In der AfD gibt es Rassist*innen, Antisemit*innen, Islamfeind*innen, Homofeind*innen, Sexist*innen, Nationalist*innen – kurzum, es ist Common Sense, das Menschen nicht gleichwertig sind und nicht die gleichen Rechte haben sollten. Die AfD steht für ein Weltbild, in dem etwa diejenigen, die von der AfD als „deutsch“ definiert werden, wertvoller sein sollen als diejenigen, denen die AfD das nicht zugesteht (Etabliertenvorrechte, Rassismus, völkische Ideologie), in dem heterosexuelle Ehepaare mit Kindern als wertvoller angesehen werden sollen als Alleinerziehende oder Regenbogen-Familien (Homo- und Transfeindlichkeit), Migrant*innen und vor allem Muslim*innen als kaum integrierbar gelten, weil „kulturell“ zu verschieden werden (Rassismus, Islamfeindlichkeit, Flüchtlingsfeindlichkeit) und geheime Mächte am Werk gesehen werden, die etwa die Bevölkerung qua Migration „austauschen“ (Verschwörungsideologie, Antisemitismus).
All dies ist genau genommen bereits verfassungsfeindlich, weil es gegen die im Grundgesetz verbrieften Menschenrechte jedes Einzelnen geht. Allerdings interessiert sich der Verfassungsschutz erst dafür, wenn zur reinen Äußerung dieser Ideologie auch Bestrebungen kommen, diese durchzusetzen und dabei politisch als „Gegner*innen“ definierte Personen und Institutionen anzugreifen sowie Organe des Staates anzugreifen und zu delegitmieren mit dem Ziel, den demokratischen Staat oder zumindest wesentliche Teile davon abzuschaffen. Es geht um die „freiheitlich demokratische Grundordnung“ in Deutschland. Deren Kernelemente sind das Demokratieprinzip, das Rechtsstaatsprinzip und der grundrechtliche Schutz von Freiheit und Gleichheit.
In der Begründung (vgl. BTN) zur Beobachtung als „Prüffall“ und in Teilen als „Verdachtsfall“ hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beschrieben, was es bei der AfD sieht: Ihm sind „völkisch-nationalistische und muslim-, fremden- und minderheitenfeindliche Aussagen“ von AfD-Funktionär*innen und Mitgliedern aufgestoßen – Positionen die die Menschenwürdegarantie der Verfassung verletzen. Außerdem kommen Missachtung rechtsstaatlicher Grundprinzipien wie des Gewaltmonopols des Staates dazu – und Kontakte zu rechtsextremen Organisationen und Gruppierungen.
Das Verfassungsfeindlichkeits-Gutachten der AfD
Interessant ist in dieser Hinsicht auch ein Gutachten des Rechtswissenschaftlers Dietrich Murswiek, das die AfD selbst in Auftrag gegeben hat (veröffentlicht als Zusammenfassung von AfD-MdB Roland Hartwig, im Wortlaut auf netzpolitik.org). In dem Gutachten hat die Partei prüfen lassen, was ihr als verfassungsfeindlich vorgeworfen werden könnte. Hier gibt es eine Liste von Dingen, die Verfassungsschutzbehörden allerdings als „als Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen“ gewertet haben:
- Aufrufe zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung
- Aggressive „Systemkritik“ (Angriffe gegen das politische System aka „System Merkel“, Aufrufe zur Revolution gegen „das System“, polemische Kritik an „Systemparteien“, „Altparteien“, Forderungen nach „Systemwechsel“, „Systemüberwindung“)
- Delegitimierung des Staates wie „In Deutschland gibt es keine wirkliche Demokratie“
- Aufrufe zur politischen Gewaltanwendung
- Forderungen, z.B. unabhängige Gerichtsbarkeit abzuschaffen
- Pauschale negative Werturteile über Migrant*innen oder Geflüchtete (auch „Asylbetrüger“, „Scheinasylanten“ u.ä.); das Schüren von Ängsten vor den „Folgen der Masseneinwanderung“ (Existenzbedrohung, Zerstörung unseres Nationalstaates)
- Konzepte, die auf rassische oder antisemitische Diskriminierung zielen; Bekenntnis zum „Vorrang einer ethnisch definierten Volksgemeinschaft“; Forderungen nach Ausschluss von Migrant*innen aus Sozialsystemen; das Konzept des „Ethnopluralismus“, das als Idealvorstellung einen ethnisch und kulturell homogenen Staat hat.
- Darstellung des Nationalsozialismus als etwas Positives, Relativierung der NS-Verbrechen, Verharmlosung des NS-Unrechtsregimes oder schlicht mangelnde Distanz zur NS-Herrschaft, Geschichtsrevisionismus
- Kontakte zu und Zusammenarbeit mit extremistischen Organisationen
Das Gutachten gibt auch Handlungsempfehlungen, was die AfD und ihre Funktionär*innen in Zukunft unterlassen sollen (und bisher bereits getan haben):
- Keine pauschale Diffamierung von Geflüchteten, Migrant*innen, Muslim*innen; nicht sagen, „alle“ seien kriminell, sozialschädlich, Parasiten, „alimentierte Messermänner“ usw.
- Nicht die Religionsfreiheit der in Deutschland lebenden Muslime in Frage stellen (Also keine Minarettverbote, Beschreibung des Islam als „religiös-politische Doktrin“ usw.)
- Streben nach „deutscher Kultur“ so umsetzen, dass nicht gefordert wird, deutsche Staatsangehörige ethnisch anderer Zugehörigkeit auszuweisen oder ihnen Rechte zu entziehen.
- Vermeidung „extremistischer Reizwörter“ wie „Umvolkung“, „Überfremdung“, „Volkstod“ oder „Umerziehung“.
- Keine Beschimpfungen von Politikern gegnerischer Parteien, von Regierungsmitgliedern oder auch von Journalist*innen, Zurückhaltung bei Verbalattacken.
- Keine Zusammenarbeit mit Organisationen, die der Verfassungsschutz als extremistisch oder extremistische Verdachtsfälle ansieht (also keine Pflege von Kontakten, keine gemeinsamen Auftritte, Demonstrationen, Versammlungen (wie in Chemnitz mit Pegida, Rechsextremen, IB, vgl. BTN; kein Büro im Haus der „Identitären Bewegung“ in Halle (Tillschneider, vgl. BTN), keine Mitarbeiter*innen, die Mitglieder in rechtsxtremen Organisationen waren oder sind (dazu unten mehr).
- Keine „Nennkontakte“ mit Rechtsextremen -> also keine Likes in Sozialen Netzwerken, keine positiven Erwähnungen in Reden oder im Internet (das wird sehr schwer fallen, war bisher Usus, vgl. etwa Netzpolitik.org zum Unterstützernetzwerk und zu AfD-Retweets von Neonazi-Kanälen).
- Keine Aufnahme von Mitgliedern extremistischer Organisationen in die Partei – würde das rückwirkend eingeführt, müssten einige AfD-Funktionäre gehen.
- Ernsthafte Distanzierung von verfassungsfeindlichen Aussagen eigener Funktionäre – und sogar von „fragwürdigem Verhalten“ von Mitgliedern.
- Schulungen und Beratung für Funktionsträger*innen, um dies umsetzen zu können.
Auf netzpolitik.org gibt es Beispiele für all diese Fälle. Auch seitdem ist der AfD nicht gelungen, die Empfehlungen zu befolgen. Auch auf Belltower.News berichten wir fortlaufend über entsprechende Ausfälle (Themenbereich AfD oder Presseschau). Eine Zusammenstellung aktueller Vorkommnisse gibt es für alle auf Facebook aktiven von der FB-Seite „Gegen die Alternative für Deutschland“.
Update 18.01.2019:
Der Tagesspiegel hat nun das Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz vorliegen, dass die AfD zum „Prüffall“ und die „Junge Alternative“ und den „Flügel“ zu „Verdachtsfällen“ macht. In dem 442 Seiten umfassenden Gutachten wird Gauland namentlich mehr als 90-mal erwähnt, zu Meuthen gibt es weniger als 20 Einträge. Nur die im Vergleich zu Gauland als noch radikaler geltenden AfD-Politiker Hans-Thomas Tillschneider und Björn Höcke tauchen häufiger auf. Höcke wird mehr als 600-mal genannt. Das BfV bescheinigt Gauland „völkisch-nationalistische Gesellschaftsbilder“ und eine „Diffamierung derjenigen, die nicht Bestandteil der eigenen, aufgewerteten Gruppe sind“. Darin sei ein „Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Artikels 3 des Grundgesetzes zu sehen“. Das Bundesamt geht zudem davon aus, dass der AfD-Chef die Glaubwürdigkeit der parlamentarischen Demokratie „bewusst delegitimiert“ (Tagesspiegel). Zu Höcke ist u.a. zu lesen: „In den genannten Aussagen finden sich erste tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass einige wenige, meist identische, aber gleichwohl herausgehobene Protagonisten der Partei ein ethnisch-biologisch bzw. ethnisch-kulturell begründetes Volksverständnis propagieren, das gegen die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG verstößt“ – also gegen die erste, zentrale Aussage des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Tagesspiegel)
Update 08.03.2019:
Prüfen darf der Verfassungsschutz die AfD weiter. Aber er darf nicht mehr öffentlich von einem „Prüffall“ reden. Die Behörde akzeptiert dieses Urteil – und will sich nun auf AfD-Unterorganisationen konzentrieren. Der Verfassungsschutz will mit der AfD nicht weiter vor Gericht darüber streiten, ob der Nachrichtendienst die Partei als „Prüffall“ bezeichnen darf oder nicht. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) teilte mit, es werde die Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts akzeptieren, das der Behörde die Nennung als „Prüffall“ untersagt hatte. Das Gericht hatte im Februar einem Eilantrag der Partei stattgegeben. Die Klage der AfD richtete sich nicht dagegen, dass der Verfassungsschutz die AfD prüft, sondern dagegen, dass das Amt dies öffentlich gemacht hatte. Dies habe „einen stigmatisierenden Charakter“, monierte die Partei. Auch das Gericht vertrat die Auffassung, der Bezeichnung „Prüffall“ komme in der Öffentlichkeit eine negative Wirkung zu. Dieser Eingriff in die Rechte der AfD sei „rechtswidrig und auch unverhältnismäßig“. (tagesschau).
Mitarbeiter*innen mit rechtsextremen Kontakten in der AfD-Bundestagsfraktion
Stärker noch als bei gemeinsamen Demonstrationen oder Social Media-Bekanntschaften manifestiert sich eine gemeinsame ideologische Ebene in der direkten Zusammenarbeit, etwa in der parlamentarischen Arbeit. Die ZEIT hat im März 2018 recherchiert, dass mindestens 27 Mitarbeiter*innen von AfD-Abgeordneten (von insgesamt 297) Aktivist*innen und Anhänger*innen rechtsextremer Organisationen sind: „Viele von ihnen verbreiten rassistische Kommentare und Verschwörungstheorien, besuchen Demonstrationen von Pegida oder folgen den Social-Media-Kanälen von fremdenfeindlichen Gruppierungen. Doch mindestens 27 der Fraktions- und Abgeordnetenmitarbeiter der AfD haben einen eindeutig rechtsradikalen bis rechtsextremen Hintergrund. 18 AfD-Mandatsträger beschäftigen Mitarbeiter aus diesem Milieu. Unter ihnen sind Anhänger der NPD und der neonazistischen, verbotenen Organisation Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ), Aktivisten der Identitären Bewegung und der rechtsradikalen Gruppe Ein Prozent, extrem rechte Burschenschafter und neurechte Ideologen.“ Später wurden die Recherchen ergänzt von der taz, 13.04.2018 und 23.11.2018).
Darunter sind:
- Jean-Pascal Hohm, ehemaliger Landesvorsitzender der „Jungen Alternative“ Brandenburg, aktiv mit der „Identitären Bewegung“ und in rechtsextremen Hooligan-Kreisen (deshalb aus der Landtagsfraktion entlassen), Praktikum bei „Ein Prozent“, Redner bei „Zukunft Heimat“, im Bundestag Mitarbeiter des brandenburgischen AfD-Abgeordneten René Springer.
- Felix W., als Jugendlicher bei der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend aktiv, arbeitete im Bundestag als Mitarbeiter von Alexander Gauland, bis er sich im Januar 2018 wegbewarb, um eine Beamtenlaufbahn einzuschlagen.
- Martin M., war aktiv in der Berliner Neonaziszene, später Praktikant der AfD-Landtagsfraktion in Potsdam, im Bundestag Mitarbeiter von Alexander Gauland.
- Jörg S., Joel B. und Hao H., Mitglieder der AfD und der schlagenden nationalistischen Burschenschaft Gothia, beteiligt an Aktionen oder Demonstrationen der Identitären, im Bundestag tätig für Frank Pasemann (2), der dritte für den bayerischen AfD-Politiker Stephan Protschka.
- Anna L., im Büro von Steffen Kotré angestellt, stellvertretende Landesvorsitzende der Jungen Alternative Brandenburg, Kontakt zur Burschenschaft Gothia und zu „Identitären“.
- John H., Burschenschafter der Germania Köln, Aktivist bei „Ein Prozent“, zuvor Mitarbeiter er AfD-Faktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, im Bundestag für Frank Pasemann tätig.
- Erik Lehnert, Geschäftsführer des neurechten „Instituts für Staatpolitik“, Lektor beim „Antaios Verlag“, Redakteur der „Sezession“, im Kuratorium der Titurel-Stiftung (kaufte für die IB das Haus in Halle), im Bundestag Mitarbeiter des Abgeordneten Harald Weyel.
- Daniel Tapp, Geschäftsführer des Studienzentrums Weikersheim und Mitarbeiter der österreichischen FPÖ-Abgeordneten Barbara Rosenkranz, im Bundestag Mitarbeiter im Büro von Alice Weidel.
- Narine S., Redaktionsassistentin beim rechtsextremen Verlag „Lesen und Schenken“ („Deutsche Militärzeitschrift“, „Zuerst“), im Bundestag im Büro von Markus Frohnmaier (AfD Baden-Württemberg)
- Jan-Andres S. war im Bundestag angestellt bei dem bayerischen Abgeordneten Petr Bystron. Inzwischen ist er das nicht mehr. S. war auch Autor beim Kopp-Verlag und bei Götz Kubitscheks Sezession und bei „Eigentümlich frei“. Ebenso war Erik W. im Büro von Petr Bystron angestellt und ist es jetzt nicht mehr. W. schrieb u.a. als Autor des NPD-Parteiblatts „Deutsche Stimme“ und war Mitarbeiter eines sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten.
- Bystron selbst bezeichnet die rechtsextreme „Identitäre Bewegung“ als „Vorfeldorganisation“ der AfD (vgl. FAZ) und besuchte zuletzt Schießtrainings südafrikanischer Rassist*innen (BTN berichtete)
- Heiko L., Mitarbeiter bei Jürgen Pohl, war früher bei der rechtslastigen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ und schrieb für „Sleipnir“, eine kleine Zeitschrift der Querfront, die eine rechte Revolution forcieren wollte.
- Christa A., im Bundestag angestellt beim sachsen-anhaltinischen Abgeordneten Martin Reichert, hat für das neurechte Magazin „Compact“ über Sicherheitspolitik berichtet.
- Linn Deborah Kuppitz moderiert seit Kurzem Die Woche Compact, eine politische Sendung bei „Compact“TV-Videokanal und ist Büroleiterin des AfD-Abgeordneten Johannes Huber (Bayern).
- Maximilian T., Offizier der Bundeswehr ehedem verdächtigt, Komplize des rechtsterror-verdächtigen Preppers und Ex-Oberleutnants Franco A. gewesen zu sein, arbeitet seit Anfang 2018 beim AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Nolte; anfangs durfte er das Parlament deshalb nicht betreten, inzwischen hat er einen Hausausweis (vgl. taz)
- Jörg Schröder, Betreiber verschiedener rechter Blogs, kandidiert 2014 bei den Brandenburger Kommunalwahlen für die rechtsextreme NPD. Im Bundestag angstellt bei Vize-Fraktionschef Peter Felser (früher Republikaner).
- Im Büro von Markus Frohnmaier (AfD BW), ist Manuel Ochsenreiter angestellt, bislang Chefredakteur des extrem rechten Monatsmagazins „Zuerst!“, davor beim völkischen Witikobund, als Student Burschenschafter, dann bei der „Jungen Freiheit“, der „Deutschen Militärzeitschrift“ tätig. Aktuell ist er in den Medien, weil ein angeklagter russischer Faschist ihn in einem laufenden Prozess in Polen beschuldigt hat, Ochsenreiter habe ihn mit einem Brandanschlag in der Ukraine auf eine ungarische Organisation beauftragt. Ochsenreiter bestreitet das (vgl. rbb, tagesschau). Update, 18.01.2019: Ochsenreiter arbeitet nicht mehr bei Frohnmaier, hat ihm einen Auflösungsvertrag angeboten. Die Ermittlungen laufen (ZEIT).
Über die Verbindungen zwischen AfD und „Identitärer Bewegung“ haben wir bereits ausführlich berichtet:
Über die Verbindungen von AfD und rechtsextremen Burschenschaften ebenfalls
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