Bei den Landtagswahlen vom 01. September, konnte die AfD in Sachsen 27,5 Prozent der Zweitstimmen erzielen. Damit würden der selbsternannten „Alternative“ rechnerisch 39 Mandate zustehen. Es wurden allerdings nur 30 Kandidat*innen der Landesliste zugelassen, die Sitze sind also beschränkt. De facto kommt die rechtsradikale Partei nun auf 38 Sitze im Sächsischen Landtag. Sieben Kandidat*innen der 15 erzielten Direktmandate, sind über die Landesliste in den Landtag eingezogen. Damit reduzieren sich die Direktmandate auf acht Kandidat*innen, die auf die 30 zugelassenen Listenplätze gerechnet werden.
Das Listen-Debakel in Kürze
Die AfD Sachsen wollte bei der Landtagswahl mit 61 Kandidat*innen antreten. Wegen formaler Fehler hat der Landeswahlausschuss Anfang Juli vorerst 18 der 61 Kandidat*innen zugelassen. Um Manipulationen zu verhindern, unterliegt die Aufstellung von Wahllisten strengen Richtlinien. Denen ist die rechtsradikale Partei nicht nachgekommen. Die Kandidat*innen wurden an zwei Parteitagen im Februar und im März mit unterschiedlichen Versammlungsleitern gewählt. Eine Aufstellung an verschiedenen Versammlungen ist rechtens, unterliegt aber speziellen Anforderungen, die missachtet wurden. Am ersten Parteitag wählte die AfD in einer Einzelwahl, am zweiten Parteitag ab Platz 31 in einer Blockwahl. Die Landeswahlleiterin entschied wegen Chancenungleichheit der Bewerber*innen nur die ersten 18 Gewählten zuzulassen – erklärte also die Aufstellung der zweiten Versammlung als ungültig.
Daraufhin legte die AfD eine Verfassungsbeschwerde ein, auf die der sächsische Verfassungsgerichtshof in Leipzig mit der Genehmigung von 30 Listenplätzen reagierte. Die Entscheidung des Landeswahlausschusses sei rechtswidrig. Die Zulassung der Plätze rechtfertigte das Gericht damit, dass der Wechsel des Wahlverfahrens lediglich die Listenplätze 31 bis 61 betreffe.
Die AfD-Direktkandidat*innen
Ex-SPD-Mitglied Dietmar Frank Schaufel
Die Hälfte der acht Nachzügler*innen wurde theoretisch auf die Landesliste gewählt – allerdings auf die vom zweiten Parteitag. Ehemals Platz 42 auf der AfD-Wahlliste belegte Dietmar Frank Schaufel, ehemaliges SPD-Mitglied. Schaufel erzielte mit 30 Prozent der Erststimmen in Vogtland 1 eine minimale Mehrheit, die sich nur an zehntel Prozentzahlen schied. Den Landtagswahlkampf bestritt Schaufel mit den Schwerpunkten Bildung, innere Sicherheit und Gesundheit. Das jetzige MdL spricht sich unter anderem für den Kampf gegen den Lehrer*innen-Mangel aus, die Stärkung der lokalen Wirtschaft, aber auch für verstärkte Grenzkontrollen und Polizeipräsenz. „Vielleicht wäre der Mord in Frankfurt dadurch verhindert worden.“ Damit bedient sich Schaufel am Narrativ der illegalen Grenzöffnung und somit einer populistischen Sprache und Politik. Der Augenoptiker ist seit 2013 bei der AfD. In dem Jahr wurde die zunächst als eurokritisch auftretende Partei gegründet, Migration war damals noch ein Randthema der AfD. Trotz der zunehmenden Radikalisierung der Partei und ihrer Mitglieder, blieb Schaufel in der Partei und rückte auf Führungspositionen vor. Sein Wahlkreis umfasst Plauen, an der thüringischen Grenze. Der AfD-Kreisverband Vogtland war im Mai 2018 wegen volksverhetzender und neonazistischer Inhalte in Chatgruppen im bundesweiten Fokus. Unter anderem wurden Fotomontagen zur standrechtlichen Erschießung von Bundeskanzlerin Angela Merkel gepostet. Ein Posting zeigt eine SS-Mütze mit der Aufschrift: „Liebe Flüchtlinge, an diesen Mützen erkennen Sie Ihren Sachbearbeiter.“ An der Verbreitung seien mindestens neun AfD-Politiker beteiligt gewesen. Schaufel, damaliges Vorstandsmitglied, war nach Angaben vom Vogtland Anzeiger auch im Chat, reagierte aber mit Ahnungslosigkeit auf eine Nachfrage der Lokalpresse. Weitere AfD-Mitglieder, die als Reaktion auf die volksverhetzenden Inhalte aus dem Chat und der Partei ausgetreten seien, meldeten das Geschehen beim Kreisvorstand und erhielten Schulterzucken. Schaufel sitzt im Stadtrat Plauen und ist stimmberechtigtes Mitglied im Kultur- und Sportausschuss, Wirtschaftsförderungsausschuss und stellvertretendes Mitglied im Bildungs- und Sozialausschuss.
Ex-CDU-Mitglied Gudrun Petzold aus Nordsachen
Gudrun Petzold, die auf Platz 50 der ungültigen Landesliste gewählt wurde, holte für Nordsachsen 1 33,3 Prozent der Erststimmen. Petzold war von 1989 bis 1992 Mitglied der CDU. Zwischen 2002 und 2007 agierte sie bei der rechtskonservativen Deutschen Sozialen Union. Seit 2016 ist die ausgebildete Heilpraktikerin bei der AfD und wurde zwei Jahre später zur stellvertretende Kreisvorsitzende im Landkreis Nordsachsen ernannt. Petzold ist außerdem Leiterin von „Alternative Frauen in Nordsachsen“. Der 2018 gegründete Verband ist antifeministisch. Die Ausrichtung zielt auf traditionelle Geschlechterrollen, unter der Berufung auf das biologische Geschlecht. Dabei handelt es sich um ein gängiges Framing der AfD, indem von Feminismus, Gleichstellung und Gleichberechtigung eine Bedrohung des angeblich homogenen deutschen Volks und der patriarchalen Herrschaft ausgehe. Das fängt bei der Ablehnung des Gendering und der überzogenen Titulierung als „Genderwahn“ an. Darüber bedient sich der nordsächsische Verband am rassistischen Narrativ der migrantischen Sexualstraftäter sei eine Gefahr für die deutsche Frau.
Petzold ist außerdem Leiterin von „Vertriebene/ Deutsche aus Russland“, der unter dem Motto „Erinnern, Identität wahren, Zukunft gestalten“ agiert. Der geschichtsrelativierende Erinnerungsgedanke, den der Verband für die nach dem Zweiten Weltkrieg Vertriebene etablieren zu versucht, setzt den Holocaust herab. Konkret fordert der Verband „die 2,5 Millionen Toten der 15 Millionen Vertreibungsopfer nicht zu vergessen“. Damit werden die Zahlen des nationalsozialisitschen Völkermords, nämlich der sechs Millionen ermordeten Jüd*innen versucht zu relativieren.
Timo Schreyer aus Bautzen
Im Wahlkreis Bautzen 3 erreichte Timo Schreyer 31,9 Prozent der Erststimmen und gewinnt mit einem minimalen Vorsprung das Direktmandat. Den angrenzenden Wahlkreist Bautzen 4 bestritt Doreen Schwietzer mit 34,7 Prozent für sich. Die Direktmandate aus Bautzen waren auf Platz 58 und 59 der Landesliste vertreten. Der Dachdeckermeister trat 2015 bei der Bürgermeisterwahl in Königsbrück, Landkreis Bautzen in der Oberlausitz an und verlor die Wahl eindeutig gegen den CDU-Kandidaten. Auf landespolitischer Ebene konzentriert sich Schreyer auf innere Sicherheit, Bildung und positioniert sich gegen den Braunkohleausstieg. Politisch schwankt der Fokus erneut zwischen einem harmlos wirkenden Kampf gegen den Lehrermangel, einer medizinischen Versorgung auf dem Land, aber auch Grenzschutz, Identitätsprüfung und der Berufung auf §16a und Dublin I und II.
Doreen Schwietzer aus Bautzen
Schwietzer ist geprüfte Bilanzbuchhalterin, sieht darum ihren politischen Schwerpunkt bei Wirtschaft und Finanzen. Wie auch Schreyer legt Schwietzer einen Fokus auf die Lausitz und somit auf den Braunkohleausstieg. Sie teilt auf Facebook vermehrt Artikel, die Gewalt von Geflüchteten aufzeigen sollen, spricht sich für schnellere Abschiebeverfahren bei straffälligen Migranten aus und lehnt die sogenannten “Altparteien” ab.
Thomas Thumm im Erzgebirge
Die andere Hälfte der nachgerückten Direktkandidat*innen wurde von der Partei nicht auf einer der Landesliste berücksichtigt. Das ist untere anderem Thomas Thumm, der im Erzgebirge 3 mit 34,4 Prozent siegte. Seit 2017 ist der Vertriebsdienstleiter Mitglieder der selbsternannten Alternative. Thumm legt den politischen Fokus auf „die innere Sicherheit in Verbindung mit Migration“. Er instrumentalisiert die Fluchtbewegung ab 2015 und unternimmt Schuldzuweisungen in Richtung Bundesregierung. Aber auch der „Niedergang des ländlichen Raums“ steht im landespolitischen Fokus Thumms. Dabei thematisiert der Erzgebirgler vorzugsweise die Autoindustrie Sachsens und propagiert Elektro-Autos als „Job-Killer“.
Thomas Kirste aus Meißen
Thomas Kirste (34,2 Prozent) im Wahlkreis Meißen 3.ist von seiner Tätigkeit als Diplom Kaufmann an der Hochschule Mittweida im Technologietransfer freigestellt. Im Wahlkampf setzte Kirste auf die Themen Sicherheit und Migration. „Wir als AfD müssen verhindern, dass in unserem Land Parallelgesellschaften entstehen.“ Dabei setzt der Diplom-Kaufmann auf die gängige AfD-Thematik, die Stigmatisierung und Ausgrenzung von Geflüchteten. „Wir müssen eine gewisse Abschiebekultur wieder etablieren, dass Menschen die in unser Land gekommen sind, ohne ein Recht zu haben hier zu sein, ohne eine Rechtsgrundlage, dass die das Land auch wieder verlassen.“ Es sei den Menschen mehr geholfen, würden die finanziellen Mittel für den Aufbau der Herkunftsländer eingesetzt. „Und den wirklich Armen, den Frauen und Kindern dort zu helfen.“
Roberto Kuhnert aus Görlitz
Roberto Kuhnert holte mit 36,6 Prozent in Görlitz 1 das Direktmandat. Der selbstständige Baudienstleister leitet die AfD-Regionalgruppe Weisswasser. Kuhnert arbeitete zudem aktiv im Wahlkampf von 2017 Tino Chrupalla für die Bundestagswahl mit. Chrupalla kam für eine Landtags-Wahlkampfveranstaltung zusammen mit Alice Weidel in die Oberlausitz. Wichtige landespolitische Themen sieht Kuhnert im Strukturwandel, der inneren Sicherheit und Bildung.
Der Polizeiobermeister Lars Kuppi aus Mittelsachsen
Der Polizist Lars Kuppi erlangte mit 31,7 Prozent das Direktmandat für den Wahlkreis Mittelsachsen 4. Kuppi ist seit 2018 stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbandes Mittelsachsen. Zwei Jahre zuvor ist der Polizeiobermeister der rechtsradikalen Partei beigetreten. Dazu bewegt habe ihn eine Begegnung mit Frauke Petry, ehemalige AfD-Parteisprecherin, aber auch die Fluchtbewegung im Jahr 2015, mit der er aus polizeilicher Sicht nicht einverstanden sei. Sein politischer Fokus ist die innere Sicherheit, insbesondere die Aufstockung und Sichtbarkeit der Polizei. Wahlkampfunterstützung gab es Mitte August von Björn Höcke, Vorsitzender der AfD-Thüringen. Gegen den Auftritt des rechtsradikalen Hardliners in Döbeln, formierten sich breite Gegenproteste. Darunter auch Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel. Neben den Sitz im sächsischen Landtag, ist Kuppi auch im Chemnitzer Stadtrat vertreten.