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Landtagswahl In diesen Wahlkreisen hat die AfD die meisten Stimmen

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Ziemlich gute Freunde: Christoph Berndt und Björn Höcke, die AfD-Landeschefs von Brandenburg und Thüringen feiern die Ergebnisse der rechtsextremen Partei in Brandenburg. (Quelle: picture alliance/dpa | Christoph Soeder)

Bei den Landtagswahlen in Brandenburg ist die AfD zweitstärkste Kraft geworden. Mit knappen 1,7 Prozentpunkten hinter der SPD kommt sie auf 29,2 Prozent der Stimmen. Damit bleiben die Rechtsextremen zwar hinter den Ergebnissen aus Sachsen, Thüringen und den Prognosen zurück, erlangen aber die Sperrminorität. In einigen Wahlkreisen erreicht die rechtsextreme Partei aber noch höhere Werte, vor allem bei den Erststimmen. Bemerkenswert: Viele der besonders erfolgreichen Kandidat*innen sind alte Bekannte, die zum Umfeld des längst aufgelösten völkischen „Flügel“ und des ehemaligen Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz gehören.

Das höchste Ergebnis im Bundesland und ein geschlagener Ministerpräsident

Trotz eines auf ihn zugespitzten Personenwahlkampfs konnte Brandenburgs Wahlsieger Dietmar Woidke (SPD)  in seinem Wahlkreis Spree-Neiße I das Direktmandat nicht gewinnen. Nur sieben Stimmen trennen ihn von Steffen Kubitzki (AfD). Beide erreichten 41,5 Prozent. Bei den letzten Wahlen 2019 sah das noch deutlich anders aus: Damals erreichte Woidke 36,2 Prozent der Stimmen, Kubitzki 32,4 Prozent.

Die Zweitstimmen zeigen ein noch deutlicheres Bild, denn hier erreicht die AfD im Wahlkreis 39,2 Prozent der Stimmen, die SPD mit 29,1 Prozent mehr als zehn Prozent weniger.

Im Wahlkreis Spree-Neiße II dagegen gibt es keine Uneindeutigkeiten. Hier gewinnt die AfD auf voller Linie. Michael Hanko (AfD) bekommt mit 46,8 Prozent das Direktmandat, Peter Wolf (SPD) erreicht noch 26,4 Prozent. Und auch die Zweitstimmen zeigen ein eindeutiges Bild. 41,7 Prozent des Wahlkreises haben rechtsextrem gewählt. Wieder 26,4 Prozent gehen an die SPD. Es ist zusammen mit dem Ergebnis aus dem Wahlkreis Oberspreewald-Lausitz I das beste Ergebnis der AfD bei diesen Landtagswahlen. Hanko sitzt seit 2019 im Landtag, damals galt er dem Spiegel als „radikaler Kandidat“. Dem gelernten Fliesenleger gehörte eine Bar namens Bunker 38 im Spremberger Ortsteil Schwarze Pumpe, laut taz „in den 2000er Jahren einer der wichtigsten Szenetreffpunkte für Neonazis in Brandenburg“.

Vielsagend sind die Ergebnisse auch, weil mit Kubitzki und Hanko eigentlich farblose Kandidaten, die selten überregional auffallen, große persönliche Erfolge verzeichnen: Das beste Ergebnis im Bundesland und ein geschlagener Ministerpräsident. Das spricht dafür, dass Wähler*innen der rechtsextremen Partei ihre Stimme vor allem wegen der rassistischen und menschenverachtenden Inhalte geben, selbst wenn es beim Personal an Charisma und Ausstrahlung mangelt.

Gewinnerin trotz Rechtsextremismus

Laut und extrem tritt allerdings Birgit Bessin auf, bis 2024 Landeschefin der AfD in Brandenburg und Wahlsiegerin im Wahlkreis Oberspreewald-Lausitz I. Schon seit zehn Jahren sitzt Bessin im Landtag. 2015 gehörte sie zu den Erstunterzeichner*innen der sogenannten „Erfurter Resolution“, aus der die innerparteiliche Gruppierung „Der Flügel“ entstand.

Der „Flügel“ war Sammelpunkt für Rechtsextreme in der AfD zu einem Zeitpunkt, als die Gesamtpartei noch auf dem Weg der Radikalisierung war. Die Gruppe gehörte zu den ersten Teilen der Partei, die damals ins Visier des Verfassungsschutzes gerieten und löste sich 2020 formal auf. Denn tatsächlich mussten sich damals die Völkischen und Rechtsextremen in der Partei längst nicht mehr separat organisieren. Ihre Ideologie ist bestimmender Teil der Gesamtpartei geworden.

An Bessin ist das zu erkennen. Mehrmals trat sie als Rednerin bei „Zukunft Heimat“ auf, einem brandenburgweit tätigen rechtsextremen und rassistischen Verein mit Sitz in Cottbus, der rassistisch gegen Geflüchtete hetzt. Sie fordert in Bezug zur Ukraine, dass Deutschland an erster Stelle stehen müsse, „statt einer westlichen Interventionspolitik und einer Politik eines abgehobenen Internationalismus“. Bessin galt als Vertraute des ehemaligen Brandenburger AfD-Chefs Andreas Kalbitz. Der war, noch unter dem früheren Parteivorsitzenden Jörg Meuthen, aus der Partei ausgeschlossen worden, weil er laut Tagesspiegel „eine frühere Mitgliedschaft in der Neonazi-Organisation Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) verschwiegen hatte“. Doch die Brandenburger Fraktion solidarisierte sich mit Kalbitz, der bis zuletzt parteiloses Mitglied der Fraktion blieb, 2024 aber nicht erneut kandidierte.

Für viele Wahlberechtigte im Wahlkreis Oberspreewald-Lausitz I ist das aber 2024 kein Grund, der rechtsextremen Vorsitzenden ihre Stimme zu verweigern. Im Gegenteil: Mit 44,3 Prozent errang Bessin das Direktmandat, Martin Höntsch (SPD) erhielt lediglich 25,9 Prozent der Stimmen. Bei den AfD-Zweitstimmen liegt der Wahlkreis mit Spree-Neiße II gleich auf und erreicht mit 41,7 das stärkste Ergebnis im Bundesland.

Verflügelter Landtag

Auch im Wahlkreis Elbe-Elster II gehört der Wahlgewinner zum Umfeld des aufgelösten „Flügels“ und des ehemaligen Parteichefs Kalbitz. Die rechtsextremen Seilschaften und Netzwerke bestehen offensichtlich fort: Kein Wunder, denn schon 2020 warnt der Landesverfassungsschutz vor der „Verflügelung“ der AfD. Ein mittlerweile längst abgeschlossener Prozess.

Dabei hatte sich Volker Nothing vor einigen Jahren – bei einem Auftritt mit Andreas Kalbitz, zu diesem Zeitpunkt noch AfD-Mitglied – nicht dazu geäußert, ob er überhaupt zur „Flügel“-Gruppierung gehöre. Die „Erfurter Resolution“ hat Nothing allerdings unterschrieben. Seit 2019 sitzt er im Landtag.

Zwischen Elbe und Elster kümmert das die Wähler*innen alles nicht. In seinem Wahlkreis gewinnt Nothing mit 43,5 Prozent der Stimmen das Direktmandat, sein Konkurrent Fabian Blöchl (SPD) kommt auf 27,2 Prozent. Die Zweitstimmen sind ebenfalls eindeutig: Mit 39,2 Prozent der Stimmen liegt die AfD weit vor der SPD (25,5 Prozent).

Erfolg trotz Verfassungsschutz

Zu den prominenteren AfD-Wahlsieger*innen in Brandenburg zählt Bundesvorstandsmitglied Dennis Hohloch. Er gewinnt das Direktmandat im Wahlkreis Oder-Spree II mit 40,5 Prozent, Björn Wotschefski (SPD) kommt auf 27,3 Prozent. Und auch bei den Zweitstimmen ist die AfD deutlich stärkste Kraft: 37,1 Prozent, gefolgt von der SPD mit 28 Prozentpunkten.

Auch Holoch gehörte zu den Unterstützer*innen des ehemaligen Parteichefs Andreas Kalbitz. Nachdem der Bundesvorstand der Partei Kalbitz die Mitgliedschaft entzogen hatte, bezeichnete Holoch den Vorgang im Mai 2020 als „schwerwiegenden Fehler“. Im August 2020 wurde bekannt, dass Kalbitz – angeblich während der Begrüßung – seinem damaligen Vertrauten Holoch einen Milzriss zugefügt hatte. Die Staatsanwaltschaft Potsdam leitet Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Körperverletzung ein, die später eingestellt wurden.

Holoch sitzt seit 2019 im Potsdamer Landtag. Er gehört zu den sechs Abgeordneten der bisherigen Fraktion, die vom Verfassungsschutz als Rechtsextremisten eingestuft wurden.  Trotzdem stuft der brandenburgische Verfassungsschutz den gesamten Landesverband der AfD bis heute lediglich als rechtsextremen Verdachtsfall ein. Anders als in Sachsen und Thüringen, wo die AfD trotz ähnlicher Personalien und inhaltlicher Ausrichtung als „gesichert rechtsextremistisch” eingestuft wird.

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