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Krieg in der Ukraine AfD auf Positionssuche

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Der rechtsextreme Verein "Ein Prozent" veranstaltete am Abend des 24. Februar 2022 eine Diskussionsrunde mit AfD-Politikern und Vertretern der sogenannten "neuen" Rechten. Moderiert von Ein-Prozent-Chef Philip Stein (rechts) und dem Autor Volker Zierke. (Quelle: Screenshot von Telegram)

„Der Angriff Russlands auf die Ukraine ist durch nichts gerechtfertigt. Russland muss die Kampfhandlungen umgehend einstellen und seine Truppen aus der Ukraine zurückziehen.“ Das sind die entscheidenden Sätze im Statement der AfD-Fraktionschefs Tino Chrupalla und Alice Weidel zum Krieg in der Ukraine. Das klingt erst einmal nach einer klaren Position, doch so eindeutig ist sie gar nicht. Das Statement zum russischen Krieg gegen die Ukraine sei ausschließlich eins von Chrupalla und Weidel und nicht der Fraktion, betonte der Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp in einem Telegramtalk von EinProzent.

Der rechtsextreme Verein hatte am Donnerstagabend kurzfristig mehrere Politiker der AfD und Akteure wie Benedikt Kaiser, Götz Kubitschek oder Mario Müller aus der sogenannten Neuen Rechten eingeladen um über den Krieg in der Ukraine zu debattieren. Unter den AfD-Politikern war eben auch Roger Beckamp, der sich schon im Vorfeld des Krieges eher auf Seiten der Ukraine verortet hatte. In dem Talk betonte er, es herrsche Konsens in der Bundestagsfraktion, dass es sich um einen Angriffskrieg handele. Aber darüber hinaus gäbe noch einen regen Austausch in internen Chatgruppen. Insbesondere über Ursachen und Konsequenzen sei man noch sehr noch uneinig. Neben Beckamp kamen für die AfD auch sein Bundestagskollege Hannes Gnauck, ein Hoffnungsträger vieler „neu“ Rechter, Steffen Kotré, energiepolitischer Sprecher der AfD-Fraktion sowie der Europaabgeordnete Maximilian Krah und der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, Torben Braga, zu Wort.

Die Statements spiegelten die unterschiedlichen Positionen der AfD wider, die sich im Laufe des Tages herauskristallisiert hatten. Sie dürften in den kommenden Tagen bestimmend für die Position der Gesamtpartei sein und für Disput sorgen.

Die von Weidel/Chrupalla ausgegebene Sprachregelung: „Es handelt sich um einen Angriffskrieg den wir ablehnen“ wurde im Telegramtalk genauso wie in Statements von AfD-Politiker:innen den Tag über mehr oder weniger überzeugend vorgetragen. Hannes Gnauck betonte unmissverständlich, dass es ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg sei. Steffen Kotré sagte: „Wir haben uns alle nicht vorstellen können, dass Putin einmarschiert.“ Er ordnete den Angriff als klar völkerrechtswidrig ein, denn die Ukraine sei ein souveräner Staat. Um gleich einzuschränken, dass die Einverleibung der Krim oder des Donbass nicht auch automatisch völkerrechtswidrig seien. In den Fällen könnte durchaus das Selbstbestimmung der Völker greifen, so Kotré. Um dann noch eine Flanke aufzumachen, dass Russland vom Westen in die Enge getrieben wurde. In die Kerbe haute auch der EU-Abgeordnete Maximilian Krah. Es sei Ansichtssache, ob die Russen angegriffen oder zurückgeschlagen haben. So hatte auch Björn Höcke vermieden in seinem Pressestatement von einem Angriffskrieg zu reden: „Die Ukraine ist Opfer einer geopolitischen Auseinandersetzung auf globaler Ebene zwischen der NATO (Westen) und Russland (Osten). Aber die Ukraine ist wie die vielen anderen ostmitteleuropäischen Staaten weder das eine noch das andere, sie ist ein Zwischenland. Ostmitteleuropa ist weder Ost noch West. Sowohl Russland als auch die USA haben sich da rauszuhalten“, so Höcke.

Während also ein Teil der AfD der ausgegebenen Position von Weidel und Chrupalla folgen, dass es sich um einen zu verurteilenden Angriffskrieg handelt, sehen das einige AfDler scheinbar doch erheblich anders.

Fast Konsens ist aber eine Position: Keine Sanktionen gegen Russland. Aber eben nur fast: Jürgen Braun, menschenrechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, fordert zielgenaue und effektive Sanktionen „damit an ihnen nicht hauptsächlich die russische Zivilbevölkerung und die deutsche Wirtschaft leiden“. Hannes Gnauck betonte bei EinProzent, dass Sanktionen nichts bringen würden. Zudem müsse das Interessen vor allem dem eigenen Volk gelten und Deutschland habe nur Nachteile durch Sanktionen und den Stopp von Nordstream 2.

Die AfD ist als einzige Partei im Bundestag geschlossen für die Fortsetzung des Pipelineprojekts. Viele AfD-Politiker:innen betonen, dass der Stopp ein kolossales Versagen der deutschen Regierung sei, die hier gegen die Interessen des eigenen Volkes und nur im Interesse der USA agiere. Steffen Kotré betonte, dass die USA Nutznießer der Sanktionen seien, da Deutschland Gas von dort beziehen würde. Das behaupten auch andere AfD-Politiker:innen in Statements, um dann zu suggerieren, dass nur die USA vom Krieg profitierten und somit wohl auch Interesse an dem Krieg hätten, während Deutschland neben der Ukraine und Russland der große Verlierer sei. Damit bedient die AfD wieder ein sehr beliebtes Narrativ, dass die Weltpolitik allzu oft eine Verschwörung gegen die Deutschen sei.

Einige in der AfD warnen angesichts des Krieges vor größeren Fluchtbewegungen auch nach Deutschland. Normal würde man erwarten, dass das auch Konsens in der AfD sei. Aber weit gefehlt: Als Unterstützer der Ukraine warnte Roger Beckamp davor Fluchtbewegungen zu instrumentalisieren und machte in rassistischer Manier deutlich, dass er zwischen „guten“ und „schlechten“ Geflüchteten unterscheidet. Dieser Krieg betreffe uns viel mehr als ein Krieg in Afrika oder Asien, da wir eine viel größere Zugehörigkeit zu Europäern als zu Afrikanern oder Asiaten hätten, so Beckamp. Außerdem sehe er gar keine riesige „Fluchtwelle“ auf uns zukommen. Asyl sei Recht auf Schutz auf Zeit. Da wir nahe an Ukraine sind, hätten wir anders als bei Afrikaner:innen oder Asiat:innen eine Verpflichtung uns um sie zu kümmern. Und außerdem seien die Menschen uns als Europäer nun mal näher. Ob die AfD sich in den nächsten Wochen für die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine stark macht, bleibt abzuwarten.

Wohin steuert die AfD in ihrer Positionierung?

Zusammengefasst ist jede Positionierung zum Krieg und den Folgen mehr oder weniger umstritten in der AfD. Die von der Fraktionsspitze ausgegebene Sprachregelung, den Krieg als Angriffskrieg von Russland zu verurteilen, befolgen noch viele, aber bei weitem nicht alle. Schon wenige Stunden nach dem Statement von Weidel und Chrupalla sehen sich nicht alle in der Partei an die Vorgabe gebunden oder legen den Begriff sehr weit aus. Und das hat Gründe: Als im EinProzent-Talk Hannes Gnauck, eigentlich beliebt in der „neuen“ Rechten, die offizielle AfD-Position fast eins zu eins vortrug, entlud sich die Empörung im Chat: „Da hätten die gleich Baerbock einladen können, der selbe Schwachsinn!“ „Wenn ich Mainstream möchte kann ich auch GEZ-Sender angucken“, „AFD ist fertig. Dies Kapitel wurde heute zu Ende erzählt“, „Diese Bundestagsfraktion ist die reine Erbärmlichkeit“. Die Kommentare bei Facebook oder in AfD-Telegramkanäle sahen nicht viel besser für die Partei aus. Bemerkenswert für die AfD war aber immerhin, die den ganzen Tag über durchgehaltene Zurückhaltung von Politikern wie Gunnar Lindemann, der sonst sich bisher gerne als Lautsprecher von Kremlpropaganda hervortut. Lange wird er dazu aber wohl kaum schweigen, zumal er bei der Basis mit Zustimmung rechnen kann.

Zudem kommen altbekannte Narrative aus der Werkzeugkiste des Rechtspopulismus wieder zum Vorschein. „Böser Westen, gutes Russland“: Viele betonen, dass die USA bzw. „der Westen“ wesentlich Schuld am Krieg hat und relativieren oder negieren völlig die Beteiligung von Russland und seinem Präsidenten. „Volksfeindliche Politiker*innen“: Unfähige Politiker*innen würden gegen das Interesse der Deutschen handeln, in dem sie durch die beschlossenen Sanktionen und den Stopp von Nordstream 2 die (finanzielle) Hauptlast des Konfliktes den Deutschen auflasten.

Die AfD wird in den nächsten Tagen wohl versuchen, durch etwas staatstragender Rhetorik in Zeiten der Krise und der Bespielung rechtspopulistischer Narrative, die öffentlich ausgetragenen Streitereien um die Positionierung, wer Schuld am Krieg trägt zu überspielen. Ob das gelingt ist fraglich.

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