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Kommunale Demokratie unter Druck? Angriffe, enthemmte Rechtsextreme und Gegenstrategien

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In Frankfurt (Oder) setzten Mitglieder der AfD Fraktion andere Stadträt*innen unter Druck um ihre Ziele durchzusetzen. (Quelle: picture alliance/dpa | Patrick Pleul)

Am 11. Oktober 2024 fand in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften das Demokratieforum der Körber-Stiftung statt, bei dem über die Resilienz demokratischer Institutionen in Städten, Gemeinden und Landkreisen diskutiert wurde. Im Fokus standen die Herausforderungen für Bürgermeister*innen sowie die Auswirkungen der Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen auf die kommunale Ebene.

Bürgermeister*innen im rauen Diskurs

In der ersten Runde berichteten Constance Arndt (Oberbürgermeisterin Zwickau), Silvio Witt (Oberbürgermeister Neubrandenburg) und Martin Heilig (2. Oberbürgermeister Würzburg) über die Anfeindungen, die sie bei der Ausübung ihrer Ämter erleben. Alle drei stellen fest: Es fällt zunehmend schwer, einen sachlichen und differenzierten Diskurs mit allen Bürger*innen zu führen. Ein großer Teil der Rückmeldungen auf ihre Arbeit sei respektvoll und wertschätzend, doch die ca. 10 Prozent der negativen Begegnungen belasteten die Verwaltung stark und prägten das Klima der politischen Kommunikation. Silvio Witt, der kurz vor dem Forum seinen Rücktritt bekannt gab, berichtete von steigendem Druck und persönlichen Anfeindungen, selbst gegen Familie, insbesondere seit der Corona-Pandemie. Die Entscheidung der Stadtvertretung, ein Verbot für das Hissen einer Regenbogenfahne am Neubrandenburger Bahnhof zu beschließen, kann symbolisch für die Herausforderungen stehen, denen sich Bürgermeister*innen gegenübersehen.

Constance Arndt sprach von der Notwendigkeit, die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Behörden zu verbessern. Heilig betonte, eine gute Kommunikation der Verwaltung sei entscheidend. Entscheidungen und Kompetenzbereiche der kommunalen Exekutive müssten niedrigschwellig und intensiv vermittelt werden. Möglichkeiten der Bürger*innenbeteiligung, zum Beispiel über Beiräte, seien wichtig für eine lebendige Demokratie in der Kommune. Zugleich müssten Bürger*innenbeteiligungsformate besser zu den oft sehr langwierigen Verwaltungsprozessen passen.

Wehrhafte Kommunen – Resilienz im populistischen Zeitalter

Im zweiten Panel diskutierten Klaas Müller (Verfassungsblog), Klaus Ritgen (Deutscher Landkreistag) und René Wilke (Oberbürgermeister Frankfurt/Oder) über die Strategien rechtsextremer Parteien in den Kommunen. Diese nutzen ihren wachsenden Einfluss bereits jetzt, um die geregelten Abläufe der kommunalen Politik und Verwaltung zu stören. Klaas Müller stellte einen instrumentellen Umgang der AfD mit dem Recht fest. Ihre Vertreter*innen bezögen sich rhetorisch positiv auf die Verfassung, schreckten aber nicht davor zurück, diese im Sinne ihrer Ziele zu brechen.

Wilke berichtete, dass die AfD als größte Fraktion im Stadtrat von Frankfurt/Oder Druck auf andere Fraktionen ausübe, um ihre Interessen durchzusetzen. Viele ehrenamtlich tätige Kommunalpolitiker*innen des gesamten politischen Spektrums hätten oft zu wenig Wissen über ihre rechtlichen Handlungsmöglichkeiten, auch bei rechtsextremen Parteien sei aber aktuell ein Lernprozess feststellbar. Bundesweit trage die AfD immer wieder bundespolitische Themen in die kommunalen Parlamente und lähme die Verwaltung durch massenhafte Anträge und Anzeigen, so Müller. Zwar gäbe es funktionierende Kontrollinstanzen, diese stünden jedoch unter erheblichem Druck, was den Umgang mit den Herausforderungen zunehmend erschwere.

Brauchen wir eine partizipative Erneuerung der Demokratie?

In der Diskussion um Bürgerbeteiligung erläuterten Barbara Bosch (Staatsrätin für Bürgerbeteiligung Baden-Württemberg), Paulina Fröhlich (Progressives Zentrum), Thomas Heilmann (MdB) und Katharina Liesenberg (Es geht los) die Rolle von Bürgerräten. Diese gelten als wichtiges Mittel für mehr Partizipation und differenzierte Debatten. Bosch berichtete über positive Erfahrungen mit dem Gesetz zur dialogischen Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg, das Bürgerforen institutionalisiert und sicherstellt, dass verschiedene Gruppen repräsentiert sind. Die Initiative „Es geht los“ organisiert bundesweit Bürger*innenräte zu verschiedenen Themen, Teilnehmende werden per Losverfahren eingeladen. Um Hürden abzubauen, gibt es umfangreiche Beratungs- und Unterstützungsangebote, auch um niedrigschwellig sonst schwer erreichbare Gruppen zu motivieren. Solche Beteiligungsformate seien insbesondere für Jugendliche wichtig, um deren politisches Engagement und Demokratiekompetenzen zu fördern, so Liesenberg.

Insgesamt illustrierte das Demokratieforum die Herausforderungen, vor denen das demokratische Miteinander in Kommunen und Gemeinden steht, angesichts wachsender rechtsextremer Einflussnahme und persönlicher Angriffe auf Kommunalpolitiker*innen. Die Diskussionen zeigten, dass es einer Kombination aus stärkeren Partizipationsmöglichkeiten und einem besseren Schutz der demokratischen Institutionen bedarf, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Eine Videodokumentation des Demokratieforums ist in Kürze über die Webseite der Körber-Stiftung abrufbar.

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