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Lagebild Antisemitismus & Fußball

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(Quelle: Flickr.com / Creative Commons CC by-SA 2.0 / Awaya Legends)

 

 

Die deutschen Fußballstadien sind leider weiterhin Orte, an dem menschenfeindliche Äußerungen präsent bleiben. Neben sexistischen, homofeindlichen, rassistischen und antiromaistischen Gesängen und Sprechchören der Anhängerschaft kommt es auch immer wieder zu antisemitischen Vorfällen. Jüdische Spieler und Vereine werden regelmäßig Opfer von antisemitischen Attacken. Im vergangenen Jahr hat ein Spieler des BSC SW 1919 aus Frankfurt für Aufmerksamkeit gesorgt, der nach dem Spiel gegen Makkabi Frankfurt auf Facebook davon sprach, „für Palestina“ „voll gas gegeben“ zu haben gegen die „verdammten Makkabijahuds“.

 

„Juden“-Rufe im Stadion

Zudem äußern sich rivalisierende Fangemeinschaften auch häufig antisemitisch, um ihre Gegner zu beleidigen. Vereine, die keine eindeutige jüdische Tradition haben, sollen durch die Assoziation mit dem Judentum herabgewürdigt werden. Anhänger der BSG Stahl Riesa ließen im letzten Jahr sogar Kleidung anfertigen, deren im Stil der HipHop-Legenden RUN DMC gehaltener Aufdruck „JDN CHM“ recht eindeutig als „Juden Chemie“ zu entschlüsseln ist und sich auf den Verein Chemie Leipzig bezog. Besonders als „links“ wahrgenommene Vereine und Fanszenen sind von antisemitischen Anfeindungen gegnerischer Fans betroffen. So kam es Ende November 2016 im Zusammenhang mit dem Gastspiel des Potsdamer Vereins SV Babelsberg 03 beim FC Energie Cottbus zu zahlreichen antisemitischen Schmierereien und Gesängen von Seiten der Cottbusser Fans wie „Babelsberg 03, Zecken, Zigeuner und Juden“ oder „Arbeit macht frei, Babelsberg 03“. Auch Anhänger von FC Rot-Weiß Erfurt fallen immer wieder durch „Juden Jena“-Rufe gegenüber ihrem Lokalrivalen auf, zuletzt im Februar, als FC Carl Zeiss Jena-Fans im Erfurter Stadion die Gästemannschaft des FSV Frankfurt unterstützten. Ende Februar 2017 musste das Oberligaspiel der Hammer SpVg gegen den SV Lippstadt unterbrochen werden, nachdem Hammer Fans unter „SV Lippstadt, Jude, Jude, Jude“- und „frei, sozial und national“-Rufen versucht hatten, das Spielfeld zu stürmen. Einige Anhänger der Hammer SpVg sind in der rechten Szene in Dortmund aktiv.

 

Die „Kommerzschweine“ von „Rattenball“: Struktureller Antisemitismus gegen RB Leipzig

Doch auch in der Beletage des deutschen Fußballs ist Antisemitismus verstärkt wahrnehmbar. Spätestens mit dem Aufstieg von RB Leipzig in die erste Liga zur aktuellen Saison 2016/17 ist die Mannschaft bundesweit für viele Fans zum klaren Feindbild geworden: Leipzig ist der deutsche Standort der Fußballabteilung des Konzerns Red Bull und viele Fans der „Traditionsvereine“ stoßen sich an der finanziellen Stärke des erst 2009 gegründeten Vereins. Daher sind die Auswärtsspiele des Vereins oft mit starken Protesten der heimischen Fanszenen verbunden. So auch zuletzt in der drastischsten Form beim Auswärtsspiel in Dortmund, als BVB-Anhänger während des Spiels zahlreiche Banner mit beleidigenden Sprüchen präsentierten und mehrere Leipzig-Fans sogar tätlich angriffen. Ein Leipziger Politiker der Partei Die Linke gab an, von BVB-Fans antisemitisch beleidigt worden zu sein.

In den Protestaktionen gegen Leipzig lassen sich oft Elemente finden, die strukturelle Ähnlichkeiten mit antisemitischen Ressentiments aufweisen. Die Fans gegnerischer Mannschaften inszenieren sich im Kontrast zum „Kapitalisten-Club“ aus Leipzig gerne als Anhänger „echter Arbeitervereine“, so als würden die vom Kapitalismus geprägten gesellschaftlichen Verhältnisse für den eigenen Verein nicht gelten. Hier ist eine Ähnlichkeit zu verkürzten Kapitalismuskritiken erkennbar, in denen die kapitalistische Produktionsweise in „gutes“ schaffendes und „böses“ raffendes Kapital unterteilt und letzteres mit „den Juden“ assoziiert wird. Auch Gegenüberstellungen wie „Tradition“ vs. „Moderne“ („Gegen den modernen Fussball“) oder „natürlich“ vs. „künstlich“ („Retorten-Club“) sind gängig. Zudem werden die Leipziger „Bullen“ oftmals auch entmenschlicht als Schweine („Kommerzschweine“-Banner der BVB-Fans) oder, noch eindeutiger mit antisemitischen Sprachcodes verhaftet, als Ratten oder Ungeziefer dargestellt. Von Anhängern des Darmstädter SV wurde beispielsweise ein Banner gezeigt, in dem ein verfremdetes Logo des RB zu sehen war, in dem zwei Ratten auf einem Geldberg sitzen, zwischen ihnen ein zerstörter Fußball.

Die Dortmunder Fanszene rückt wegen Gewaltausbrüchen und menschenfeindlichen Äußerungen immer wieder in den medialen Fokus. So sollen einige Anhänger des BVB bei ihrer Anreise zum DFB-Pokalfinale gegen Bayern München im Mai 2016 in Berlin wiederholt antisemitische Gesänge angestimmt haben („Judenfreunde Nürnberg und der S04″). Wenngleich sich die Fanabteilung des Vereins seit Jahren gegen Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit engagiert und beispielsweise Fahrten in die Gedenkstätte Auschwitz organisiert, bleibt zu befürchten, dass es mit der Gründung der neuen, rechtsextremen Gruppierung 0231 Riot, die seit letztem Jahr gewaltbereit im Dortmunder Stadion auftritt, vermehrt zu verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen kommen wird.

 

Islamismus in der Bundesliga

Israel und „die Juden“ allgemein sind erklärter Feind islamistischer Salafisten. Dass auch der deutsche Profifußball nicht frei von islamistischen Einstellungen ist, zeigte der Fall des deutsch-tunesischen Spielers Änis Ben-Hatira. Ende 2016 wurde bekannt, dass sich der damalige Darmstädter für die Organisation „Ansaar International“ engagiert hatte. Diese wird dem islamistischen Salafismus zugerechnet und steht im Verdacht, in Syrien, Gaza und Afghanistan Terrororganisationen zu unterstützen und in Deutschland dschihadistische Kämpfer zu rekrutieren. Nach zahlreichen medialen Berichten und Kritik der eigenen Anhängerschaft verkaufte Darmstadt 98 Ben-Hatira im Januar 2017 an den türkischen Verein Gaziantepspor.

 

Was kann man tun?

Doch es gibt auch positive Signale aus den Fanszenen. Zahlreiche Fanprojekte kritisieren mittlerweile Antisemitismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit im Fußball und in ihren eigenen Reihen. Sie organisieren Gedenkreisen zu Tatorten der Schoah, organisieren Fußballturniere gegen Antisemitismus und arbeiten die eigene Vereinsgeschichte auf. So erinnerte die Ultras-Gruppierung Schickeria München beispielweise mehrfach mit großen Choreografien an den ehemaligen jüdischen Präsidenten des FC Bayern München, Kurt Landauer, der 1939 vor den Nazis fliehen musste. Außerdem gibt es engagierte fanlagerübergreifende Gruppierungen wie die Bündnisse „!Nie wieder“ oder „Fußballfans gegen Antisemitismus“.

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