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Kommentar zur Woche Niemand will mehr Nazi sein

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Beate Zschäpe im Gerichtssaal in München am 10.11.2015: Auch sie spielt mit den gender-spezifischen Vorurteilen über Neonazis und nutzt sie bisher zu ihrem Vorteil aus. (Quelle: picture alliance / dpa)

Liebe Leser*innen,

ist es Ihnen auch schon aufgefallen? Niemand will mehr Nazi sein. Das begrüßen wir natürlich, allerdings häufen sich in den letzten Wochen die (Lippen-)Bekenntnisse  neonazistischer Führungsfiguren und Gewalttäter, die plötzlich keine Rechtsextremen mehr sein wollen. Prominentestes Beispiel diese Woche war NSU-Rechtsterroristin Beate Zschäpe, die bei den Morden an zehn Menschen beteiligt war und im Prozess vor dem Oberlandesgericht München eisern geschwiegen hat und damit ihren Ruf als rechtsextreme Ikone zementiert hat. Seit 2019 sitzt die zu lebenslanger Haft verurteilte Zschäpe in Haft, aus der sie Liebesbriefe mit Gleichgesinnten tauschte und sich als standhafte Neonazistin der 1990er „Baseballschlägerjahre“ von den rechtsextremen Kamerad*innen feiern ließ. Doch nun: Szenenwechsel. Ins Aussteigerprogramm des Landes Sachsen wolle Zschäpe, meldet die Sächsische Zeitung.

Damit folgt sie einem prominenten Mittäter: André Eminger, NSU-Unterstützer und dafür in Haft, soll seit Sommer 2022 im sächsischen Aussteigerprogramm sein und mit der Szene gebrochen haben. Immerhin zehn Monate Resthaft wegen anderer Taten wurden ihm daraufhin erlassen, ob Zschäpe auf Ähnliches hofft? Für die NSU-Unterstützung hatte war er zu 2 1/2 Jahren Haft verurteilt worden – danach ging er wieder auf rechtsextreme Konzerte, hatte Kontakt zu Rechtsterrorismus-Anwärterin Susanne G., wie die ZEIT recherchierte. Auch seine Frau und sein Zwillingsbruder gehörten zur rechtsextremen Szene. Diese Szene selbst reagiert überraschend ruhig auf die Ausstiegsbekundungen, statt über Verrat zu wettern. Ein Indiz, das an der Ernsthaftigkeit der Ausstiege zweifeln lässt. Wobei wir nur das Beste dabei wünschen: Jeder Nazi weniger ist gut. Wenn der Ausstieg ernst gemeint ist.

Andere wollen keine Rassist*innen sein – Polizist*innen etwa. Gut, wenn die Polizei sich deshalb Lehrbeauftragte in die Polizeihochschulen holen, die Antirassismus und anti-diskriminierende Praxis lehren können, weil es in Teilen der Polizei eben doch noch eine rassistische Alltagspraxis gibt. Wie kontraproduktiv allerdings, wenn die Polizei die Lehrbeauftragte sofort ihrer Aufgaben enthebt, wenn diese öffentlich – wenn auch in etwas markig gewählten Worten – darüber berichtet, wie viel Angst ihr als Frau mit Migrationsgeschichte die immer noch vorhandene rechtsextreme und rassistische Gesinnung in Polizeistrukturen macht.

NRWs Innenminster Herbert Reul machte dann vor, wie es schlimmst möglich geht: Statt auf das persönliche Erleben des Rassismus durch die Polizei der Lehrerin und Lehrbeauftragte Bahar Aslan bestürzt oder wenigstens empathisch zu reagieren – sprach er sich nicht etwa für die Entlassung rassistische Polizist*innen aus, sondern für die Entlassung der Dozentin. Was im Einzelfall tragisch ist – unsere Solidarität an Bahar Aslan – hat aber Folgen für uns alle: Die Polizei braucht antirassistische Lehrbeauftragte, die den Finger auf die wunden Stellen legen. Sonst wird der strukturelle Rassismus in Behörden niemals besser. Nach solchen Reaktionen wird es aber immer schwerer für die Polizei, diese auch zu finden.

Übrigens will auch Roger Waters kein Antisemit sein. Wie es damit lief, lesen Sie hier.

Ihre Simone Rafael

Chefredakteurin Belltower.News

 

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