge, dass damit eine Verschlechterung unserer Wirkungsbedingungen einhergeht. Bisher war es jedenfalls immer so, wenn etwas durch die Politik „verbessert“ werden sollte. Doch halt, hier muss ich mich korrigieren; die Politik hat ja in Deutschland nur bedingt Einfluss auf solche Entscheidungen und noch weniger auf Entwicklungen. Im Grunde sind es immer die Verwaltungen, die am Ende das Sagen haben. Die sagen: Das geht oder geht nicht, wir dürfen dies und jenes nicht, es muss aber begrenzt auf da und dort sein, und eigentlich ist das ganze Thema, obwohl es auf Zuständigkeiten und manchmal auch auf politischen Gusto zurechtgeschnippelt wird, uns immer noch zu komplex. Deshalb nennen wir das Ganze Extremismusbekämpfung, siedeln es ab sofort beim Innenministerium an und machen so viele Verwaltungsauflagen, dass ohnehin nur die Großunternehmen der Wohlfahrtspflege und bestimmte Kommunalträger mit dem Geld ein mehr oder weniger buntes Einerlei veranstalten können. Und die Politik, gemessen an den Wahlprogrammen, schwächelt angesichts dieser starken Interessen der Verwaltung, alles beherrschbar und komplexitätsreduziert zu halten – und dafür kann kein Wasserkopf groß genug sein.

Auf der anderen Seite bangen die Projekte und Initiativen, dass ihnen die Arbeit noch schwerer gemacht wird, sowohl politisch als auch technisch. Sie fürchten sich, kämpfen um den Status Quo und dabei gerät aus dem Blick, was wirklich gebraucht wird. Besonders hilfreich ist es dann, wenn einige hartgesottene Politiker und geistreiche Autoren in Zeitungen und Blogs sich über „Gutmenschen“ lustig machen, wichtige politische Themen wie die Situation im Iran und die Bedrohung gegen Israel gegen Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit auszuspielen. Damit verniedlichen sie nicht nur große, globale Probleme, sondern missachten die Basis ihrer eigenen Freiheit in der Bundesrepublik Deutschland.

Nein, die Machtübernahme der Neonazis steht nicht unmittelbar bevor und übrigens auch nicht die der islamischen Fundamentalisten. Doch möglicherweise wird es demnächst eine ultra-rechte Fraktion im europäischen Parlament geben, und dies ist der Ausdruck einer anschwellenden Stimmung in der Bevölkerung, die von Rassismus und Antisemitismus geprägt ist und sich gegen die Idee einer offenen, kosmopolitischen Gesellschaft in den einzelnen Ländern und der Europäischen Union wendet. Eine neue Studie, die wir demnächst der Öffentlichkeit vorstellen werden, belegt dies auf dramatische Weise.

Wir brauchen die Unterstützung der Gesellschaft

Nun zurück zu den „Gutmenschen“ im Sommerloch. Wenn wir darauf bestehen, dass es wirksame Programme gegen Rechtsextremismus und für eine lebendige demokratische Kultur geben soll, dann haben wir immer wieder die Aufgabe, sowohl unseren Tellerrand genau zu betrachten als auch darüber hinaus zu schauen. Beides ist nötig und jetzt ist der Moment, es zu tun. Im September sind die Wahlen und die Frage, was wird mit unserem Thema, das sich mehr und mehr globalisiert, ist noch nicht beantwortet. Wir haben eine Vorstellung davon, was alles nötig ist, um dem unseligen Trend anti-demokratischer Ideologien – natürlich auch in der „antiimperialistischen“ Linken – entgegen zu treten. Was wir dafür brauchen, ist die Unterstützung der Gesellschaft, deren demokratisches Betriebssystem von uns sozusagen gewartet und gepflegt wird. Das ist das Allerwichtigste.

Konkret geht es natürlich darum, die Beratungsstrukturen zu erhalten und weiter zu entwickeln, Geld für kleine zivilgesellschaftliche Projekte zu haben, die guten der Modellprojekte nun auch zu übertragen, die kommunale Verankerung bewährter Erfahrungen voran zu treiben. Und schließlich noch etwas: Auch wir sollten die politische Agenda nicht aus den Augen verlieren, nur weil wir mit vielem, zugegebenermaßen uninteressantem aber notwenigem Kleinkram zu tun haben. Wir sollten auf Europa schauen und uns nicht nur mit Rechtsextremismus beschäftigen, sondern Antwort auf die Frage finden, was demokratische Kultur darüber hinaus ganz praktisch bedeutet, wie wir Menschenrechte in den Alltag bringen, für uns alle. Für alle erdenklichen Vertreter von Minderheiten, für Flüchtlinge, Schwule, für Kinder und den völlig „normalen“ Rest. Für jeden. Selbst für die als Gutmenschen Beschimpften und sogar für Politiker und jene Autoren, die hierbei immer wieder zwei Dinge übersehen. Zum einen ist es sehr deutsch und nur in Deutschland üblich, das Wort Gutmensch als Beschimpfung zu verwenden. Und zum anderen sagt man im Jiddischen zu jemandem, er sei „a giter Mensch“, wenn er Verstand und Herz hat – ein gutes Herz, und ist es stark und groß genug für das oberste Gebot, die Gerechtigkeit, dann wird als besondere Auszeichnung das Adjektiv weg gelassen. Dann nennt man so jemanden „a Mensch“. So einfach ist das.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer!

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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