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Kritik an der “Ost-Studie” verschleiert das eigentliche Problem

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CDU-Politiker_innen werfen der Ostbeauftragten Ossi-Bashing vor und zuerst behauptete „Science Files“ und dann die „Welt“, dass Interview-Partner erfunden wurden (Symbolbild) (Quelle: dpa)

 

Es gibt Themen, über die eine sachliche Diskussion in Deutschland offenkundig schwierig ist. So steht die am vergangenen Donnerstag, dem 18.05.2017, von der Ostbeauftragten der Bundesregierung Iris Gleicke (SPD) veröffentlichte Rechtsextremismus-Studie zu der Frage, ob und warum Rechtsextermismus im Osten auf mehr Zustimmung stößt, von vielen Seiten in der Kritik.

 

Einige CDU-Politiker werfen dem Göttinger Institut für Demokratieforschung vor, in dem Papier unbelegte Ost-Stereotype zu verbreiten. Auch mit der Auswahl der Gesprächspartner hatten manche Leser_innen Probleme: Viele Namen wurden anonymisiert. So  lasse sich schwer nachvollziehen, mit wem geredet wurde, so der daraus entwickelte Vorwurf.

Kritik von der sächsischen CDU – Auch sie habe im Kampf gegen Rassismus versagt

In der Union regt sich Unmut über die Studie zum Rechtsextremismus in Ostdeutschland. Sie war auch zu dem Ergebnis gelangt, dass Ostdeutsche in besonderer Weise anfällig für Rassismus sind. Zudem wurden der sächsischen CDU-geführten Regierung Versäumnisse im Kampf gegen Rechtsextreme vorgeworfen. Daher ist es auch wenig verwunderlich, dass die CDU nun die Studie attackiert.

Mit Stereotypen werde die gesamte Bevölkerung dort in Misskredit gebracht, sagte beispielsweise der Generalsekretär der sächsischen CDU, Michael Kretschmer, im Deutschlandfunk. Doch das fast die Hälfte der 1.400 rechtsmotivierten Gewalttaten aus dem Jahr 2015 in Ostdeutschland verübt wurden, wird von der sächsischen CDU an dieser Stelle verschwiegen.

Der Vorwurf: Interviewpartner wurden erfunden

Die CDU ist mit ihrem Unmut allerdings nicht allein. Als einer der ersten hatte der bei Rechtspopulist_innen gerne gelesene Blog „Science Files“ seine Kritik an der „Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland“- Studie veröffentlicht. Am 19.05.2017 war in dem Beitrag „Befragte erfunden: Bezahlt Bundesbeauftragte Fake-Rechtsextremismusforschung?“ unter anderem der Vorwurf zu lesen, dass Interviews gefälscht seien, da die Interviewten scheinbar gar nicht existierten.

Kurz darauf  erhob dann auch die „Welt“ unter dem Titel „In dieser Regierungsstudie wurden sogar Gesprächspartner erfunden“  denselben Vorwurf.  Die Anonymisierung der Namen erschwere es, die Bedeutung der Aussagen einschätzen zu können.

„Herr Reese“ wird herangezogen, um die Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen

So werde unter anderem ein „Herr Reese, führender Mitarbeiter der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung“ zitiert. Ebenjener Name wird auch auf dem Blog „Science Files“ als “Beweis” angeführt. In beiden Texten wird angezweifelt, ob es diese Person tatsächlich gibt, zumal „Herr Reese“ als Mitarbeiter der Landeszentrale für politische Bildung die schützende Wirkung der Mauer betont.

Die Wissenschaftliche Arbeitsweise der Anonymisierung

“Science Files” trägt zwar die Wissenschaft im Namen, doch offenbar ist es mit der Kenntnis der wissenschaftlichen Praxis zumindest beim Autor der Kritik an der Studie nicht sehr weit her. Denn die Anonymisierung von Interviewten ist gängige wissenschaftliche Praxis. In einem ersten Schritt der Anonymisierung istder Name des Interviewpartners ersetzt worden, nicht aber Funktion und Berufsbezeichnung. Genügte dies noch nicht aus, um die Anonymität des Befragten sicherzustellen, wurde in einem zweiten Schritt die Identität weiter verfremdet. Dies geschieht auch, um die Sicherheit der Befragten auf dem „schwierigen Feld“ der Rassismus-Forschung zu gewährleisten, wie die Forscher kommentieren.

Kann die Anonymität der Befragten noch gewährleistet werden?

In einer Gegendarstellung nennt das „Göttinger Instituts für Demokratieforschung“  die „Welt“-Vorwürfe dann auch „perfide“.

Zudem entschuldigen sich die Forscher bei all ihren Interviewpartner_innen, dass durch diese „Kampagne“ ihre Anonymität möglicherweise nicht mehr gewahrt werden könne. Schließlich berichtete der „Welt“-Autor triumphierend, dass eine interne Recherche der Linkspartei ergeben habe, dass es sich bei „Frau Ackermann“ tatsächlich um die Linke-Politikerin Kerstin Köditz handele.

Die Defizite der Studie

Methodisch wirft die die Studie durchaus Fragen auf – etwa, warum fast ausschließlich Menschen befragt wurden, die im linken Spektrum zu verorten sind. Einer der Politologen der Studie begründete dies gegenüber “Spiegel Online” damit, dass besonders in Sachsen Menschen die sich gegen Rassismus engagieren, “nun mal nicht von der CDU gestellt (werden) – sondern eher aus linken Kreisen (stammen).“

Es habe auch Gespräche mit der Vertretern der CDU und Freien Wählern gegeben, allerdings habe die sächsische CDU-Landesregierung alleine beim Anbahnen eines Gesprächs abgeblockt, ebenso AfD-Politiker_innen.

Auch wird die hohe Gewaltbereitschaft ostdeutscher Rechtsextremer in der Studie vornehmlich mit der DDR-Sozialisation begründet. Zwar hat die mangelnde Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der DDR einen maßgeblichen Rahmen für die Empfänglichkeit für Rassismus und modernen Rechsextremismus geschaffen. Allerdings müssen auch deutlich weitere Faktoren und Rahmenbedingungen  hinzukommen, bis jemand als glühender Rassist auf den Straßen von Freital, Heidenau und Erfurt-Herrenberg gewalttätig wird.

Die derzeitige Diskussion verschleiert die Brisanz des Themas

Matthias Quent, Leiter des „Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft“ in Jena, sagte gegenüber Belltower.News, dass die Studie Defizite im Transfer und in der Umsetzung aufzeige. Die Ergebnisse dürften im Endeffekt jedoch kaum jemanden überraschen, schließlich werde über das Rassismus-Problem im Osten seit 20 Jahren immer wieder geschrieben – ohne dass sich die Analyse dabei bedeutend ändere. Quant schlussfolgert: “Offensichtlich wird daraus aber politisch nichts gelernt.”

Und genau diesem Problem scheinen wir durch die aktuelle Debatte wieder anheimzufallen – statt sich mit Methoden und Ideen auseinanderzusetzen, wie rassistische Milieus in Teilen Ostdeutschlands für demokratische Konfliktlösung und Gleichwertigkeit gewonnen werden können.

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